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An welchen Äußerlichkeiten erkennt man einen Franzosen?
Zu den weltweit verbreiteten typischen Merkmalen des Franzosen zählen die Baskenmütze, die unter dem Arm getragene Weißbrotstange, die baguette, sowie der an der Unterlippe klebende Zigarettenstummel. Die Französin hingegen ist elegant und raffiniert gekleidet, gilt zumeist als kapriziös, bisweilen auch als energisch und ist von einem sehr ansprechenden Äußeren, für das, je nach Geschmack, Brigitte Bardot oder Fanny Ardant, Jeanne Moreau oder Emmanuelle Béart als Vorbild dienen.
Es ist also vor allem das Kino, dem wir unsere Stereotypen über die Franzosen verdanken, weshalb einem Nicht-Franzosen der Schauspieler Jacques Tati beispielsweise als ganz und gar echter Franzose gilt. Der tritt zwar nie mit einer Baskenmütze, sondern mit einem Hut auf, und statt der baguette trägt er selbst bei strahlendem Wetter einen zusammengerollten Regenschirm unterm Arm. Auch sieht man ihn nie mit Zigarette, sondern mit einer Pfeife. Warum also gilt Tati als die Verkörperung des typischen Franzosen? Vermutlich wegen seiner hageren Gestalt, die der stets zu kurze Popelinmantel noch betont. Vor allem dürfte es seine Haltung sein, insbesondere sein vorgeschobener Kopf, der seinem Gang etwas Staksiges und Zögerndes verleiht, ganz so, als mühte er sich, eine extreme Kurzsichtigkeit zu überspielen.
Selbstverständlich verkörpert Tati eine Karikatur, stellt sein Agieren eine Überzeichnung dar. Fragt sich nur, wovon? In Frankreich jedenfalls sind seine Filme weitaus weniger beliebt als im Ausland. Können die Franzosen also nicht über sich selbst lachen? Doch, das können sie zweifelsohne, aber eben nicht unbedingt in seinem Fall, was damit zusammenhängen dürfte, daß sie sich in ihm nicht wiedererkennen.
Ganz anders hingegen verhält es sich mit Asterix, der neben General de Gaulle der weltweit bekannteste Franzose unserer Zeit ist. Wollte man aus dieser Feststellung jedoch die Vermutung ableiten, beide seien irgendwie gleichermaßen repräsentativ für das Selbstbild, das die Franzosen von sich haben, so irrte man sehr. De Gaulle wird als einsame Ausnahmeerscheinung, als ein für das Land glücklicherer Widergänger Napoleons bewundert, über dessen bekanntes und bisweilen sehr exzentrisches Gebaren man sich oft und gern, aber stets respektvoll amüsiert. Mit Asterix hingegen, den man aber keinesfalls als einen Gegenentwurf zum General mißverstehen darf, können sich die Franzosen vorzüglich identifizieren, weil er ihnen als ihr mild-ironisches Spiegelbild gilt.
Als Karikatur findet Asterix deshalb soviel Anklang, weil er in sich alle Gegensätze, Vorzüge und Nachteile, die sich die Franzosen gerne selbst nachsagen, verkörpert. Zwar ist er eher häßlich und entschieden kleinwüchsig, dafür aber auch listenreich und verschlagen, stets tapfer und nie unterzukriegen. Seine ganze Erscheinung ist von geradezu außergewöhnlicher Durchschnittlichkeit, und schon gar nichts in seinem Auftreten und Gebaren verrät etwas von den Eigenschaften, die in ihm schlummern. Dem entspricht sein Herkommen: Es ist keineswegs die Stadt, schon gar nicht Paris, sondern die Provinz, das kleine Dorf, das irgendwo in den Weiten Frankreichs verloren liegt. Um so mehr aber ist er ein aufrechter Gallier, ein Franzose schlechthin, einer, der sich nicht fürchtet, allein die Welt in die Schranken zu fordern, selbst wenn die Hölle voller Römer wäre. Eben die stehen ein für das andere, das Fremde, das Nicht-Französische, über das Asterix ebenso seinen Spott ausgießt wie über die allzu hohe Meinung seiner Landsleute von sich selbst und über die von ihnen bewunderten Leistungen wie die angeblich nur sie auszeichnenden Vorzüge.
Asterix ist nicht zuletzt auch deshalb so populär, weil er auf ausnahmslos alles, was französischen Schulkindern an Vorbildlichem über das eigene Land und dessen Geschichte eingetrichtert wird, die Parodie bietet. Ein Mantra des einst selbst in den entlegensten französischen Kolonien gelehrten Grundschulpensums lautete: »Unsere Vorfahren, die Gallier .« Eine andere, durch ständige Wiederholung zur Gewißheit gehärtete Behauptung stellt die ebenfalls durch Schulerziehung eingeimpfte und deshalb weitverbreitete Selbsteinschätzung dar, besonders logisch und rational zu sein, zu der sich auch Asterix voller Stolz bekennt, um dann nur zu häufig diesen Anspruch durch sein Tun und Lassen zu widerlegen.
Daß die Franzosen keineswegs logischer oder rationaler begabt sind als andere Völker, davon kann jeder ein Lied singen, der die Hilfe von Handwerkern braucht. Als wir unsere Pariser Wohnung durch den Erwerb eines ihr unmittelbar benachbarten Einzimmerappartements vergrößern konnten, zeigte sich, daß dessen Boden eine gute Handbreit tiefer lag. Den Parkettleger focht dies nicht an, wollte der doch ohne weitere Überlegung den Höhenunterschied durch eine Schwelle, über die man immer stolpern würde, betonen. Das ließ sich gerade noch dadurch vereiteln, daß man ihn auf die wesentlich elegantere und vor allem jede Stolpergefahr bannende Lösung aufmerksam machte, die Niveaudifferenz durch einen Lattenrost und Sperrholzplatten, auf denen das Parkett verlegt wurde, auszugleichen.
Dieses Beispiel verrät viel über das Geheimnis des gewachsenen urbanistischen Charmes von Paris, der sich allzu häufig solcher Flickschusterei verdankt, die von einer wahrhaft nationalen Leidenschaft, der bricolage, kündet, die eigenen vier Wände durch Handwerkelei und Bastelei nicht nur zu verschönern, sondern vor allem den zur Verfügung stehenden knappen Raum optimal auszunutzen. Die französische »Wohnkultur« ist ein weites Feld, dessen Erforschung und Darstellung ein eigenes Buch rechtfertigte. Allerdings bräuchte es dazu vermutlich lebenslangen Forscherfleiß, denn kaum etwas sonst wird in Frankreich dem Auge eines anderen so gut verborgen wie die eigene Wohnung. Wie es darin für gewöhnlich aussieht, darüber liefert kein Film Aufschluß.
Unlängst wurden wir im Bistrot unfreiwillig Ohrenzeuge eines Gesprächs, dem wenigstens ein Fingerzeig zu entnehmen war. Der Termin der Hochzeit der Tochter nahte. Das Datum stand zwar schon seit längerem fest, und eigentlich hatte man sich darauf auch vorbereiten wollen, aber . Natürlich hatte man noch nichts unternommen. Gewiß, ein Restaurant für die Feier war reserviert, ein Menü bestellt worden. Allein in der Wohnung war nichts passiert, war die aus diesem Anlaß beabsichtigte gründliche Renovierung ein ums andere Mal aufgeschoben worden und jetzt war es zu spät, damit überhaupt noch beginnen zu wollen. Was also tun, wenn die künftigen Schwiegereltern der Tochter zu Besuch kämen? Welchen Eindruck würden diese haben? Eine schier ausweglose Situation, aber der Gesprächspartner wußte dennoch guten Rat. Es genüge völlig, so meinte der, wenn man lediglich die Seiten der Türen neu streiche, die den Eltern des Bräutigams notwendig bei ihrem Höflichkeitsbesuch ins Auge fielen. Das mache allemal einen guten Eindruck, der seine Wirkung gewiß nicht verfehle .
Der Selbstanspruch, siehe den Parkettleger, ist das eine, die Wirklichkeit das andere. Da sich die daraus resultierenden vielfältigen Widersprüche kaum in einer Person glaubwürdig vereinen ließen, bekam Asterix von seinen Erfindern einen, seinen besten Freund zur Seite: Obelix. Der ist in allen Stücken das genaue Gegenteil seines Kumpels Asterix: Obelix ist naiv, ziemlich einfältig, streitsüchtig, hochgewachsen und dabei über alle Maßen beleibt, was verrät, daß er besonders daran interessiert ist, stets gut und reichlich zu essen.
Erst durch sein Alter ego Obelix wird Asterix wirklich als Karikatur kenntlich, wird deutlich, daß auch das Wesen der Franzosen mehr als nur die Fassade ihres Selbstanspruchs aufweist und daß dieses eine Summe vieler Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten ist, die im Falle der beiden Witzfiguren - wie oft im wirklichen Leben Frankreichs - darin zu gewisser Versöhnung miteinander kommen, daß man sich erst einmal zu Tisch setzt, um dann ausgiebig darüber zu diskutieren, was man wie zubereitet essen will.
Das unzertrennliche Duo Asterix und Obelix zeigt mittelbar auch, daß sich die Franzosen stärker als andere Nationen an einer Idealvorstellung ihrer selbst orientieren: Man ist zwar Franzose, sieht sich aber immer mit der erzieherischen, ja eminent zivilisatorischen Herausforderung konfrontiert, wirklich ein Franzose zu werden. Maß und Maßstab dafür liefern vor allem die Protagonisten der großen Literatur. Versuchte man die Quersumme von deren hervorstechenden, selbstverständlich durchweg positiven Eigenschaften zu ziehen, dann sähe das Ergebnis ungefähr wie folgt aus: Einen Franzosen kennzeichnen gleichermaßen große intellektuelle Fähigkeiten wie eine künstlerische Empfindsamkeit. Die erste Eigenschaft findet ihren Niederschlag in den von Geist funkelnden, witzigen und ausgesucht höflichen Umgangsformen, in der unübertrefflichen Fähigkeit, durch Worte für sich einzunehmen, und zuallererst natürlich darin, die eigene Sprache grammatikalisch korrekt zu beherrschen.
Vermutlich ist kein Volk in die eigene Sprache so verliebt wie die Franzosen. In keinem anderen Land wäre es vorstellbar, daß ein schmales Buch mit dem Titel »La Grammaire est une chanson douce«, »Die Grammatik ist ein zartes Lied«, das Erik Orsenna 2001 veröffentlichte, ein Bestseller mit fast einer halben Million verkaufter Auflage würde. Nirgendwo sonst wird auch so sehr darauf geachtet, das eigene Idiom vor sprachlichen Verunreinigungen zu bewahren. Das ist die vornehmste Aufgabe der Académie, jener Kongregation von vierzig »Unsterblichen«, die sich in Fragen der mustergültigen Beherrschung des...
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