Schweitzer Fachinformationen
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An den sanft abfallenden, noch immer schneebedeckten Bergen rund um den Lake Tahoe bricht sich das Licht der untergehenden Sonne. Ich angle nach der Sonnenbrille, die auf dem Beifahrersitz herumrutscht. Meine Zwillingsschwester Grace ist den Buick zuletzt gefahren und muss sie dort hingeschmissen haben. Liz, die älteste von uns Carson-Schwestern, oder ich hätten die Brille auf die Mittelkonsole gelegt, wo sie hingehört. Grinsend schüttle ich den Kopf und schiebe die alte Ray-Ban meines Dads auf die Nase, um nicht geblendet zu werden, während ich den Wagen auf die Zufahrt nach Pinewood Meadows lenke. Pinien säumen den gewundenen Schotterweg, der zu unserem Zuhause führt. Zwischen den Baumwipfeln blitzt das Dach des imposanten Blockhauses auf. Als ich näher komme, sehe ich den Steg, der von der Rückseite des Hauses in die Halfmoon Bay führt und das tiefblaue Wasser des Lake Tahoe teilt. Der Winter hat sich vom See zurückgezogen und den Vorboten des Frühlings Platz gemacht.
Ich mag diese Jahreszeit und verfluche sie nicht wie so viele andere. Die Stille der verschneiten Natur erinnert mich immer an Ma, deren liebste Jahreszeit der Winter war. Der Frühling lässt meine Gedanken eher zu Dad treiben, der jedes Frühjahr aufs Neue versuchte, doch noch Handwerker aus uns zu machen, indem er die Reparaturen in Pinewood Meadows selbst bewerkstelligte und uns gnadenlos zwang, ihm zu helfen. Allerdings hatten seine Bemühungen nur wenig Erfolg.
Ich atme tief ein. Noch immer hängt der Geruch nach halb aufgelösten Keksen aus unserer Kindheit in den Polstern. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. In diesem Wagen liegen genauso viele Erinnerungen wie in Pinewood Meadows oder in unserem Familien-Diner.
Ich fahre mir durch die langen blonden Haare und lächle, als in der nächsten Kurve das gewohnte Klappern ertönt. Fiona, die zweitälteste von uns Schwestern, hatte zusammen mit Jake, Liz' bestem Freund, ein Legosteinchen in die hintere Lüftung gesteckt, als sie beide noch klein waren. Dad wollte es immer herausholen, hatte es aber zu Moms Ärger stets für dringendere Projekte hintangestellt. Nach dem Tod der beiden haben wir nie wieder ein Wort über den Stein verloren. Jedes Klappern erinnert uns an sie.
Ich parke den Wagen vor dem Haus, steige aus und halte kurz inne. Immer wenn ich nach Pinewood Meadows zurückkehre, egal ob ich nur für ein paar Stunden fort war oder Tage, überrascht es mich von neuem, wie verlässlich mich die kleine Bucht, das Holzhaus und der See erden und zur Ruhe kommen lassen.
Als ich wenig später die Haustür öffne, dringt lautes Lachen vom Wohnbereich in den Flur, wo ich die Schlüssel auf die Kommode werfe. Vielleicht ist es gar nicht so sehr der Ort, der mir Frieden schenkt, sondern meine wundervoll chaotischen Schwestern.
Ich betrete das Wohnzimmer und platze mitten in ein Carson-Eisgelage. Grace, mein Zwilling, und Amber, unser Küken, sitzen auf dem Boden in Deckenbergen, jede einen riesigen Becher Eis vor sich. Im Kamin brennt ein Feuer.
Selbst Liz ist mit von der Partie. Sie holt sich gerade ein Eis aus dem Gefrierfach, und als sie mich sieht, wirft sie mir auch einen Pott zu. Meine Lieblingssorte Salted Caramel.
Wir setzen uns zu unseren Schwestern, während Cole, Liz' große Liebe, die Treppe hinunterkommt und sich seine Jacke anzieht.
Er und sein Bruder wollen heute ausgehen, was vermutlich bedeutet, dass Evan ihn durch die Clubs schleifen und dafür sorgen wird, dass Cole mehr trinkt als sein übliches Glas Wein.
»Okay, Mädels, ich bin weg.« Cole beugt sich zu Liz hinunter und gibt ihr einen sanften Kuss. »Die Nummer vom Krankenhaus hängt an der Pinnwand, sollte eine von euch einen Zuckerschock erleiden.« Er zwinkert uns zu und greift sich den Autoschlüssel von der Arbeitsfläche in der Küche. »Dann werde ich mal Sierra Shores Weinkeller abschließen und hoffen, dass meine Leber den Abend mit Evan unbeschadet übersteht.«
Amber sieht ihn zweifelnd an. »Ich dachte, der ist jetzt gut drauf und schwebt auf Wolke sieben. Oder hat Fiona ihm schon wieder das Herz gebrochen? Hätte gar nicht gedacht, dass der Typ überhaupt ein Herz hat, das brechen kann.«
»Du sprichst hier von meinem Bruder, Ambs«, bemerkt Cole mit sanfter Strenge. »Zwischen ihm und Fiona ist alles in Ordnung. So in Ordnung, dass er heute mit mir feiern will.« Cole betont das Wort feiern so, als wäre es in der Lage, ihn zu vergiften. »Wenigstens schläft er wieder, rennt nicht mehr in stinkenden Holzfällerhemden herum und säuft nicht mehr die Alkoholvorräte rund um den Lake Tahoe leer.« Er zuckt die Schultern. »Keine Ahnung, ob er vorhat, das heute zu ändern, um sein Glück zu begießen, aber ich werde es herausfinden.«
Sein Blick zeigt, dass er ernsthaft Angst hat, genau das könnte passieren. Es ist ungewohnt, dass Evan und er sich verstehen und nicht länger jedes Wort und jeder Schritt zwischen ihnen ein Kampf ist. Und dennoch, was das Durchhaltevermögen am Tresen eines Clubs angeht, hier sind sie nach wie vor so unterschiedlich, wie sie es nur sein könnten.
Cole nickt uns zu, und wir winken ihm hinterher, als er durch den Flur verschwindet und wenig später den Motor seiner Redneckschleuder anschmeißt.
»Wo hast du eigentlich gesteckt, Hazel?«, fragt Liz und stopft sich eine Riesenladung Eis in den Mund.
»Ja, wo warst du?« Grace streckt sich wie eine Katze vor dem Kamin. »Du warst nach deiner Schicht im Diner plötzlich verschwunden. Mit dem Wagen«, fügt sie leicht vorwurfsvoll hinzu.
»Ich habe Cole gefragt, ob er euch nach Feierabend mitnimmt«, verteidige ich mich und umgehe so gekonnt die eigentliche Frage. Aber da habe ich die Rechnung ohne Grace gemacht. Wenn es um Dinge geht, die man nicht unbedingt erzählen will, ist sie wie ein Detective, der sich in einen kniffligen Fall verbissen hat.
»Und wo musstest du so dringend hin?«, fragt sie auch prompt, und ihr Blick ist bohrend.
»Ich war mit Jake in einer Bar.« Das ist nicht gelogen, impliziert aber, dass ich mit ihm aus war. Was so nicht stimmt. Er hat mich lediglich angerufen, weil er zu viel getrunken hatte und nicht mehr selbst fahren konnte. Etwas, das in letzter Zeit häufiger vorgekommen ist. Ich habe ihn also nach Hause gefahren. Mehr nicht.
Grace hebt die Augenbrauen. »Er vergräbt sich seit Monaten auf der Hunter-Werft und redet nicht mal mit Lizzie, und jetzt geht er mit dir aus?«
»Immerhin öffnet er sich irgendwem«, wirft Liz ein und runzelt die Stirn. »Was hat er gesagt? Wie geht es ihm?«
Wir alle machen uns Sorgen, seit sein Dad gestorben ist und Jake damit die Chance genommen wurde, die Dinge zwischen ihm und sich zu klären.
»Er hat nicht besonders viel gesagt«, sage ich. Das entspricht der Wahrheit und degradiert mich zu einer verlässlichen Taxifahrerin. Die ewig hilfsbereite Hazel.
»Immerhin hat er überhaupt mit dir geredet, und er geht aus«, bemerkt Liz einigermaßen zufrieden. »Das ist ein erster Schritt. Ein guter.«
Da bin ich mir nicht so sicher. Wenn sie wüsste, dass Jake bereits seit Wochen die Pubs und Clubs rund um den Lake Tahoe unsicher macht, um sich abzuschießen, und regelmäßig alkoholisiert Streit anfängt, würde sie sich genauso viele Sorgen machen wie ich. Ich rede mir ein, dass ich nur meinen Mund halte, damit sie sich nicht auch noch darüber Gedanken machen muss. Dabei weiß ich sehr genau, dass das nicht der Grund ist.
Seitdem Jake zurück am Lake Tahoe ist, spüre ich die alten Gefühle für ihn, egal wie irre es sein mag, sich auch nach fünf Jahren noch immer zu ihm hingezogen zu fühlen. Dabei hat er mir nie das Gefühl gegeben, mehr zu sein als eine gute Freundin. Ich bin ihm vermutlich nicht einmal aufgefallen. Jedenfalls nicht so, wie ich es mir in meiner Jugend oft ausgemalt habe.
In der Regel mag ich es, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Anders als Liz, die die Chefin in unserem verrückten Schwestern-Clan ist. Oder als Fiona, die das Leben laut und wild ganz nach ihren Vorstellungen biegt. Selbst meine Zwillingsschwester Grace ist das komplette Gegenteil von mir. Sie ist witzig, streut über jeden Ärger eine Prise Ironie und erobert das Herz anderer, wie ein stürmischer Labrador es tun würde. Von meiner kleinen Schwester Amber brauchen wir gar nicht erst zu reden. Sie ist wie die explosive Mischung aus einem gothic-schwarz bemalten Tornado und einem Probleme speienden Vulkan.
Ich hingegen bleibe lieber im Hintergrund und habe laut Grace ein totales Helfersyndrom. Sie hält mich für den Ruhepol in unserer Familie und für so ausgeglichen, dass ich ihre verrückt-chaotische Art wieder wettmache. Ich bin gern dieser Mensch. Nur Jake hat mich schon immer dazu gebracht, lieber ein wenig mehr wie Liz, Fiona oder Grace sein zu wollen.
»Wenn Cole gehen darf, hau ich auch ab«, sagt Amber und rappelt sich von den Decken hoch, in die sie sich vor dem Kamin gekuschelt hat. Den fast vollen Eimer Cookie-Dough-Eis hält sie dabei fest in der Hand und hat ganz offensichtlich vor, ihn mit in ihr Zimmer zu nehmen. »Will noch ein bisschen Musik hören.« Ambers Bezeichnung für »ich schreibe eigene Songtexte, die mitten ins Herz treffen und die ich trotzdem nur über meine Leiche mit der Welt teile«.
Grace beugt sich blitzschnell vor und erobert einen Löffel Cookie Dough. »Das ist nicht fair. Sie hat meine Lieblingssorte und darf einen ganzen Becher allein vertilgen.« Sie sieht zu Amber hoch. »Wer hat das eigentlich erlaubt?«
Amber schert sich kein Stück um den Protest von Grace. »Ich bin im Wachstum. Bei mir setzt das wenigstens nicht an.« Mit dem Stil ihres Löffels piekst sie...
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