WILLKOMMEN BEIM FEHLERMACHEN

Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn du ein Start-up gründen und zum Erfolg bringen willst, gibt es zwei einfache goldene Wege. Wähle einen der beiden und deine Träume werden wahr:

Du findest eine Lösung, auf die der Markt nur gewartet hat. Alle werden dein Produkt lieben, es kaufen, du wirst reich. Ende der Geschichte.

Oder du entwickelst eine Lösung, die es längst am Markt gibt. Doch deine ist besser, günstiger, schneller, sexyer. Der Wettbewerb sieht alt aus, alle wollen jetzt dein Produkt. Der Rest läuft wie oben.

Soweit die Theorie. In der Praxis sind diese Wege leider, leider gar nicht so einfach und klar. Und statt mit Gold sind sie bestenfalls mit Steinen gepflastert. Jeder Stein ein Problem, je weiter du vorankommst, desto holpriger wird es.

Es kann also eine Menge schiefgehen auf deinem Weg. So richtig einfach läuft kaum etwas. Jede Menge Regeln gilt es zu beachten. Die Ironie dabei: Das sage ich dir als jemand, der anfangs dachte, dass diese Regeln für ihn nicht gelten würden.

Ich wollte als junger Start-up-Gründer nicht auf goldenen Wegen wandeln, das waren in meinen Augen nur die ausgetretenen Pfade der anderen. Ich konnte auch kein festes Muster für Erfolg oder Misserfolg erkennen. Warum sollte ich mich dann an Regeln halten?

Ich legte also einfach los. Virtual Reality hatte mich schon als Jugendlicher fasziniert. Im Keller meines Elternhauses konstruierte ich ein VR-Outfit, bestehend aus Rucksack mit Vibrationselektronik, HMD-Brille und speziellen Schuhen. Motion-Capture-Kameras sollten jede Bewegung aufnehmen und in der VR-Software umsetzen. Später an der Uni bastelte ich mit zwei Kommilitonen an diesem Konzept weiter. Heraus kam ein VR-Terminal für Immobilienmakler und damit mein erstes Start-up: Inreal. Läuft doch, dachte ich. Warum meinen denn alle, ein Start-up zu gründen sei so schwierig und anstrengend?

Meine Euphorie war leider verfrüht. Ich hatte zu viele Regeln ignoriert, zu sehr auf mein Bauchgefühl gesetzt. Die Verkaufszahlen der VR-Simulatoren waren mau. Immerhin überlebte Inreal die wilde Anfangszeit durch Projektumsätze und konnte sich neu erfinden. Parallel entstand daraus das Start-up Enscape. Auch hier ging es um Virtual Reality, aber mit einem komplett anderen Geschäftsmodell. Statt merkwürdig sperriger VR-Anzüge oder -Terminals entwickelten wir Software. Ein Klick und das Produkt war verkauft und geliefert. Viel einfacher, viel erfolgreicher.

Enscape ist mittlerweile in neuen Händen. Ich investiere jetzt selbst in Start-ups und bin nach wie vor als Co-Founder unterwegs.

Doch die Fragen nach goldenen Wegen, ewig gültigen Regeln und anderen Ratschlägen verfolgen mich auch jetzt. Oft spreche ich mit jungen Gründerinnen und Gründern, die gerade die ersten Schritte planen. Oder die bereits gegründet haben und nun auf die ersten größeren Probleme stoßen. Was ihnen allen gemein ist: Sie suchen nach Fehlern im eigenen aktuellen Verhalten oder wollen künftige Fehler vermeiden. Hilfe erhoffen sie sich von einem wie mir, der die gleichen Fehler vielleicht schon gemacht hat und sagen kann, wie es besser geht.

Das brachte mich eines Tages darauf, eine Liste zu schreiben: eine Liste mit Fehlern, die man unbedingt vermeiden sollte, wenn man denn mit seinem Start-up erfolgreich sein wollte. Anfangs waren es nur ein paar Stichpunkte in einem Google Doc, doch mit der Zeit wuchs die Sammlung an und half mir, eigene Fehler zu identifizieren und anderen Leuten Tipps für die Fehlervermeidung zu geben. Die Liste war hilfreich und schwer leserlich zugleich. Ich fand aber, man könnte viel mehr daraus machen.

Was daraus wurde? Dieses Buch.

Ein Buch über Fehler, die dir als Gründerin oder Gründer passieren können. Die Angst, über Fehler zu sprechen, ist nach wie vor groß. Da kann heutzutage noch so viel von Fehlerkultur die Rede sein. Lernen aus Fehlern, gut und schön. Aber besser, man macht sie erst gar nicht, heißt es dann gleich. Das wird dir aber in vielen Fällen nicht gelingen. Der einzige Weg, garantiert keine Fehler zu machen, ist gar nicht erst zu gründen. Auch trotz gründlicher Vorbereitung und umsichtiger Verhaltensweise werden dir Fehler passieren, wenn du dein Start-up aufbaust, entwickelst und in die Skalierungsphase bringst. Nur ist es gut, sich des Fehlers rechtzeitig bewusst zu werden, um noch gegensteuern zu können. Du bemerkst ein Problem, analysierst die Ursachen und handelst dann entsprechend. So würdest du vorgehen - und so bin auch ich bei der Fehlerbeschreibung vorgegangen, damit du dich leicht und schnell orientieren und ins jeweilige Thema einfinden kannst.

SO IST DAS BUCH AUFGEBAUT

Ich stelle dir die wichtigsten Fehler vor, die aus meiner Sicht in diesen drei Entwicklungsphasen deines Start-ups relevant sind:

• in der Gründungsphase,

• in den ersten zwölf Monaten und

• in der Scale-up-Phase.

Warum diese drei Phasen? In der Gründungsphase entwickelst du das Konzept für dein Start-up. Fehler, die hier passieren, wirst du vielleicht nicht unmittelbar bemerken. Sie können sich aber später umso drastischer auswirken und dir viele Probleme bereiten.

In der zweiten Phase, den ersten zwölf Monaten, startest du durch. Nun arbeitest du tatsächlich an statt nur in deinem Start-up. Aus Konzept wird Realität. Noch ist es aber eine Art Versuchsanordnung. Du experimentierst herum, ob dein Unternehmen wirklich in den von dir gewählten Markt passt. Wiederum können dir ernste Fehler passieren, die den weiteren Verlauf negativ beeinflussen würden.

Erst in der dritten Phase, dem Scale-up, ist dein Start-up zu einem richtigen Unternehmen gereift. Du weißt jetzt genau, was dein Geschäftsmodell ist, was du wirklich erreichen willst. Alles ist auf Wachstum ausgerichtet. In dieser dynamischen Situation sind schwerwiegende Fehler leicht möglich.

Drei kritische Phasen also, in denen du aufpassen musst, das Richtige zu tun. In jeder Phase stellen sich dir neue Herausforderungen, an denen du wachsen wirst. In einem Einführungsteil schildere ich dir jeweils, was dich erwartet, welche Gefühle dich wahrscheinlich bewegen werden. Danach folgen die zehn wichtigsten Fehler der jeweiligen Phase.

Im Schlussteil blicke ich in die Zukunft. Wohin entwickelt sich die deutsche Start-up-Szene - und auf wen kommt es dabei am meisten an?

»Der einzige Weg, garantiert keine Fehler zu machen, ist gar nicht erst zu gründen.«

WANN DIESES BUCH RICHTIG FÜR DICH IST - UND WANN NICHT

Ich weiß, wie man sich als junger Gründer oder junge Gründerin fühlt. Jung soll hier nicht auf das Alter bezogen sein, mehr auf die Tatsache, dass man zum ersten Mal ein Unternehmen aufbaut und noch relativ unerfahren ist.

Du hast also eine Gründungsidee und fragst dich, wie die nächsten Schritte aussehen könnten und was du dabei beachten solltest, um Fehltritte zu vermeiden. Oder du hast die ersten Schritte bereits gemacht, vielleicht ist dir auch schon der ein oder andere größere Fehler passiert, und du suchst nun nach einem relativ sicheren Weg durch den Start-up-Alltag.

Wenn du in eine dieser Kategorien fällst, bist du hier also absolut richtig. Dich erwarten viele Storys und Tipps, die dir helfen, dein Start-up zum Erfolg zu führen.

Halt mal, du bist eigentlich noch gar nicht so weit, ein Start-up zu gründen, denkst aber oft und gern darüber nach? Auch dann liest du richtig, denn du wirst in diesem Buch eine Menge Inspirationsstoff finden.

Falls du aber erwarten solltest, ein Kochrezept für den Start-up-Erfolg zu finden, mit Schritt-für-Schritt-Grafiken, Checklisten zum Abhaken und aufbauenden Sprüchen à la »Live your dream«, muss ich dich leider enttäuschen. Dies ist weder ein allumfassender Gründungs-Guide noch eine Erleuchtungsschrift.

Alle Beobachtungen, Analysen, Empfehlungen und Hinweise in diesem Buch beruhen auf meiner persönlichen Erfahrung aus mehreren Start-up-Gründungen. Sie sind deshalb höchst subjektiv und nicht empirisch fundiert. Das heißt auch: Etliche der geschilderten Fehler sind mir selbst passiert. Oder ich habe sie in meinem Umfeld bei anderen erlebt. Manche der geschilderten Situationen sind reale Geschichten aus meinen Gründungen, andere habe ich frei erfunden, um das Problem besser zu erklären.

Ich habe versucht, möglichst wenig branchen- und leistungsspezifisch zu schreiben. Die allermeisten Herausforderungen...