Wie ein Spuk wuchsen sie hinter den roten Felsen der trostlos öden Wüste empor und starrten hasserfüllt nach den Wagen hinüber, deren Planen hell in der Sonne leuchteten. Reglos standen sie im heißen Wind und beobachteten den Treck nach Westen. Knochige, eingefallene Gesichter trugen die Farben des Krieges. Langes, strähniges Haar fiel auf die Schultern. Sehnige Hände hielten Gewehre. Lautlos tauchten sie unter. Schnaubend wühlten sich die Wagenpferde durch den heißen Sand. Reiter flankierten die Wagen. Niemand hatte die Apachen entdeckt. Sie alle folgten dem dahin gehenden Tag und sahen die Sonne blutrot hinter den zerklüfteten Bergzügen im fernen Westen untergehen.
Männer hielten die Zügel fest in den Händen. Manche Frau saß neben ihrem Mann auf dem Wagenbock. Kinder hockten unter dem Planenhimmel. Federvieh flatterte unruhig in den Bretterverschlägen. Ochsen trotteten hinter den Wagen.
Wie eine graue Wand kam die Dämmerung von Osten heran. Im letzten Tageslicht las eine Frau aus der Bibel vor. Es war die Geschichte von Moses und dem gelobten Land . Gellendes Geheul zerriss die Stille des Abends. Wie Teufel schnellten Apachen hinter den Sandwehen und Bodenwellen hervor. Schüsse peitschten herüber, Pfeile sirrten heran. Blei durchschlug die Planen, klatschte gegen die Wagen. Pfeile fauchten durch die heiße Luft.
Aufbrüllend trieben die Männer die Wagenpferde an. Die Räder wühlten sich durch den Staub, rissen den Sand hoch. Hufe stampften wild. Lanzen bohrten sich tief in die dahinrasenden Pferde eines Wagens. Röchelnd brachen die Pferde zusammen. Der Wagen knallte gegen einen Felsen, die Deichsel zersplitterte - und krachend zerschellte der Wagen am Felsen, wurde auseinandergerissen. Ein Wagenrad rollte springend durch den Sand und zwischen die heranstürmenden Apachen. Verzweifelt versuchten die Männer, die Wagen zu einer Wagenburg zusammenzufahren.
Wieder traf ein Pfeilhagel die Wagen. Die Frau mit der Bibel griff sich an die Brust. Ihr Gesicht wurde von einer Sekunde zur anderen furchtbar leer. Die Bibel fiel vom Wagen und schlug in den Sand. Langsam kippte die Frau vom Bock und stürzte hinunter, rollte leblos in eine steinige Senke und blieb mit ausgebreiteten Armen rücklings liegen.
Ihr Mann schrie voller Entsetzen, Angst und Verzweiflung, riss an den Zügeln, wollte abspringen - da trafen ihn die Kugeln aus den Gewehren der Apachen.
Heulend fielen die Apachen über den Wagen her, schwangen die Tomahawks und machten die beiden Kinder nieder.
Zweihundert Yards weiter rasten die Wagen zu einer Wagenburg zusammen. Die Männer des Trecks feuerten auf die Apachen.
Jäh erstarb das markerschütternde Geheul. Verschwunden waren die Apachen, weggetaucht.
Die Ochsen trotteten in die Wagenburg, als wäre sie der altgewohnte Stall. Die Pferde rissen am Geschirr und keilten aus. Männer schwangen sich von den Wagen, halfen ihren Frauen und den Kindern herunter.
»Alles hinlegen!«, brüllte der Treckführer. »Grabt Löcher! Kriecht in den Boden!«
Sie scharrten mit bloßen Händen. Staubwolken trieben über die Wagenburg hinweg. Geduckt hetzten die Männer mit ihren Gewehren über den Platz, verteilten sich, krochen unter die Wagen, gingen hinter den wuchtigen Rädern der Conestogas in Deckung. Dann war es totenstill.
Tot lag die gläubige Frau in der Steinsenke. Tot waren ihre Kinder und ihr Mann. Tot lagen die Pferde im Sand, und das dunkle Blut gerann auf den verstaubten Körpern der Tiere.
Die Apachen lauerten.
Zitternd legten die Frauen die Arme um ihre Kinder und kauerten mit ihnen in den Sandlöchern.
Sie hatten in das gelobte Land Kalifornien ziehen wollen. Jetzt hatten Apachen ihre Träume und Hoffnungen jäh zerstört. Der Tod umgab die Wagenburg.
Lautlos fiel die Dämmerung über die Wagenburg. Die Konturen der Conestogas verschwammen. Wasser rann glucksend aus den durchschossenen dickbauchigen Fässern.
Männer krochen heran, hielten ihre durchschwitzten Hüte unter die Fässer und fingen das kostbare Wasser auf. Metall klirrte gegen Steine.
Schreie gellten.
Die Apachen griffen wieder an.
Bösartig durchbohrten Pfeile die Planen und bohrten sich in den heißen Sand. Kugeln trafen dumpf klatschend die Wagenräder und rissen zwei Männer weg. Schlaff fielen sie zu Boden. Geschosse drangen tief in den angehäuften Sand ein, hinter dem die Frauen und Kinder lagen.
»Schießt sie zusammen!«, brüllte der Treckführer mit röhrender Stimme. »Spart Munition, aber knallt sie ab!«
Schüsse verzerrten seine Stimme.
Treibender Flugsand umgab die geduckten Apachen.Wie von der Kette losgelassene Bluthunde schnellten sie auf weichen Mokassins näher, rasten von einem Felsen zum anderen.
Wieder waren sie verschwunden.
Nervenzerrüttend war die Stille - und die geheimnisvollen wimmernden Stimmen wehten von weither heran. Der Wind wurde zu einer schaurigen Melodie, und der Hauch von Tod und Sterben lag über dem ausgedorrten und gottverdammten Wüstenland.
Unter den Wagen knackte es. Männer luden die Gewehre nach. Ihre Gesichter waren verzerrt, schweißnass, verstaubt und maskenhaft starr.
Die Dämmerung verdichtete sich. Die Umrisse der Felsen verwischten immer mehr. Gestalten schienen näher zu kommen, schienen zu tanzen, geisterten schwebend über die Bodenwellen und lösten sich auf. Der Spuk narrte die eingeschlossenen und umzingelten Weißen. Manchmal krachte ein Schuss.
Abgrundtiefer Hass wütete in den Herzen der Apachen. Niemals würden sie die Versöhnung mit den Weißen suchen, die in ihr Land eingedrungen waren. Niemals würden sie sich ergeben und diese mörderischen Kriege und Gemetzel beenden. Nur der Tod könnte sie von ihrem furchtbaren Hass erlösen.
Sie waren Ausgestoßene der Apachenstämme. Wie herumstreunende Kojoten fanden sie nirgendwo Ruhe und Frieden - und sie suchten auch nicht nach der Geborgenheit. Der greise Cochise hatte sie verstoßen. Für ihn waren sie Coyoteros, räudige, verkommene und dreckige Abtrünnige, die den Hass schürten und die Blauröcke in dieses weite Gebiet lockten.
In der Dämmerung flackerte hinter Felsen Feuer auf, drang gelb durch den Dunst. Die Männer des Trecks starrten sich die Augen aus, doch sie konnten nirgendwo Apachen erkennen. Sie sahen nur das Feuer und den zuckenden Flammenschein auf den anderen Felsen. Irgendwo hinter den Bodenwellen wieherten Ponys.
Vielleicht würden sie alle nicht mehr den Morgen erleben.
Noch vertrauten sie auf ihre Gewehre, noch lähmte sie nicht die Todesangst.
»Was hat das Feuer zu bedeuten?«, stöhnte ein Mann. »Warum machen diese verdammten Hunde denn Feuer!?«
Niemand antwortete.
Das letzte Wasser rann aus den Fässern und sickerte in den Boden.
Kinder schluchzten. Die Mütter versuchten, ihre Kinder zu beruhigen, aber sie selber waren von Angst erfüllt. Eine Frau sprach ein Gebet. Es klang wie das Gebet vor einem offenen Grab.
*
Hände und Knie rieben durch den Sand. Auf allen vieren krochen Apachen über den Boden. Gewehre rutschten durch den Sand.
Urplötzlich peitschten Schüsse herüber, und wieder prasselte Blei gegen die Wagen. Schrill schreiend sprangen die Apachen auf und rasten heran.
Unter den Wagen blitzte es hell auf. Kugeln trafen die Apachen, zerrissen Gesichter, schlugen in die Oberkörper hinein. Indianer torkelten sterbend umher und sanken dahin - doch viele andere kamen hinterher, hetzten durch die Mulden, setzten über Felsen und Gestrüpp hinweg.
Die Männer stöhnten, schrien und schossen.
Auf einmal flogen brennende Pfeile vom Feuer herüber, schienen vom Himmel zu kommen. Sie zogen einen Feuerschweif hinter sich her und trafen die Planen der Wagen. Feuer fraß sich in die Planen und breitete sich aus. Die Pferde tobten, keilten aus, zerrissen das Geschirr und rannten weg. Ein Wagen wurde umgerissen. Funken wirbelten über den Platz und versengten die Kleidung der Eingeschlossenen. Überall war Feuer, überall loderten die Wagen.
Auf struppigen zähen Ponys jagten Apachen heran. Feuer loderte aus den Wagen. Die Männer mussten zurückkriechen, warfen sich hinter die Deckung des Erdwalls und schossen.
Gespenstisch tauchten die berittenen Apachen zwischen den brennenden Wagen auf. Sekundenlang waren diese Fratzen des Bösen und des Hasses deutlich im roten Schein zu erkennen. Dann rasten die Indianer auch schon in die Wagenburg hinein und schossen erbarmungslos in die Rücken der Weißen.
Todesangst erfasste alle. Die Männer achteten nicht mehr auf die Deckung, sie feuerten auf die Reiter, schossen Ponys und Apachen zusammen. Mit schrillem Geheul rasten mehrere Indianer aus der Wagenburg. Zu Fuß kamen andere Krieger heran. Das Gewehrfeuer verdichtete sich zu einem einzigen Geknatter. Apachen fielen sterbend in die brennenden Wagen hinein.
Niemand vom Treck hatte ernsthaft mit den Apachen gerechnet. Es hatte geheißen, dass die Indianer ruhig wären. Aber sie waren nicht ruhig - sie fielen schreiend und schießend über den Treck her, und die Männer kämpften bis zur letzten Patrone.
Fern, kalt und bleich strahlte das Mondlicht über der Wildnis.
Die Apachen wichen plötzlich zurück, hetzten hinter die Felsen, rollten über die Sandwehen und verschwanden. Zurück blieben tote Krieger und erschossene Ponys, brennende Wagen, verwundete und stöhnende Männer, erschossene Weiße, verendete Ochsen und verkohltes Federvieh.
Niemand konnte und durfte die Wagen löschen. Es wäre der Tod für jeden, der sich jetzt aufrichten würde. Die Feuer erhellten den Platz, und das Sternenlicht traf die Wagenburg. Die Schatten waren wieder scharf, die...