Schweitzer Fachinformationen
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Noch nie habe ich mich so sehr wie Cinderella gefühlt. Weiße, sternenförmige Lampions hängen von der Decke in den Raum hinein und tauchen den Festsaal der Lullaby University in ein warmes Licht. Sanfte Klänge einer Akustikgitarre verstärken die elegante Atmosphäre ebenso wie die Kellner in weißen Anzügen, die Champagnerflöten an die Gäste in festlicher Abendgarderobe verteilen. Mittendrin bin ich, in meinem hellblauen Kleid aus Tüll, dessen Oberteil ich in fünf Nachtschichten und in mühevoller Handarbeit mit Pailletten bestickt habe. Meine blonden, schulterlangen Haare sind zu einem vornehmen Knoten geformt, und ich bin bei dem Mann untergehakt, der für meine Zukunft eine entscheidende Rolle spielen könnte. Immerhin handelt es sich bei dem älteren Herrn zu meiner Rechten um einen der einflussreichsten Modeunternehmer Kaliforniens.
»Also, Ms Simson, Ihre Freundin Hazel hat mir nahegelegt, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie interessieren sich für Mode?«
»Sie fasziniert mich schon seit meiner Kindheit«, erwidere ich und betrete mit Mr Shan einen Nebensaal, in dem es etwas ruhiger zugeht - weniger Menschen, keine Hintergrundmusik. Dafür finden sich hier eine Fotoausstellung und Hunderte von Spiegelfliesen, die an der Decke angebracht wurden und sich im sanften Luftzug der geöffneten Seitentür bewegen.
»Was genau fasziniert Sie daran?«
»Dass jedes Detail, jede Entscheidung etwas aussagt«, erwidere ich träumerisch. »Mode ermöglicht, in unterschiedliche Versionen seines Selbst zu schlüpfen und diese nach außen zu tragen. Das gefällt mir.«
»Und wer möchten Sie sein? Welche Version?«
»Die Version, die ihre zwei größten Leidenschaften ausleben kann: Mode und Umweltschutz.«
Mr Shan nimmt einen Schluck aus seiner Champagnerflöte, dann lächelt er zustimmend. »Und was sind dabei Ihre Ziele?«
»Für heute Abend: meine Uni zu repräsentieren, Kontakte zu knüpfen und dem Dekan dabei zu helfen, unser Spendenziel zu erreichen. Für die nächsten zwei Jahre: den bestmöglichen Abschluss zu schaffen.«
»Beides verständlich«, wirft Mr Shan ein.
»Aber wenn es um mein Lebensziel geht - das, wofür ich brenne -, dann möchte ich irgendwann ein nachhaltiges Modelabel gründen.« Mein Herzschlag beschleunigt sich. Es auszusprechen macht mich immer ein wenig nervös, denn es bedeutet, jemandem meinen größten Wunsch anzuvertrauen und mich damit verletzlich zu machen.
»Das ist sehr ambitioniert von Ihnen.«
»Ich weiß«, erwidere ich und versuche, mich von diesen Worten nicht verunsichern zu lassen, obwohl eine Stimme in meinem Kopf fragt, ob ambitioniert nur eine freundliche Version von unerreichbar ist.
»Ich mag Leute, die hochgesteckte Ziele haben.« In Mr Shans Stimme liegt keinerlei Spott. »Ich war früher genau wie Sie. Voller Visionen und Tatendrang.«
Ich richte mich ein wenig auf. »Dann wissen Sie ja, wie es ist, groß zu träumen, egal, was andere davon halten.« Meine Mundwinkel zucken. Nur mit Mühe und Not schaffe ich es, mein Lächeln aufrechtzuerhalten. Es ist schwer, an seinen Visionen festzuhalten, wenn es Leute gibt, die einen deswegen immer nur müde belächelt haben. Mein Gedankenkarussell droht sich in Bewegung zu setzen. Hin zu dem einen Moment, in dem ich mich nicht für ein Modedesign-Studium beworben habe, weil es mir ausgeredet wurde. Hin zu den weiteren verhängnisvollen Entscheidungen, die ich für diese eine Person getroffen habe.
»Ich würde mich freuen, noch ein wenig mehr über Sie zu erfahren«, fährt Mr Shan fort und holt mich damit zurück ins Hier und Jetzt. »Wieso führen Sie mich nicht durch diese Fotoausstellung und erzählen mir ein wenig von Ihrem Engagement an der Lullaby University?«
»Sehr gerne.«
Gemeinsam gehen wir zur Bildergalerie. Fotos über Fotos reihen sich aneinander, perfekt ausgeleuchtet und festlich in Szene gesetzt, und doch spiegeln sie gerade einmal einen Bruchteil aller Forschungsgebiete und Stipendienprogramme der LBU wider. Es ist nur ein Versuch unseres Dekans Mr Peterson, mit den Unternehmern ins Gespräch zu kommen und unsere Arbeit vorzustellen.
Aus dem Augenwinkel entdecke ich meinen Mitbewohner Jasper mit zwei Frauen vor einem Foto des Forschungslabors. Auf seinen Lippen tanzt wie immer ein charmantes, beinahe freches Grinsen, das durch seinen eher lässigen Look betont wird. Seine blonden Haare, die er sonst meistens in einem Man Bun trägt, sind heute offen und mit ein wenig Gel nach hinten gekämmt. Das Hemd seines dunkelgrauen Anzugs ist ein paar Knöpfe weit geöffnet und lässt erahnen, dass Jaspers gesamter Oberkörper tätowiert ist. Die beiden Frauen hängen an seinen Lippen und kichern wie Schulmädchen, aber ich kenne es nicht anders. Jasper hat durch dieses einnehmende Lächeln, die coolen Sprüche und eine große Portion Intelligenz und Charisma immer diese Wirkung auf Frauen. Nicht ohne Grund ist er unser Rekordhalter in Sachen Spenden-Akquise. Das war er schon, als ich zum Red-Stipendienprogramm dazugestoßen bin. Jasper war zu dem Zeitpunkt selbst erst ein Jahr bei Red und hatte mit seinen Leistungen und seinem Charme trotzdem bereits alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
»Verzeihen Sie mir, wenn das jetzt forsch ist«, sagt Mr Shan, und ich löse meinen Blick von Jasper. Ich konzentriere mich wieder auf meinen Gesprächspartner und meine Aufgabe. »Sie haben das Studium, sind Stipendiatin bei Red, entwerfen Ihre eigene Mode und arbeiten - wenn ich das richtig gehört habe - auch noch als Tutorin? Das klingt sehr zeitaufwendig. Und Sie sind ja erst einundzwanzig, haben Sie gesagt? Wie schaffen Sie das alles?«
»Mit etwas zu wenig Schlaf«, erwidere ich mit einem Grinsen, obwohl sich mein Magen dabei zusammenkrampft. Weil es eigentlich nichts ist, worauf ich stolz bin. Dass ich die Nächte durchmache, kaum schlafe, einfach nur funktioniere, ist nicht gesund. Und doch bin das einfach ich, seit ich das erste Mal vor eineinhalb Jahren an die LBU gekommen bin. Also lächle ich weiter und lenke das Gespräch bewusst in Richtung der neusten Umweltforschungen.
Die Zeit vergeht, irgendwann wird es im Nebensaal voller. Immer mehr Menschen gesellen sich zu uns, sehen sich die Fotos an und stellen mir Fragen. Jemand vom Festkomitee verteilt weitere Champagner- und Saftflöten. Ich nehme ein Glas Orangensaft.
»Auf unsere wundervolle Gastgeberin«, wendet sich Mr Kennedy, Vorstand eines großen Umweltschutzzentrums in Washington, mir zu.
»Ich bitte Sie«, sage ich höflich und winke ab. »Mr Peterson hat diesen Abend doch ausgerichtet.«
Plötzlich legt jemand seinen Arm um mich. »Nur keine falsche Bescheidenheit, Lou. Als Leiterin des Festkomitees solltest du dieses Kompliment wirklich annehmen.«
Jasper. Er steht da, grinst mich und die anderen Unternehmer an und hat noch immer den rechten Arm um mich gelegt. Das macht er oft, mich einfach so umarmen. Es ist keine große Sache, und doch ist es alles, weil ich es liebe und hasse, wenn er das tut. Weil es mich jedes Mal, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, aus der Reserve lockt. Mit seiner Art kann mein Mitbewohner das wie kein anderer. Mich kurz aus der Fassung bringen.
»Im Festkomitee sind Sie also auch noch?«, fragt Mr Shan sichtlich beeindruckt. »Sie müssen so etwas wie Superwoman sein.«
»Die einzig wahre, wenn Sie mich fragen«, sagt Jasper gut gelaunt. Aus seiner Hosentasche blitzt bereits ein Scheck, den er wohl von einer der Frauen bekommen hat und gleich an Mr Peterson weiterreichen wird. Wieder einmal der Erste von uns, der Erfolg hat.
»Während ich morgens noch versuche, mir Kaffee einzuflößen und meinen Kopf in Gang zu bekommen, hat sie schon Cookies gebacken, ein neues Kleid entworfen, eine To-do-Liste erstellt und ihren Lernplan bearbeitet.«
»Es kann nicht jeder so ein Morgenmuffel sein wie du«, spiele ich das Spiel mit. Allein deswegen, weil es die Herrschaften um uns herum zu amüsieren scheint.
»Ich muss ihr recht geben«, erklärt er den umstehenden Gästen. »Ich bin morgens wirklich zu nichts zu gebrauchen. Wenn es irgendwie ginge, würde ich mir den Kaffee intravenös legen lassen.«
»Wenn ich mir deinen Kaffeekonsum so ansehe, besteht aktuell kaum ein Unterschied zum intravenösen Zugang. So oft, wie du innerhalb einer halben Stunde Nachschub brauchst, ist das reine Fließbandarbeit.«
»Erwischt«, lacht Jasper. Er versprüht dabei so viel Charme, dass er die anderen sofort mit diesem Lachen ansteckt. Wichtige Leute von sich überzeugen konnte er schon immer gut. »Wie Lou könnte ich nie sein. So viele Extraaufgaben, kreative Energie, Nachtschichten .«
»Aber langweilen wir die Herrschaften mal nicht länger damit«, werfe ich ein. »Ich denke, wir sollten mehr über die Uni reden und weniger über meine Gewohnheiten.«
»Wieso?«, fragt Mr Shan vergnügt. »Ich finde Sie immer faszinierender, Ms Simson.«
Jasper beugt sich zu mir herab. Es sind nur Sekunden. Sekunden, in denen er meinem Gesicht plötzlich sehr nah ist, auf seinen Lippen ein schelmisches Grinsen. »Ich auch«, flüstert er mir ins Ohr. Ich erwidere nichts, schlucke. Er zieht mich nur auf, meint das nicht so. Trotzdem lösen allein diese zwei Worte ein sanftes Flattern in meinem Magen aus. Nicht nur, weil es Jasper ist und Jasper irgendwie immer etwas auslöst. Sondern auch, weil ich nicht weiß, wie ich mit so viel Lob und Aufmerksamkeit...
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