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Marilyn Monroe, das Sexsymbol einer Generation, das Kind, das keiner wollte, die unterschätzte Schauspielerin, die ihre Regisseure in den Wahnsinn trieb - zwei Monate vor ihrem Tod feiert Marilyn ihren 36. Geburtstag in einem New Yorker Restaurant. Alle sind gekommen: Billy Wilder, ihr Lieblingsregisseur, Laurence Olivier, mit dem sie die schlimmsten beruflichen Erfahrungen machte, Lauren Bacall, ihre Ex-Ehemänner, ihre schizophrene Mutter und als Ehrengast hat sich sogar JFK angekündigt. Nur Marilyn ist wie immer zu spät. Während Drinks und Pastrami-Sandwiches serviert werden, lässt diese illustre Runde das tragische und unerklärliche Leben der Norma Jeane Baker alias Marilyn Monroe vor uns erstehen. Es führt aus dem Waisenhaus, über eine erzwungene Ehe bis hinauf zu den Sternen am Himmel Hollywoods. Marilyn ist der berühmteste und vielleicht unglücklichste Hollywood-Star aller Zeiten. Der letzte Geburtstag ihres Lebens wird zu einer unvergesslichen Nacht.
Sie war allein.
Das musste man doch einsehen, dass sie auch mal allein sein wollte. Aber ständig klingelte das Telefon. Marilyn ließ es klingeln, acht, zehn, fünfzehn Mal. Die Jungs gaben nicht auf, weil sie wussten, dass Marilyn zu Hause war. Sie hob ab und warf den Hörer auf die Gabel. Jetzt hatte sie ein paar Minuten Ruhe. So dreist war keiner, es gleich wieder zu versuchen. Zeit verging.
Die Zeit verging nicht, der Mensch verging. Hatte sie das gelesen oder war es ihr gerade eingefallen?
Marilyn trug ihr Pyjamaoberteil. In der weichen, samtigen Jacke lief sie gern zu Hause rum. Hätte sie jetzt jemand gesehen, wäre das Vorurteil wieder mal bestätigt gewesen: die Zurschaustellung! Alle glaubten, die Zurschaustellung sei ihr wahres Wesen. Vielleicht stimmte das sogar. Sie musste lachen: Ein blinder Freund wäre die ideale Lösung. Sie würde mit ihm reden und lachen, und das Marilyn-Ding bliebe draußen vor der Tür. Das Marilyn-Ding, der Fluch, ein Lustobjekt zu sein. Könnte man dem Fluch entgehen, ohne den Segen des Geliebtwerdens zu verlieren, das wäre eine perfekte Welt.
Das Telefon klingelte. Diesmal ging sie dran. »Ich habe dir gesagt: Ich bin in fünf Minuten fertig, also ruf mich nicht alle halbe Stunde an«, fauchte sie.
Ein Lachen am anderen Ende. Es hörte sich eher an wie das Quaken einer Ente. Nur ein Mensch auf Erden quakte beim Lachen wie eine Ente.
»Den Satz solltest du dir aufschreiben«, krächzte Billy Wilder ins Telefon. »Der wird mal berühmt.«
»Wie geht es dir, Billy?«, fragte sie ihren Lieblingsregisseur, der sie seinerseits seinen Alptraum nannte, manchmal auch die grässlichste Schauspielerin, mit der er je gearbeitet habe. Das war Billys Art, ihr seine Liebe zu zeigen.
»Mir geht es gut«, antwortete er. »Uns allen hier geht's gut, bis auf den Umstand, dass du nicht da bist.«
»Ich bin praktisch unterwegs.«
»Mit anderen Worten: Wir dürfen in etwa drei Stunden mit dir rechnen.«
»Das ist gemein, so etwas zu sagen.«
»Es ist die Wahrheit. Dein Rekord liegt bei fünf Stunden sechzehn Minuten.«
»Welcher Rekord?«
»So lange hast du mich mal warten lassen, bevor du zum Dreh erschienen bist.«
»Du übertreibst«, sagte sie und wusste, dass er recht hatte.
»Mir wäre es egal, aber Joe wird langsam sauer. Und wenn Mr DiMaggio sauer ist, fängt er an, andere Leute zu verprügeln. Ich möchte nicht in die Reichweite seiner Fäuste geraten.«
»Er hat mich auch verprügelt, wusstest du das?«
»Es war damals kaum zu übersehen.«
»Ehrlich? Ich hatte eine Sonnenbrille auf.«
»Eine dunkle Brille ist das deutlichste Zeichen, dass jemand verprügelt wurde. Als du an dem Morgen zum Dreh kamst, ist die Maskenbildnerin erschrocken. Dein Hals, deine Schultern, alles war gelb und grün.«
»Wenn Joe ein bisschen was getrunken hat, kann er sich so schlecht beherrschen.«
»Erzähl mir etwas Neues!«, lachte Billy. »Joe hat jede Nacht seit Erschaffung der Welt bisschen was getrunken.«
Sie hauchte einen Kuss ins Telefon. »Ich beeil' mich.« Und legte auf.
Sie setzte sich aufs Bett und überlegte, warum sie sich noch nicht anziehen wollte. Weil die Nacht, von der Billy gesprochen hatte, eine verdammt beschissene Nacht gewesen und eine beschissene Erinnerung geblieben war. Sollten Erinnerungen nicht Dinge nachzeichnen, die Vergangenheit waren? Warum gehorchten Erinnerungen diesem Prinzip nicht? Sie durchbrachen Raum und Zeit und breiteten sich in der Gegenwart aus. Damit wurden sie ewig, quälten einen für immer und immer war eine sehr lange Zeit.
Die Sache mit der Zeit beschäftigte Marilyn. Sie streckte sich auf dem Bett aus. Solange die Zeit ihr solche Rätsel aufgab, konnte sie sich unmöglich anziehen.
Mitten in der Nacht flog eine Uhr durch die Luft. Die Taschenuhr ihrer Mutter. Mama hatte ihr nie viel Zeit geschenkt, stattdessen diese billige Taschenuhr. Die Uhr verschwand. Die Nacht blieb. Die heiße New Yorker Sommernacht, in der Billy seinen Film gedreht hatte. Sommer in Manhattan.
Ein Ehemann saß allein in seiner Upper-Westside-Wohnung, während seine Frau mit dem Sohn in die Ferien fuhr. Der Mann blieb im stickigen, feuchten Manhattan zurück, um zu arbeiten. Seine Wohnung hatte eine Klimaanlage, die Wohnung darüber aber nicht. Das war der ganze Konflikt: Eine junge Frau im ersten Stock beneidete den einsamen Ehemann für seine klimatisierte Wohnung. Die einfachen Storys waren die erfolgreichsten. Und Billy war der erfolgreichste Regisseur von allen.
Solange sie den Film im Studio drehten, lief alles wie am Schnürchen. Marilyn riss sich zusammen und kam nur manchmal zu spät. Aber dann brach die Nacht an, als die Crew auf die Straße musste, in die Wildnis Manhattans, wo die Wölfe heulten. Die Wölfe lauerten immer auf Marilyn, aber selten so schlimm wie in dieser Nacht.
Im Sommer 1954 flammten die Jupiter-Scheinwerfer auf. Billy hatte zusätzlich Strom legen lassen, um das zu ermöglichen. Die Straße vor dem Kino war heller erleuchtet als der Times Square. Es war heiß. Die Jungs liefen in Unterhemden herum, manche in kurzen Hosen. Überall Männer, wohin man sah, nichts als Männer. Polizisten sperrten die gegenüberliegende Straßenseite ab, wo die Fans herüberguckten. Der Kameramann ließ den Dolly ausprobieren. Die Schienen mussten besser justiert werden.
Der Regieassistent winkte Mr Ewell zu, es könne gleich losgehen. Mr Ewell winkte gutmütig zurück, er hatte keine Eile. Ewell war Marilyns Filmpartner, netter Mann, ein guter Komiker, sonst nicht besonders aufregend. Er sollte auch nicht aufregend sein, denn er spielte den Durchschnittsehemann. Ewell saß auf dem Stuhl, der seinen Namen trug. Er konnte seelenruhig dasitzen, keiner kümmerte sich um ihn. Auf dem Stuhl daneben stand ein einziges Wort: Actress. Hätte man Marilyns Namen draufgeschrieben, wäre der Stuhl geklaut worden. Ihr Stuhl war leer. Sie konnte sich unmöglich dort hinsetzen, weil sonst der Irrsinn losgebrochen wäre, wie er immer losbrach, wenn sie sich öffentlich zeigte.
Marilyn wartete in einer schwarzen Limousine mit getönten Scheiben. Billy gab ihr keinen Wohnwagen, weil die Wölfe sonst gewittert hätten, wo sie sich umzog, auszog. Billy ließ sie in Kostüm und Maske in eine Limousine setzen, bis es so weit war. Der Maskenbildner tupfte an Marilyn herum.
Am Set wischte sich der Produzent des Films mit dem Taschentuch über die Stirn. Er vertrug die Hitze nicht, wollte bei dem Außendreh aber unbedingt dabei sein. Hinter ihm rollte der Kameraassistent das Maßband aus und stellte die Distanz von der Linse zum U-Bahn-Schacht fest. Der Kameramann justierte die Optik. Eine Frau am Straßenrand kaute Kaugummi. Eine einzige Frau unter all den Wölfen.
Der U-Bahn-Schacht war nicht echt. Er war mal echt gewesen, heute fuhr dort keine Subway mehr. Unter dem Gitter befand sich ein Hohlraum, gerade sechzig Inches hoch. Zwei Techniker buckelten da unten rum, damit es später so aussehen sollte, als ob die Subway durchbrauste.
»Siehst du sie?«, fragte der Mann am Ventilator.
Der Elektriker schielte nach oben. »Ich sehe nur die Sterne.« Er prüfte die Kontakte.
»Ich will wissen, ob sie schon da ist.«
»Irgendwo da oben muss sie sein«, schwärmte der Elektriker.
Plötzlich wurde es über ihnen strahlend hell. Alle Jupiter-Scheinwerfer wurden gleichzeitig gezündet.
»Jetzt muss sie da sein«, rief der Elektriker.
»Ich kann nichts sehen.« Der am Ventilator versuchte, ihn beiseitezuschieben.
Nicht nur die Scheinwerfer leuchteten, dachte Marilyn, während sie durch die getönte Scheibe nach draußen sah, auch die Männergesichter. Jedes Mal passierte das, wenn sie irgendwohin kam. Die Männergesichter begannen zu strahlen, wie Kinder, die den Weihnachtsbaum sahen. Ihre Augen wurden zu leuchtenden...
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