Schweitzer Fachinformationen
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Ich saß im mir wohlbekannten Büro von Oberleutnant Egon Gabloner im zweiten Stock der Bundespolizeidirektion Harland. An der einfallslosen ärarischen Ausstattung hatte sich nicht viel, eigentlich gar nichts geändert, nur das offizielle Bildnis des Innenministers, das an einer Wand in einem schmalen schwarzen Rahmen hing, war nach der letzten Nationalratswahl ein anderes (der alte Innenminister war verhaftet und vor Gericht gestellt worden und saß jetzt eine mehrjährige Haftstrafe ab - übrigens in einem Gefängnis, das er einst selbst eröffnet hatte). Neu war auch ein aufgeklappter Laptop auf dem Schreibtisch des Harlander Kriminaldirektors. Das Verhältnis zwischen Gabloner und mir konnte man vielleicht mit dem zwischen Luzifer und dem Erzengel Michael vergleichen, wobei ich kein Engel bin, aber Gabloner ganz sicher eine eher diabolische Persönlichkeit ist. Ich hatte in seinem Büro wiederholt deutlich mehr Blut als Wasser geschwitzt, aber im Vergleich mit Schleichers Folterkeller kam es mir jetzt geradezu wie eine Wellnessoase vor.
Natürlich ließ mich Gabloner, verbissen in seinen Computer stierend, zunächst einmal zwei, drei Minuten blöd vor seinem Schreibtisch herumstehen, bevor er mich offiziell zur Kenntnis nahm, und bot mir auch danach keine Sitzgelegenheit an, aber immerhin hatte er mich nicht in Handschellen vorführen lassen. Trotzdem, das wusste ich, kam es jetzt einzig und allein darauf an, konsequent drauflos zu lügen. Die Wahrheit, selbst das kleinste Fuzelchen davon, hätte den Untergang für mich bedeuten können.
»Das ist ja ein schöner Pallawatsch, in den Sie sich da hineingeritten haben, Miert«, meinte Oberleutnant Egon Gabloner böse lächelnd. »Aus dem Stegreif fallen mir zig Paragraphen aus dem Strafrecht ein, die ich Ihnen anhängen könnte.«
»Ich bin das Opfer. Schon vergessen?«, hielt ich dagegen.
»Erzählen Sie mir keinen solchen Scheiß, sonst vergesse ich mich!«, schrie Gabloner mich an. Ohne jede Vorwarnung mit voller Lautstärke loszubrüllen, das war eine seiner Stärken in Verhören. Er spielte keineswegs den bösen Bullen - er war ein böser Bulle. Ich wusste, dass seine Drohungen unbedingt ernstzunehmen waren und hielt einstweilen lieber den Mund.
»Vor allem würde mich brennend interessieren, wer dem armen Schleicher den Knöchel und den halben Unterschenkel zerschossen hat!«
Der arme Schleicher, dachte ich, dass ich nicht lache!
»Mich auch«, antwortete ich.
»Sie verscheißern mich am laufenden Band«, fauchte Gabloner gereizt.
»Das würde ich mir nie erlauben, Herr Kriminaldirektor«, antwortete ich und erzählte Gabloner dann die mehr als unwahrscheinliche Geschichte von einem mir natürlich völlig unbekannten, schwarzgekleideten Maskenmann, vermummt von der Zehen- bis zur Nasenspitze, ausgerüstet mit einer riesigen Schrotflinte, der plötzlich und unvermutet im Folterkeller aufgetaucht war und wild um sich zu schießen begonnen hatte. Dass der Kriminaldirektor daraufhin nicht konterte, bestärkte mich in der Ansicht, dass Schleicher kein Wort über Salma Hayek verloren hatte. Wahrscheinlich hielt der erfahrene Kriminelle ganz und gar die Goschen, um sich nicht noch mehr hineinzureiten. Sagst du ja, bleibst du da, sagst du nein, gehst du heim. Oder, was eigentlich eher noch wahrscheinlicher war, Schleicher war auf der Intensivstation des Harlander Krankenhauses in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt worden, was jedes Verhör mit ihm obsolet machte. Auf jeden Fall wusste Gabloner offenbar nicht das Geringste. Ein glücklicher Umstand, dachte ich erleichtert, ein mehr als glücklicher Umstand.
»Ich bin ja ehrlich gesagt nicht einmal unfroh darüber, wenn einer wie dieser Schleicher blutet«, dachte der Oberleutnant laut nach, »aber ich kann es nun mal nicht vertragen, wenn in meinem Bezirk herumgeballert wird wie im Wilden Westen.«
»Ich finde das auch schrecklich«, pflichtete ich ihm bei.
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mich hemmungslos belügen.«
Darauf erwiderte ich nichts, um den Gabloner nicht noch mehr zu reizen. Er war ohnehin schon sehr schlechter Laune.
»Sie haben gegenüber den ersten Einsatzkräften von einem - ich zitiere - goldenen Colt gesprochen«, meinte Gabloner lauernd.
»James Bond«, antwortete ich, »der Mann mit dem goldenen Colt.«
»Ha?«
»Durch diesen Taser sind schon eine Menge Leute gestorben. Auch wenn ich nicht dabei draufgegangen bin, hat mir das Ding ganz schön das Hirn vernebelt. Mein EEG gerade im Krankenhaus hat wie eine Zeichnung von Picasso ausgesehen. Schließlich habe ich ja so etwas wie einen epileptischen Anfall gehabt, dabei habe ich wohl von Goldfinger oder einem Mann mit einem goldenen Colt phantasiert. Ich war nicht mehr zurechnungsfähig, einfach nicht mehr zurechnungsfähig«, fabulierte ich. »Das wird Ihnen übrigens auch die behandelnde Ärztin vom LKH Harland bestätigen können«, setzte ich noch einen drauf.
»Aha, so wollen Sie das also drehen«, überlegte Gabloner laut.
»Also, im Ernst, Herr Kriminaldirektor«, sagte ich, »haben Sie schon einmal einen Kriminellen mit einem goldenen Colt erlebt? Hier in Harland? Ernsthaft?«
»Mhm«, brummte Gabloner.
Ich wunderte mich, dass er nicht schon längst eine Flasche aus seinem Schreibtisch geholt und sich einen genehmigt hatte. Hoffentlich war der Mann nicht auf Entzug - dann war ich verloren, so übel gelaunt, wie ich ihn nüchtern schon erlebt hatte.
»Wie sind Sie überhaupt mit diesem Schleicher aneinandergeraten?«
Das Verhör, dachte ich, ist längst noch nicht zu Ende.
»Keine Ahnung«, antwortete ich ruhig, »Die Auswirkungen des Tasers, Sie wissen schon. Ich leide unter Erinnerungslücken.«
»Leiden ist gut«, fauchte Gabloner, »Sie machen sich dieses angebliche Leiden zunutze!«
»Leiden ist nie gut«, konterte ich. »Seit dem Folterkeller weiß ich das besser denn je.«
»Werden Sie Anzeige gegen diesen Schleicher erstatten?«, fragte Gabloner.
»Nein«, entgegnete ich. »Ich denke nicht daran.«
Meine Lebenszeit, fand ich, war zu kurz, um sie vor Gericht zu verschwenden. Außerdem hatte ich keinerlei Ambition, die ganzen Vorgänge um den Fall Isidor Novy in einem Gerichtsverfahren aufrollen zu lassen. Dass Schleicher höchstwahrscheinlich der rechte Vorderfuß, wenn nicht sogar der Unterschenkel bis zum Knie amputiert werden musste, war meines Erachtens Strafe genug, auch wenn ich ihm insgeheim vielleicht sogar den Tod wünschte. Außerdem musste ich unbedingt Salma Hayek schützen. Staatsanwälte fragten viel zu viel. Vor Gericht war alles höchst ungewiss, man war in Gottes Hand. Auch mein derzeitiger Opferstatus würde vor einem Richter nicht unbedingt ewig halten. Ein paar Paragraphen - und schon war das Schwarze weiß und das Weiße schwarz.
»Das brauchen Sie auch nicht. Wenn jemandem der halbe Unterschenkel weggeschossen wird, ist das ein Offizialdelikt, das die Staatsanwaltschaft von Amtswegen zu verfolgen hat«, sagte Gabloner mit der ganzen unsauberen Logik seines alkoholkranken Gehirns, das jetzt allerdings, wie ich befürchtete, gefährlich nüchtern war. »Ihre ganze Geschichte, Miert, ist meines Erachtens irgendwie nicht echt. Wie eine Kopie von einer Raubkopie«, fügte er gereizt hinzu.
»Auch ein hervorragender Kriminalist wie Sie«, replizierte ich, »kann sich einmal irren.«
»Da werde ich Sie wohl laufen lassen müssen, Miert«, brummte Gabloner unwillig.
Ich wusste, dass er jetzt nur mehr daran dachte, wie er die ganze Chose am besten der Lokalpresse verkaufen konnte. Kriminaldirektor Egon Gabloner rettet einen stadtbekannten Privatdetektiv aus dem Folterkeller. Weitere Enthüllungen nach abgeschlossenen Untersuchungen des Horrorverlieses höchst wahrscheinlich.
»Dafür haben Sie Schleicher und den Folterkeller«, sagte ich.
»Okay, also warten Sie...
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