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Es klopfte an der Tür. Alex schrak hoch und warf fast den Laptop vom Tisch, über dem er eingeschlafen war. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er wusste, wo er war. Er wollte schon zur Eingangstür, aber das Klopfen, das in ihm nachhallte, war nicht von dort gekommen, eher von der anderen Seite des großen Raumes. Er drehte sich um. In dem Moment steckte Lara den Kopf durch den Spalt ihrer Schlafzimmertür. Sie hatte tatsächlich angeklopft, bevor sie ihr eigenes Wohnzimmer betrat. Wie rücksichtsvoll.
»Guten Morgen«, sagte sie. »Ist schon sieben.«
Schon sieben, dachte Alex, sieben allein war schlimm genug, ein Schon passte da überhaupt nicht dazu. Das hatte so etwas Drängendes, als würde man etwas versäumen, wenn man nicht spurte. Aber um sieben in der Früh gab es für Alex nicht viel, wozu es zu spät sein könnte, und noch weniger, wofür es sich zu spuren lohnte. Auch dann nicht, wenn man die beste Story seit Jahren recherchieren sollte und eine der Hauptpersonen gerade aus dem Schlafzimmer kam. »Sieben am Sonntag«, murmelte Alex in sich hinein.
»Was?«, fragte Lara eher geistesabwesend. Sie war blass.
»Egal«, sagte er und fuhr sich durch seine Wuschelfrisur.
Sie tapste zur Küche. »Kaffee?«
»Ja, bitte, Espresso, einen sechsfachen.«
Alex sieht aus, als hätte er überhaupt nicht geschlafen, dachte Lara, die sich ihrerseits bewegte, als wäre sie noch nicht munter. Was für ein Duo sie beide doch waren! Sie schaltete die Kaffeemaschine ein. »So wie du ausschaust, kriegst du einen zwölffachen.«
»Schönen Dank auch«, sagte er.
Sie nickte und begann, Brote zu machen. Butter, Schinken, Käse. Es duftete nach Morgen.
Sie stellte zwei Teller mit dem Frühstück auf den Tisch. Die belegten Brote sahen appetitlich aus.
»Ich habe leider schlechte Nachrichten«, sagte er.
Sie setzte sich zu ihm.
»Evelyn hats nicht geschafft. Sie ist in der Nacht gestorben.« Er wartete auf eine Reaktion von ihr. Es kam nichts.
»Die Ärzte haben alles versucht. Die Verbrennungen waren zu . zu stark oder tief . oder wie man das nennt.«
Lara schaute ihn an, aber eigentlich mehr durch ihn durch. Irgendwie hatte sie in der Nacht geträumt, dass das passieren würde. Sie hatte Evelyn im Operationssaal gesehen, Ärzte und Krankenschwestern um sie herum, das grelle Licht im OP, in dem alle Gesichter wirken, als wären sie aus weißem Wachs. Nur Evelyn hatte gar kein Gesicht mehr gehabt, an dessen Stelle war eine schwarze Fratze getreten.
Lara schwieg. Sie verzog keine Miene, blinzelte nicht einmal. Alex war nicht sicher, ob sie ihn verstanden hatte. Sie stand auf, nahm ihren unberührten Teller und trug ihn in die Küche. Vielleicht hatte sie ihn gar nicht gehört. Sie nahm die Butter, die noch auf der Arbeitsfläche stand und legte sie ins Backrohr. Alex kam ihr nach, holte die Butter wieder aus dem Ofen und legte sie in den Kühlschrank. Er nahm sie an den Schultern und lenkte sie wieder an den Tisch. Folgsam setzte sie sich.
»Lara«, begann Alex und hockte sich vor sie hin, »ich muss dir noch was sagen.« Er war sicher, dass das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, aber besser, sie erfuhr es von ihm, als dass es in der Zeitung zu lesen war. Namentlich in seiner. »Lara?«
Sie hob den Blick vom Boden, sah aber weiterhin durch ihn hindurch.
»Wir müssen reden«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte sie. Auf einmal war sie wieder völlig da. Ihre Stimme war fest, ihr Blick klar, als sie ihm direkt in die Augen sah. »Und ja.«
»Was ja?«
»Ich gebe dir dein Interview.«
Alex lachte leise. »Das habe ich erst am Schluss ansprechen wollen. Aber da ist noch etwas.« Er legte seine Hand auf die ihre. »Evelyns Tod war .« Er überlegte, wie er es ihr schonend beibringen konnte. ». er war geplant.«
»Du meinst .«
»Ja.«
». jemand hat sie umgebracht?«
»Oh.« Das war alles, was sie dazu sagte. Kein Entsetzen, keine Tränen. Nur »oh«.
»Ich weiß es von meinen Kontakten, sie haben es mir heute Nacht geschrieben. Ich nehme an, offiziell geben sie es bei der Pressekonferenz bekannt, die ist um elf. Deshalb muss ich jetzt auch gehen.«
»Es ist aber doch erst acht, du hast noch drei Stunden Zeit.«
Alex sah an sich hinunter und fuhr sich übers Kinn. »Ich würde gern vorher noch heim, du weißt schon, duschen, umziehen, rasieren.«
»Rasieren«, sagte sie und strich ihm ebenfalls übers Kinn. Es war eine Berührung wie von einem Flügel aus Samt. Einen Augenblick lang hielten beide inne. Lara fing sich als Erste. »Viel gibts da aber nicht zu stutzen.« Sie schmunzelte.
Alex war erleichtert. Er hatte ein bisschen befürchtet, dass sie ihm vorschlagen würde, bei ihr zu duschen. Unter normalen Umständen hätte er das auch längst gemacht, nach einer gemeinsamen Nacht, um sich die Anrüchigkeit von wildem Sex abzuwaschen. Aber so normal waren die Umstände nicht. Sie schien sehr sprunghaft in ihren Gemütszuständen, mit so etwas kannte er sich nicht aus. Seine bisherigen Freundinnen, wenn man sie denn so nennen wollte, waren diesbezüglich eindimensionaler gewesen. Da hatte er nicht groß überlegen müssen, wie sie gerade drauf waren. Wenn er lustig war, lachten sie, wenn er niedergeschlagen war, leckten sie ihm die Wunden, wenn er etwas verbockt hatte, schrien sie ihn an. Eine Zeitlang war das ein schönes Leben, Männer sind die längste Zeit ganz zufrieden mit diesem Spektrum. Aber letztlich wurde es irgendwann doch langweilig und er suchte sich das nächste unkomplizierte Verhältnis. Mit Lara war das anders. In den paar Stunden, die er sie jetzt kannte, hatte sie ihn öfter überrascht als andere in ein paar Monaten. Und trotzdem war es ihm, als kenne er sie schon lange. »Ich kann dich also allein lassen?«, fragte er und richtete sich aus seiner Hockstellung auf.
»Geh nur«, sagte Lara, die tatsächlich kurz überlegt hatte, ob sie ihm vorschlagen sollte, bei ihr zu duschen. Es war alles so seltsam vertraut zwischen ihnen. »Ich komm schon zurecht.« Sie nahm den Teller mit seinem Brot und hob ihn hoch. »Willst du das noch?«
Plötzlich bemerkte Alex, was für einen Hunger er hatte. Er schnappte sich das Brot, es war mit zwei Bissen weg. Seltsam, wie vertraut alles zwischen uns ist, dachte er.
Als er mit seinem Laptop in der Umhängetasche die paar Minuten von Laras Wohnung zum Sendegebäude von AustriaOne ging, war sein Schritt beschwingt. Fast genierte er sich dafür. Eigentlich ging es ja um eine Frau, die gestern vor den Augen der Nation abgebrannt war und er war so gut aufgelegt wie schon lange nicht mehr. Verrannte er sich da in was? Und wenn, dachte er. Dann würde es zumindest ein gutes Interview werden, das er noch dazu exklusiv hatte. Er hatte mit Lara vereinbart, dass er die Story einmal so herunterschreiben würde, wie er es sich dachte. Sie konnte immer noch ändern, was ihr nicht passte, oder ergänzen, was ihr noch fehlte. Fragen hatte er ihr zwar keine gestellt heute Nacht, aber sie hatten viel geredet. Sie hatte nur die Schultern gezuckt und gemeint, er kenne ihre Antworten.
Alex bog um die Ecke in die Straße, in der der Haupteingang des Senders lag. Geh bitte, dachte er, als er die Meute sah, die davor lagerte. Dass Journalisten hier lauerten, um irgendwen abzufangen, war verständlich. Von der Chefetage würde ihnen keiner vor die Mikros laufen, aber oft genug sprudelten die besten Geschichten aus völlig unerwarteten Quellen. Von irgendwem, der hinter den Kulissen beschäftigt war oder beim Catering arbeitete. Was aber all die Schaulustigen hier suchten, war Alex nicht klar. Es sah aus, als wären sie busweise gekommen, aber das täuschte, ihre Wagen verparkten die gesamte Gegend. Viele standen unverfroren in zweiter Spur, sie hatten ihre Autos regelrecht abgeworfen. Sogar sein Golf, der hundert Meter die Straße hinunter stand, war von zwei Vans zugeparkt. Bis er die Fahrer ausfindig gemacht hätte, wäre er zu Fuß in der Redaktion. Der Jetzt-Verlag hatte eine äußerst zentrale Adresse, in der Innenstadt, fast am Kai, in dem Haus, in dem jahrzehntelang das Nachrichtenmagazin profil und das Wirtschaftsblatt trend untergebracht waren. Jetzt gehörten die Räume dem Jetzt.
Alex entschied sich schnell. Er würde den Wagen stehen lassen und den Bus nehmen, die Haltestelle befand sich fast direkt vor dem AustriaOne-Eingang. Vielleicht war das ohnehin ein Wink vom - er zögerte kurz, bevor er ans Schicksal dachte. Er war kein allzu romantischer Typ und das Schicksal erschien ihm nun wirklich...
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