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Mittwoch, 1. Februar
Neuanfänge
Welch sonderbare Glaubenssätze habe ich gestern produziert? War da was im Kaffee?
Bin sehr früh aufgestanden, denn heute beginnt ein neuer Monat und ich beginne mit der Realisierung meines neuen Projekts: Umschreibung des Skripts nach den Wünschen des Verlags. Aber erst einmal etwas mehr Kaffee (stelle nach inzwischen zwei geleerten Tassen weder Sonderbares am Kaffee noch an meinem Denken fest) und noch etwas Selbstreflexion.
Ich mag Neuanfänge; neue Tage, neue Wochen, neue Monate, neue Jahre. Ich mag neue Kleider, neue Schuhe, neue Handtaschen . Lassen wir das; das klingt nun doch sehr oberflächlich .
Neue Menschen kennenzulernen bereitet mir allerdings größere Schwierigkeiten. Eigentlich ist es so, dass sich für mich jeglicher menschliche Kontakt mit Unbekannten höchst diffizil gestaltet. Lesungen vor Publikum, Interviews mit Journalisten und die Anwesenheit auf Buchmessen fallen in die Kategorie: Ich will nicht sein, wo ich bin. Und: Ich will nicht sein, wer ich bin. Man könnte sagen, ich habe kein offenes Verhältnis zur Öffentlichkeit.
Einmal wurde ich von einem Radiosender eingeladen. Eine nette Moderatorin stellte mir nette Fragen und ich saß wie eine Erstklässlerin unbequem auf einer bequemen blauen Couch. Meine Eloquenz hatte ich bereits beim Betreten des Studios verloren, aber dass ich nun - damals tatsächlich mit meinem Buch auf einer Bestsellerliste - keinen vollständigen Satz ohne »äh«, »mmm«, »ähäm« und »im Prinzip« herausbrachte, war ein gar trauriges Hörspiel. Über die Fernsehinterviews möchte ich erst gar nicht sprechen, und ich möchte auch nicht daran erinnert werden!
Im Prinzip - kleiner Joke - genügt mir meine Familie. Mein geliebter Mann Jens, unsere vor wenigen Tagen zehn Jahre alt gewordenen eineiigen Zwillinge Tim und Tom (teilzeitgeliebt) und unsere bereits etwas in die Jahre gekommene, höchst eigenwillige weiße Perserkatze Happy (teilzeitgeliebt).
Happy (von Mann und Kindern eher nur geduldet) residiert in unserem Haushalt wie eine alte Diva. Nicht selten katapultieren sie ihre Gemütskapriolen in Sekundenschnelle vom Schmusekätzchen zur Raubkatze. Das endet dann für uns schon einmal mit blutigen Kratzern oder tiefen Abdrücken ihrer Fangzähne auf unseren Handrücken. Kinder betrachtet Happy als Lebewesen, die die Welt nicht braucht.
Tim und Tom sind aber der Ansicht, dass Kinder durchaus ein Tier brauchen. Das brachte Jens und mich letztes Jahr im Frühsommer zu langwierigen Überlegungen, welches weitere Haustier für uns überhaupt infrage käme, da Happy natürlich keine anderen Götter neben sich duldet. Wir entschieden uns, die unerfüllte Tierliebe der Zwillinge mit zwei flauschigen schwarzen Hasen zu stillen.
Jens baute für die Langohren in wochenlanger Heimarbeit an seiner Werkbank im Keller (mein Mann ist gern im Keller, wenn er zu Hause ist; zu viel Unruhe in den oberen Räumen) ein herrschaftliches Landhaus mit vier! Zimmern, zwei separaten Eingängen und vielen runden Türmchen auf dem Dach.
Unser vierbeiniger Landadel verfügt natürlich auch über ein angemessenes Stück Land, in dem bei noch sommerlichen Temperaturen die Hasen lustig herumhoppelten und die Zwillinge ausgelassen herumsprangen. Dann kam ein nebliger, nasser Herbst. Die Besuche bei den schwarzen Vierbeinern wurden weniger. Jetzt ist es Winter. Die Hasen verlassen ihr (inzwischen) mit Zeitungspapier verkleidetes und mit Stroh ausgepolstertes Domizil nicht mehr. Parallel verlassen auch die Zwillinge ihre Zimmer nicht mehr, um sich um die Hasen zu kümmern. Ich hoffe, es handelt sich nur um eine saisonale Unlust; es ist im Moment wirklich verdammt kalt da draußen.
Sunny, unser kanadisches Au-pair, hat kein Problem mit der Kälte, weshalb die winterliche Hasenfürsorge nun in ihren Aufgabenbereich übergegangen ist. Sunny ist, wie ihr Name bereits aussagt, ein Sonnenschein. Fröhlich, zuversichtlich und hilfsbereit. Leider viel zu jung, viel zu hübsch und viel zu schlank. Wie all die Sunnys vor ihr.
Seit ich als Autorin einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht habe, gehört auch meine Mutter zu meiner Familie. Ex-Fotomodell. Es gibt kein Gespräch, in dem sie vergessen würde, das zu erwähnen. Optisch könnten wir gleich alt sein; sie ohne Falten und Mimik; ich mit Falten und Mimik. Meine Mutter wurde mit siebzehn Jahren schwanger, wusste nicht, wer der Vater ihres Kindes sein könnte, und parkte mich gleich nach meiner Geburt bei ihren Eltern. Das endete dann für mich als Dauerparkplatz. Dafür danke ich ihr. Ansonsten gibt es nichts zu danken. Jedenfalls nicht von meiner Seite.
Tatsächlich ist es meiner Mutter gelungen, sich bis auf drei Besuche im Jahr (jeweils mit neuen Vätern für mich) und die obligatorische Reise auf die Kanaren in den Pfingstferien (ebenfalls mit neuen Vätern, denen sie deutlich mehr Interesse entgegenbrachte als mir) komplett aus meinem Leben herauszuhalten.
Mutters Fokus lag und liegt ausschließlich auf ihrer Optik und auf Bekanntschaften mit Männern, die sie manipulieren kann. Ihre Enkelkinder behandelt sie, als hätten diese eine ansteckende Krankheit. Tim und Tom dürfen sie nicht mit »Oma« anreden, was meines Erachtens extrem albern von ihr ist. Meine Mutter heißt Klothilde! Dem ist nichts hinzuzufügen. Wenn Klothilde (sie nennt sich Cloé) ihre Enkelkinder, die sie natürlich heimlich »Oma Klo« nennen, zur Begrüßung flüchtig umarmt, hat man das Gefühl, dass sie lieber einen Schutzanzug tragen würde. Meinen Mann umarmt sie deutlich liebevoller. Ohne Schutzanzug.
Ich mag Zahlen. Jedenfalls, wenn man mich jünger als fünfundfünfzig schätzt und meinen Mann, der sieben Jahre jünger als ich ist, älter schätzt (ist noch nicht passiert). Ich mag Zahlen auf meiner Waage, wenn sie sich in der Abwärtstendenz befinden. Passiert auch relativ selten.
Könnte sein, dass es sich bei meinem Verhältnis zu Zahlen um ein eher selektives handelt. Ich verwechsle auch gerne Plus und Minus. Das ist auf Kontoauszügen erst einmal beruhigend, langfristig dann aber doch problematisch.
Obwohl ich Regeln und klare Strukturen in meinem Alltag präferiere (Tessa sagt, dass sich mein Eigenbild sehr vom Bild, das andere über mich haben, unterscheidet), stellt sich mein Terminkalender oftmals als verwirrendes Strickmuster dar (denke, ein Strickmuster könnte so aussehen, hatte noch mit keinem zu tun). Ich vergesse Geburtstage. Auch meinen eigenen, was aber auch nicht hilft, um mich jünger zu machen. Ich würde jeden Hochzeitstag verpassen, wenn mein Mann nicht bereits früh morgens mit einem riesigen Strauß roter Rosen vor mir stehen und mir sagen würde, dass er mich mit jedem Jahr, das er mit mir verbringen durfte, mehr liebt.
Na ja, in der Summe haben wir nicht so viele Jahre miteinander verbracht, denn Jens ist beruflich viel unterwegs. Sehr viel. Meine Mutter nennt ihn deshalb mit einem süffisanten Grinsen - soweit ein Grinsen in ihrem Botoxgesicht möglich ist - »Mrs Columbo« (womit sie sagen will, wozu ich einen Mann habe, wenn der nie anwesend ist) und Tessa spricht über »das Phantom« (womit sie sagen will, dass es besser ist, einen unsichtbaren Mann zu haben als gar keinen).
Manchmal übersehe ich Termine mit meinem Agenten Thomas (macht ihn sehr wütend) und Termine meiner Lesungen, was wiederum Thomas wütend macht, da er den Ärger mit den Inhabern der gebuchten Lokalitäten bekommt. Ich kann das nicht ändern; soll er mich doch am Tag davor anrufen und zwei Stunden vor Beginn des Termins nochmal, dann würde das vielleicht auch klappen. Er ist doch der Agent!
Bei der Zählung meiner Handtaschen unterläuft mir nie ein Fehler. Deren Anzahl kenne ich sehr genau. Egal, wie oft sich diese verändert (stetig ansteigend). Meine Handtaschen habe ich farblich, nach Stil und Materialien auf unterschiedlichen Etagen in einem Glasregal im Schlafzimmer angeordnet (um sie gleich nach dem Aufwachen sehen zu können, sagt mein Mann; das stimmt nicht!). Von meiner Freundin Tessa wurde ich einmal gefragt, ob mir meine Handtaschen oder meine Familie wichtiger wären? Was für eine Frage. Ich liebe Handtaschen!
Wenn ich jetzt so explizit über mich nachdenke, mag es tatsächlich sein, dass ich nicht ganz so strukturiert bin, wie ich es gerne wäre; dass es mir sogar gelingt, Abläufe, die bereits eine Struktur haben, umzustrukturieren und diese in einem fast heillosen Chaos enden zu lassen. Dieses Chaos findet sich auch in meinen Romanen. Es erschreckt mich sehr, wenn die Handlungsstränge meiner Geschichte selbst für mich undurchsichtig werden. Und es kostet mich viel Zeit, diese Knoten wieder zu lösen, wobei es passieren kann, dass dabei die Geschichte eine ganz andere wird.
Apropos Schreiben und Organisation: Irgendwie hat sich soeben die Realisierung meines Projekts auf morgen oder besser noch auf nächsten Montag verschoben. Wenn Neubeginn, dann schon richtig!
Übrigens, Tessas Frage bezüglich meiner Handtaschen und meiner Familie finde ich ziemlich bescheuert. Da sprach wohl etwas Missgunst aus ihr. Sie...
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