Schweitzer Fachinformationen
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Auf dem Flur des Rauschgiftdezernats brennt noch immer Licht in den einander gegenüberliegenden Büros von Tim Dombrowski und Ali Bernbuch. Im dunklen Nachbarbüro hat Dombrowski ein Feldbett aufgebaut, damit Claire sich ein wenig ausruhen kann, während er den Bericht über die Ereignisse des Abends schreibt. Ehe er sich an den Computer setzt, will er Ali aber berichten, was er bei Fred erreichen konnte.
Er setzt sich mit einem Becher Kakao auf den Stuhl, der am Kopf der beiden Schreibtische steht, und wartet, bis er Alis Aufmerksamkeit hat. Der sitzt mit angespannter Miene am Computer und sucht nach Antworten auf offene Fragen.
Dombrowski klimpert zunehmend lauter mit dem Metalllöffel im hellen Porzellanbecher und trinkt einen ersten Schluck.
»Verdammt!«, schimpft Ali plötzlich.
Dombrowski blickt interessiert auf, gespannt, was den spontanen Ausruf erklären könnte, doch Ali hüllt sich wieder in nachdenkliches Schweigen, den Zeigefinger nachdenklich auf dem Schnauzbart abgelegt, und scheint etwas zu lesen.
»Lässt du mich irgendwann an deinen Gedanken teilhaben, oder soll ich dich in Ruhe lassen?«, fragt Dombrowski mit süffisantem Unterton.
Erschrocken blickt ihn Ali an und holt tief Luft, ehe er antwortet: »Ach, der Lieferwagen ist letztens von einer Streifenwagenbesatzung angehalten worden. Das war in Harburg. Der Fahrer fuhr zunächst über eine durchgezogene Linie und dann auffallend langsam, also haben sie ihn rausgezogen. Das Ärgerliche dabei ist, dass sie die Kontrolle nicht zu Ende führen konnten, weil sie zu einer Schlägerei im Phönixviertel gerufen wurden. Nicht einmal die Personalien vom Fahrer konnten mehr erfasst werden und auch der Ort, wo er über die durchgezogene Linie gefahren ist, steht hier nicht.«
»Immerhin haben die Kollegen den Bericht geschrieben. Besser als nichts. Vielleicht können sie den Fahrer ja noch beschreiben oder den Ort benennen.« Dombrowski zuckt mit den Schultern und trinkt einen weiteren Schluck Kakao.
»Mmh. Hast recht. Guter Hinweis.« Alis Gesichtszüge entspannen sich ein wenig, doch noch immer schaut er unzufrieden drein.
»Vielleicht hebt es deine Stimmung, zu hören, dass Pascho gleich für dich vor der vermeintlichen Plantage Videotechnik aufbaut. Fred hat zugesichert, dass sie mit der Observation vor Ort beginnen, sobald der Transporter dort auftaucht. Ich habe gesagt, dass sie sich bei dir melden sollen, sobald etwas passiert. Du kannst mich natürlich auch gerne mit einbinden.«
»Nee, nee, nee. Das schaffe ich schon allein. Kümmer du dich mal morgen um deine Claire. Montag sehen wir dann weiter.«
»Okay. Aber wenn etwas ist, meldest du dich bei mir«, entgegnet Dombrowski, wartet auf ein zustimmendes Nicken von Ali und kehrt an seinen eigenen Arbeitsplatz zurück.
»Ich hau dann jetzt ab«, informiert ihn Ali wenig später. »Mach nicht mehr so lange, Dumbo. Wir hören uns. Ich halte dich auf dem Laufenden.« Er klopft im Weitergehen mit der Hand zweimal gegen den Türrahmen. Seine dumpf durch den dunklen Flur hallenden Schritte werden untermalt von einem sanften Schnarchen aus Dombrowskis Nachbarbüro.
Über die Gärtnerstraße rauscht ein elfenbeinfarbenes Taxi mit Gerd auf dem Rücksitz in Richtung Eppendorf. Die Straßen sind inzwischen leer. Hamburg ist zur Ruhe gekommen. Die freien Straßen verleiten zum Rasen, doch die überall versteckt aufgestellten Blitzersäulen und aschgrauen Blitzeranhänger halten die meisten Fahrer davon ab, das Gaspedal durchzudrücken.
Das entspannte Fahren lädt Gerd dazu ein, bei Dombrowski anzurufen, um ihn über die neuesten Erkenntnisse zu informieren.
Ein dumpfes Freizeichen ertönt aus dem Handy.
»Na, mein Lieber? Wie war es in Altona?«, wird Gerd sogleich von einer neugierigen Frage von Dombrowski torpediert.
»Seid ihr beiden Schmuckstücke schon in der Koje? Störe ich vielleicht?«
»Du störst doch nie. Ich sitze im Büro und schreibe den Bericht über unsere heutigen Erlebnisse. Claire zersägt so lange das Büro von Scotty«, antwortet Dombrowski und beginnt unterdrückt zu kichern. »Aber jetzt spann mich nicht weiter auf die Folter. Was hast du von dem Russen erfahren? Wenn du mitten in der Nacht noch mal anrufst, muss etwas dabei rumgekommen sein, das du mir unbedingt auf die Nase binden willst.«
»Nun gut. Gegenüber einem Quasigeistlichen der Hafenmission war der gute Mann doch ein wenig gesprächiger.« Gerd grinst zufrieden und blickt kurz zum Taxifahrer, dessen Haare mit einem roten Turban eingewickelt sind. Er blickt desinteressiert und beinahe schlaftrunken auf die Fahrbahn. Dennoch spricht Gerd fast flüsternd weiter. »Aber mir kam auch zugute, dass er wohl erst im Krankenbett begriffen hat, dass er bis auf Weiteres an die Matratze gefesselt sein wird.«
Das Taxi kommt neben Gerds eierschalenfarbenem Wohnmobil zum Stehen. Der Taxifahrer drückt auf den Knopf am Zähler, dreht sich zu Gerd um und sagt: »Dasch mach funfunddreijzik achzik, bitte.« Er zeigt seine strahlend weißen Zähne, die aus einem dunklen Vollbart hervorstrahlen.
»Wat? Wie viel? Früher bin ich für zehn Mark vom Kiez nach Hause gekommen. Mann, Mann, Mann. Hier, stimmt so!«, wütet Gerd, drückt dem Fahrer zwei Zwanzig-Euro-Scheine in die Hand und steigt aus.
Nachdem das Taxi weitergefahren ist und Gerd sich in der kühlen Nachtluft gedanklich gesammelt hat, widmet er sich wieder dem geduldig wartenden Dombrowski.
»Also, wo waren wir? Ach ja. Er möchte, dass ich einen Jurij Wolf kontaktiere, damit dieser sich bei ihm meldet. Möglichst noch bevor er in Hamburg ankommt. Der Mann ist Offizier auf der Santa Rosa. Dat Schiff kenn ich schon. Kommt auch immer am Eurogate an. Wenn du willst, kontaktiere ich einen Freund. Der kennt vielleicht jemanden an Bord und kann in Erfahrung bringen, was dieser Jurij Wolf für ein Typ ist. Würd mich nich wundern, wenn der auch mit drinsteckt in der Sache, die da abläuft. Warum will der den sonst erreichen, bevor der ankommt? Kann ja nich ohne Grund sein.«
»Kann viele Gründe haben. Schwer zu sagen. Was wissen wir denn bislang? Ein Offizier der MS Valderrama, der am Morgen Streit mit einem Arbeiter vom Eurogate hatte, vermutlich wegen Geld, wird von einem Unbekannten, dessen Wagen du kennst, zusammengeschlagen. Ich habe zudem einen Hinweis auf einen Mitarbeiter von Eurogate erhalten, der, nachdem ihm seine ersten Gehversuche in dem Business eine mehrjährige Haftstrafe eingebrockt haben, nun groß im Koksgeschäft sein soll. Warte mal, ich schick dir mal ein Foto von dem. Alex Freiberg heißt er, vielleicht kennst du den ja.« Dombrowski schickt, während er spricht, ein älteres Bild von Freiberg aus dem polizeilichen System an Gerds Nummer. »Nun kommt im Laufe eines einzigen Tages ein weiteres Schiff ins Spiel, und der Zusammengeschlagene will Kontakt zu einer Person auf diesem Schiff aufnehmen. Womöglich beabsichtigt er, den Mann zu warnen, oder plant Rache? Oder möchte er vielleicht einfach nur auf dem anderen Schiff anheuern, damit er hier wegkommt? Könnte doch sein, der Typ ist sein Bruder, und deswegen will er Kontakt aufnehmen.«
»Dumbo, das is er!«, erwidert Gerd aufgeregt.
»Woher weißt du denn das nun schon wieder? Aber siehst du: Gibt für alles eine logische Erklärung. Muss ja nicht immer alles zusammenhängen.«
»Hä? Nee, Dumbo. Der Typ auf dem Foto. Das ist der Kerl, mit dem Sergej heute Morgen gestritten hat. Da bin ich sicher. Ganz sicher!« Gerd steht breitbeinig auf den dunklen Gehwegplatten und schiebt mit zwei Fingern auf dem Display des Handys herum, um sich das Gesicht genau anzuschauen. »Jo, Dumbo. Das wird 'ne ganz große Nummer«, ruft er ins Telefon, das er auf Lautsprecher gestellt hat.
»Okay«, antwortet Dombrowski und schweigt.
»Wie, >okay<?«, äfft Gerd ihn nach. »Das ist die Antwort, und du findest das >okay<?«
»Ja. Super! Wirklich. Aber darüber muss ich jetzt erst einmal nachdenken. Das Wochenende ist jedenfalls im Eimer. So viel ist sicher. Danke, Gerd.«
Gerd weiß, dass Dombrowski es ihm nicht übel nimmt, wenn er ihn auf eine Spur bringt. Er spürt förmlich, wie es im Kopf seines Freundes zu rattern beginnt. »Jo. Dann meld dich, wenn ich was helfen kann«, sagt er aufmunternd.
»Sie sind pensioniert, Herr Dehling!«, parodiert Dombrowski seine Chefin mit einem Lachen in der Stimme. »Du machst ja sowieso dein Ding. Ich halte dich auf dem Laufenden. Und du mich, schließlich hast du noch etwas zu erledigen. Das ist jetzt umso wichtiger geworden, denn der Angriff von heute Abend muss unmittelbar mit Freiberg zusammenhängen, wenn unsere Theorie stimmt.«
»Hab verstanden, Dumbo. Ich melde mich morgen bei dir. Tschüss.« Ohne auf eine Antwort zu warten, beendet Gerd das Gespräch und steckt sein Telefon in die Tasche.
Er geht zu dem dunklen Mustang, lässt sich mit knackenden Kniegelenken in die Hocke sinken und befühlt vorsichtig eins der Auspuffrohre, das noch immer warm ist.
»Bist du also vor mir nach Hause gekommen. Na warte, mien Jung!«, flucht Gerd leise vor sich hin. Er öffnet die Seitentür des Wohnmobils, zieht unter dem Beifahrersitz einen kalten metallischen Gegenstand hervor und wendet sich mit wütendem Gesichtsausdruck dem dunklen Sportwagen zu.
Zwischen Apfel- und Kirschbäumen führt eine Landstraße durch das Alte Land, deren huckeliger Asphalt tagtäglich von Landmaschinen malträtiert wird. Ein dunkelgraues Familienauto fährt hier allein dem Morgengrauen entgegen, jedoch nicht annähernd so schnell wie manche Bewohner der angrenzenden Dörfer, die in der Nacht gerne mal vom Suff in der Dorfkneipe in einen Geschwindigkeitsrausch getrieben werden.
Der Fahrer hat es...
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