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Mit 16 geht Björn Werner aus Berlin in die USA, um an einer High School American Football zu spielen. Wie jeder sportbegeisterte Jugendliche träumt er von einer Profi-Karriere - und schafft es am Ende tatsächlich bis in die weltberühmte National Football League (NFL).
Wie sein atemberaubender Aufstieg aus einfachen Verhältnissen in die Weltspitze gelang, welche Hindernisse es zu überwinden galt und was es heißt, auf höchstem Niveau in der größten Liga der Welt zu spielen, davon berichtet er erstmals in diesem Buch. Er erzählt offen und schonungslos, aber auch mit viel Humor, von Triumphen und Tiefschlägen, vom Leben in den USA, dem Glanz und den Schattenseiten der NFL, die vor allem eines ist: ein knallhartes Milliarden-Business. Er schildert, wie er durch Verletzungen gestoppt wurde und mit nur 26 Jahren seine Karriere beenden musste.
Heute ist Björn Werner eines der bekanntesten Gesichter des American Football in Deutschland, arbeitet als TV-Experte und internationaler Talentscout. Gemeinsam mit Patrick Esume ist er Host des erfolgreichsten deutschen Sport-Podcasts "Football Bromance".
Björn Werner, geboren 1990 in Berlin, war einer der erfolgreichsten deutschen Football-Profis. Am College von Florida State avancierte er zu einem der besten Spieler in den USA und wurde als erster Deutscher in der ersten Runde des NFL-Drafts von den Indianapolis Colts ausgewählt. Heute arbeitet er als TV-Experte und Talentscout.
Nils Weber, 1977 in Flensburg geboren, ist Sportredakteur bei der Hamburger Morgenpost, Fachgebiete Boxen, der FC St. Pauli, Handball und olympischer Sport. 2018 schrieb er zusammen mit Stefan Kretzschmar den Bestseller "Hölleluja! Warum Handball der absolute Wahnsinn ist" (Edel Books). Als leidenschaftlicher Footballfan reiste er mehrfach in die USA, um dort NFL- und auch College-Spiele live zu erleben.
Meine Football-Karriere begann auf einem Kinderspielplatz. Das klingt romantisch, so wie man es aus vielen Geschichten von den Anfängen bemerkenswerter Sportlerkarrieren kennt. In meinem Fall war allerdings gar kein Football im Spiel. Es gab überhaupt keinen Ball, sondern eine Rutsche, und oben auf dem Turm saß ein für sein Alter sehr großer, sehr kräftig gebauter und auch etwas moppeliger zehnjähriger Junge auf der Suche nach der nächsten kleinen Dosis Adrenalin.
Von American Football hatte ich noch nie etwas gehört, und wenn mich damals jemand gefragt hätte, was NFL bedeutet, dann hätte ich vermutlich auf einen Fernsehsender getippt. ARD, ZDF, RTL, NFL. Ich war jedoch schon in einem Alter, in dem Rutschen nur noch Spaß macht, wenn man die Rinne besonders schnell oder waghalsig runtersaust. Volle Pulle oder gar nicht. Werner-Style. Vermutlich musste mal wieder eine neue persönliche Kinderspielplatz-Olympia-Bestmarke her, denn ich war schon immer ein absoluter Wettkampftyp. Also holte ich ordentlich Schwung, schnellte mit dem Oberkörper nach vorne, stieß mich mit den Armen ab und jagte hinab. Als ich nach rekordverdächtiger Fahrt unten aufkam, gab es ein merkwürdiges Geräusch, das nicht so klang, wie es normalerweise klingt, wenn ein durchgelatschter Turnschuh auf sandigem Untergrund bremst. Vermutlich hatte der Turnschuh seine beste Zeit längst hinter sich und inzwischen weniger Profil und mehr Öffnungen als vom Hersteller vorgesehen. Ich spürte einen stechenden Schmerz im Knöchel meines linken Fußes, der bei den Gegnern meines Fußballvereins Berliner Athletik-Klub 07, kurz BAK, gefürchtet war, weil dieser Fuß Tore wie am Fließband schoss. Mein erster Gedanke: Shit. Die anschließende Vor-Ort-Diagnose war auch ohne medizinische Kenntnisse meinerseits absolut präzise, wenn auch anatomisch etwas unscharf: Fuß im Arsch.
Ich schluckte das in mir aufkeimende erbärmliche Gejammer und Gewinsel tapfer runter, biss auf die Zähne, blinzelte die Flüssigkeit weg, die mir in die Augen trat, und humpelte nach Hause. Tränen konnten das ja wohl nicht sein. Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was mir unterwegs durch den Kopf ging, mal abgesehen von "Aua". Ich bin mir aber zu hundert Prozent sicher, dass mir nicht ein einziges Mal in den Sinn kam, dass der BAK07 möglicherweise in Zukunft auf meine Tore würde verzichten müssen. Oder dass sich der unter einem chronischen Energieüberschuss und mangelhafter Risikoanalyse leidende Riesenknabe einen neuen Allerlieblingssport aussuchen würde, in dem er es über die Grenzen seines Kiezes hinaus vielleicht zu etwas bringen könnte.
Mein Kiez war der Sprengelkiez, im Wedding, Berlin. Der Wedding war damals das, was man als Problem-Bezirk bezeichnete, zumindest Teile davon. Manche Gegenden hatten ein Schmuddel-Image oder waren regelrechte kriminelle Hotspots und Treffpunkte der Trinker, Junkies und Dealer. Touristen verirrten sich nur in den Wedding, wenn sie zu blöd waren, ihren faltbaren Stadtplan richtig herum zu halten. Heute gilt der Stadtteil mit seinem rauen Charme als hippes Szeneviertel und wird sogar international abgefeiert. Für jemanden, der wie ich in den Neunzigern dort aufgewachsen ist, als es die Bezeichnung Szene-Bezirk noch gar nicht gab, ist das irgendwie komisch.
In diese ungekünstelte, hier und da abgefuckte, für mich aber schmutzig-schöne Welt wurde ich hineingeboren, im August 1990, einen Monat vor der Deutschen Einheit, und ich verbrachte dort die ersten Jahre meines Lebens. Mit meiner Mutter Martina, meinem Vater Andreas und meinen Brüdern Marcel und Pascal wohnte ich in einer kleinen Wohnung in der Fehmarner Straße, unweit der U-Bahn-Station Amrumer Straße, mittendrin im multikulturellen Wedding. Die Fehmarner Straße ist eine ruhige Seitenstraße, in der damals eigentlich jeder jeden kannte. Im Norden grenzte unsere Straße an den riesigen Komplex des Rudolf-Virchow-Krankenhauses, das zur Charité gehört. Auf dem Gelände befindet sich übrigens auch der Hauptsitz des Robert-Koch-Instituts, kurz RKI. Diese Abkürzung kennt heute jeder, mir sagte das damals ungefähr so viel wie NFL. An ihrem südlichen Ende stößt die Fehmarner Straße auf das Nordufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals. Von dort hat man einen schönen Blick über das Wasser nach Westen und nach Osten und einen nicht ganz so schönen direkten Blick nach Süden auf das gegenüberliegende Ufer mit dem Kraftwerk Moabit. Wenn ich also mal Bock auf Panorama hatte - so sah es aus.
Wir wohnten in der Nummer 23, erster Stock, drei Zimmer, kleiner Balkon. Die Wohnung an sich war nichts Besonderes, aber sie hatte für unsere Familie eine große emotionale Bedeutung. Sie war ein Werner-Nest. Schon meine Oma hatte dort gewohnt und meinen Vater und seine zwei Schwestern, also meine Tanten, großgezogen. Meine Mutter ist auch im Wedding aufgewachsen, nur ein paar Straßen weiter. Meine Eltern haben irgendwann die Bude meiner Oma übernommen. Meine Brüder und ich waren also schon die dritte Generation innerhalb dieser Wände.
Das Kinderzimmer musste ich mir mit meinem älteren Bruder teilen. Mein Vater hatte eine Art Zwischenetage in den Raum gebaut, wie ein übergroßes Hochbett mit einer Treppe, sodass jeder von uns dann doch einen eigenen Bereich hatte, was ganz cool war. Weniger cool fand ich, dass dieses zweite Level das Reich von Marcel war, der sich als größerer Bruder natürlich den Platz an der Glühbirnen-Sonne gesichert hatte. Zeit für ein peinliches Geständnis: Meinen unteren Bereich verschönerte ich, als ich alt genug war, an so etwas Gefallen zu finden, aber noch nicht alt genug für guten Geschmack, mit Postern der Boygroups Backstreet Boys und NSYNC. Ich lege aber Wert auf die Feststellung, dass bei NSYNC Justin Timberlake mit am Start war, der ja nun wirklich eine große Nummer geworden ist, womit wir einen eleganten Schlenker zum Football machen können: Timberlake ist schon zweimal in der Halftime-Show des Super Bowls aufgetreten, dem Mount-Everest-Moment für Musikstars, und sorgte 2004 beim Duett mit Janet Jackson bekanntlich für den größten Skandal: "Nipplegate". Auch mein absolutes Lieblingsposter in späteren Jahren hatte Football-Bezug, zumindest aus heutiger Sicht. J.Lo! Das fiel mir wieder ein, als ich Jennifer Lopez bei ihrem Aufritt mit Shakira in der Halbzeit von Super Bowl LIV im Jahr 2020 in Miami live im Hard Rock Stadium miterlebte. Sie sah erstaunlicherweise auch ein Vierteljahrhundert später fast genauso aus wie auf dem Poster an meiner Wand, das ich als Heranwachsender so oft angestarrt hatte. Ewige Jugend mit über 50. Respekt. Sie könnte meine Mutter sein.
J.Lo war mein erster Teenage Crush.
Ich war Björn from the Block. Nicht aus einer richtig üblen Gegend, wie so viele Spieler in der NFL, aber aus einfachen Verhältnissen. Meine Mutter arbeitete als Putzfrau in einer Kita, was sie bis heute mit Überzeugung macht und wofür ich sie sehr bewundere, und mein Papa schuftete damals auf dem Bau. Wir sind eine "Blue-Collar-Family", wie man in Amerika sagt. "Blue Collar" heißt "blauer Kragen", was für die traditionellen blauen Arbeitsoveralls steht, die man in Deutschland als Blaumänner kennt. Blue-Collar-Jobs sind mit körperlicher Arbeit und meistens niedrigem Lohn verbunden, während White-Collar-Jobs die Bezeichnung für Berufe ist, bei denen man ein weißes Hemd trägt, also Büro- oder Dienstleistungsjobs.
Im US-Sport ist immer wieder von Blue-Collar-Mentalität die Rede, wenn es um harte körperliche Arbeit von Athleten, ihre Einstellung zu Training und Wettkampf und eine gewisse Bodenständigkeit geht. Troy Polamalu, der legendäre Safety der Pittsburgh Steelers, der zweimal den Super Bowl gewann und Defensive Player of the Year war (nicht zu vergessen: All-Time Defensive Player of the Hair!), hat American Football mal als "real blue-collar sport" bezeichnet. Ich erwähne das hier nicht nur, weil der frischgebackene Hall-of-Famer eine absolute Granate auf dem Gridiron war und zu den Spielern gehörte, denen ich nacheiferte. Was mich und meine Karriere betrifft, kann ich die Worte Polamalus absolut unterschreiben. Ich bin ein Arbeiterkind, und alles, was ich im Football erreicht habe, basiert auf harter Arbeit.
Wir Werners sind traditionelles Arbeitermilieu. Mein Vater war lange Zeit der Meinung, dass ein ordentlicher Beruf mit den Händen ausgeführt wird und so etwas wie Abitur eine Extrawurst und ein Studium eigentlich Zeitverschwendung ist - es sei denn, man hatte das Ziel, im späteren Leben seinen Fahrgästen im Taxi etwas über Goethe oder den Dreißigjährigen Krieg zu erzählen. Wegen dieser Sichtweise sollte ich mit meinem Alten Herrn an einem ganz entscheidenden Punkt meines Lebens noch heftig aneinandergeraten, und wenn wir Werner-Männer streiten, dann gleicht das einem Footballspiel mit Worten. Wir vier sind totale Dickschädel, echte Rammböcke, und sosehr wir uns lieben, so sehr lieben wir es auch, uns zu dissen und richtig zu fetzen, und dann will keiner klein beigeben, ganz egal, ob er recht hat oder nicht. Darum geht es auch gar nicht. Ich denke, es geht in erster Linie darum, sich zu behaupten. Das mag jetzt machomäßig klingen, aber es ist vielleicht einfach auch ein bisschen Wedding-Mentalität, sich nicht die hart verdiente Butter vom Brot nehmen zu lassen.
Jeder Euro wurde bei uns zu Hause zweimal umgedreht, bevor er ausgegeben wurde, denn er war eben hart erarbeitet. Es ist nicht so, dass wir arm waren, aber das Leben meiner Eltern drehte sich schon in erster Linie darum, zu arbeiten, Geld zu verdienen, ein Dach über dem Kopf zu haben und jeden Abend eine Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, damit alle satt werden und...
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