Schweitzer Fachinformationen
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Zwischendurch erreichten uns Nachrichten per WhatsApp von den daheimgebliebenen »Followern«. Über unsere WhatsApp-Gruppe wurden sechzig Freunde und Verwandte von uns auf dem Laufenden gehalten. Außerdem fand jeder die aktuelle Position der BULA und den Track der letzten Tage auf Vesselfinder.
Einige fragten, ob wir uns in einem Race befänden, weil wir so schnell Frankreich erreicht hätten und für morgen auch schon unsere nächste Etappe ankündigten. Andere monierten, dass wir auf den übermittelten Fotos keine Rettungswesten trugen.
Fakt ist, dass wir uns nach dem Tiden- und Stromatlas richten mussten und natürlich auch und besonders nach dem Wetter, mit Windrichtung und -stärke. Die Etappenziele und damit die Etmale wurden also stark von »außen« beeinflusst. Wir folgten natürlich ebenso den Empfehlungen von Jens. Er ist der Profi und Revierkenner. Gerade jetzt während der Pause in Cherbourg nutzten wir die Gelegenheit, mit ihm noch einmal ausführlich über seine Erfahrungen im Englischen Kanal und in der Biskaya zu sprechen.
Seit dem 2. Mai waren wir nun rund 674 Meilen gesegelt, mit Stopps in Cuxhaven, Zeebrügge, Calais und jetzt Cherbourg. Wir hatten die meiste Zeit Am- und Halbwindkurse aus Nordwest und Süd. Die Windstärken lagen zwischen 0 und 27 Knoten. Alle sechs Stunden hatten wir den Strom gegen uns, im Besonderen auf dem Weg zwischen Zeebrügge über Calais nach Cherbourg. Jens erzählte uns, dass er auf früheren Törns in Calais schon öfter tagelang abwettern musste, da es draußen heftig blies, und das direkt auf die Nase, also länger anhaltender Westwind jede Weiterfahrt verhinderte. Demnach war seine Empfehlung, die aktuelle stabile Wetterlage mitzunehmen und am nächsten Tag Roscoff als Etappenziel anzupeilen.
Sandra und ich nutzten die Gelegenheit des entspannten Austausches auch, um die Biskaya-Überquerung anzusprechen. Wir vereinbarten, uns in Roscoff die Karten zu legen. Die Wetterlage in der Biskaya schien sich in den nächsten Tagen erst noch zu stabilisieren.
Und ja, ein Thema ist auch die uns aus der Community gestellte Frage nach den Rettungswesten. Natürlich sind auf jedem Ausbildungstörn Rettungswesten Pflicht. Jens ist Ausbilder und Vorbild, er trägt dann immer und bei jedem Wetter seine Rettungsweste. Sandra, Jens und ich segeln seit vielen Jahren und wir sind sehr erfahren und hier nicht auf einem Ausbildungstörn.
Den gesamten Themenkomplex »Sicherheit« hatten wir lange vor dem Start intensiv besprochen, als unsere BULA im Jahr 2022 noch auf ihrem Sommerliegeplatz in Travemünde lag. Jens hatte uns besucht, um das Schiff zu inspizieren und mit uns Grundsätzliches der begonnenen Planungen für die Langfahrt zu vereinbaren. Wir waren uns auch schnell einig, dass es keinen Zwang geben würde, Westen zu tragen. Jedoch wurden auch nicht viele Worte darüber verloren, wie selbstverständlich es war, die Westen sowie Lifebelts in Griffnähe zu haben. Jeder für sich konnte, in Abwägung der jeweiligen Situation, beides an-, aber auch wieder ablegen. Als Skipper und Eigner der BULA verzichteten Sandra und ich speziell in der Nordsee, dem Englischen Kanal sowie dem noch folgenden Atlantik häufiger auch präventiv, besonders nachts, nicht auf die Rettungsweste. Die BULA hat Lifelines, die es uns ermöglichen, »eingepickt« von achtern auf das Vorschiff zu gelangen. Am Mast ist eine LED-Decksbeleuchtung installiert, die eingeschaltet das Deck taghell erleuchtet. Komplettiert wird das Ganze durch eine Rettungsinsel für sechs Personen und einen Rettungskragen. Der Plotter würde auch mit einer Person-über-Bord-Taste das Wiederfinden der Position des Überbordgefallenen erleichtern. Soweit die technische Ausstattung und die Theorie. Machen wir uns nichts vor, alle Segler wissen jedoch, dass ein Überbordfallen nachts einem Todesurteil gleichkommt.
Tagsüber ist das etwas anderes, aber auch nicht ohne Stress für alle. Ich sprang bei einem Törn zu einem Test, für die Crew unangekündigt, über Bord. Mit dem Skipper hatte ich das vorher abgestimmt, mit der Mannschaft nicht. Während einer aus der Crew am Steuer stand, begann diese Übung. Wir waren damals in der türkischen Riviera, das Wasser war warm, die Sicht klar, kaum Welle, kaum Wind und das Charterboot fuhr unter Motor.
Die Crew hatte zwei Versuche benötigt, bis ich achtern wieder an Bord gezogen werden konnte. Das Ganze hatte für mich insgesamt lange fünfzehn Minuten gedauert.
Nicht auszudenken, wie lange Sandra und Jens brauchen würden, mich aus dem kabbeligen, eiskalten Englischen Kanal zu fischen. Oberste Devise war also, an Bord zu bleiben.
Auch hier möchte ich vorwegnehmen, dass während unserer gesamten Langfahrt keinerlei Situationen entstanden sind, die eine Gefahr für Leib und Leben dargestellt hätten.
Das mit der Sicherheit hatten wir also längst unter uns geklärt, als die Fragen uns erreichten. Für die Daheimgebliebenen stellten wir in der Folge dann doch einige Fotos, die uns beim Tragen der Rettungswesten zeigten, in die WhatsApp-Gruppe ein. Danach erreichten uns keine »Ermahnungen« mehr. Stattdessen gab es viele »Daumen hoch«, manchmal auch »Herzchen«, besonders wenn Delfine die BULA als Spielkameraden besucht hatten, aber dazu kommen wir erst noch.
Vor einigen Monaten war es noch ein fernes Abenteuer gewesen, welches wir würden meistern müssen - die Biskaya-Überquerung. Mehr als 59 Stunden nur Wasser weit und breit. Eine lange Atlantikwelle und häufige Wetterumschwünge würden uns keine Sekunde zur Ruhe kommen lassen. Nun könnte es schon in ein paar Tagen losgehen.
Beim Abendessen, mal wieder gab es eine überbordende Meeresfrüchte- und Fischplatte, jetzt schon »to share«, rückte dann unser »Chef-Skipper« damit heraus, dass er kommende Woche für sieben Tage zu Hause zu tun habe. Wir konnten ihm entlocken, dass kein Job besser war, als mit uns zu reisen. Jedoch scheiterten alle Überredungskünste, da zu Hause die neue Liebe auf ihn wartete.
Am 10. Mai wollte Jens zurückfliegen, somit mussten wir spätestens am 9. Mai in Roscoff festmachen.
Wegen des einsetzenden Stromes am 8. Mai vormittags starteten wir erst gegen 11 Uhr. Kurz vorher besuchten wir den Bootsausrüstungs-Shop und ich schlich um die gefütterten Seestiefel herum. Diesel nachtanken war auch abenteuerlich, denn die Tide hatte ihren tiefsten Punkt erreicht und die Zapfsäulen waren gefühlt 10 Meter über uns. Zudem lag ein Traditionsschiff am Tanksteg. Da für uns Warten keine gute Option war, denn der Strom draußen würde in rund einer Stunde kippen, fragten wir höflich, ob wir uns ins Päckchen legen dürften. Die Crew nahm gerne unsere Festmacher an und reichte uns auch den Tankschlauch rüber. Ein kurzes Schwätzchen später waren wir vollgetankt und fertig zum Ablegen.
Draußen war es gar nicht lustig. In den ersten dreißig Minuten bremste uns der Strom und der Wind passte noch nicht zum Kurs. Somit ging es mühsam unter Motor Richtung Westen. Als dann endlich die Windrichtung mit dem Ziel übereinstimmte, kam wieder der Code Zero ins Spiel. Um uns herum hatten einige Segler anscheinend einen ähnlichen Kurs gewählt. Trotz Nieselregen hatten wir unseren Spaß, denn wir hatten einen nach dem anderen schnell eingeholt und kurze Zeit später waren die Boote schon kaum noch zu sehen. Es ging dann wieder einmal in die Nacht hinein. Bevor der Wind nachließ, gab er noch mal alles. Wir lagen auf der Backe, hatten mit Strom mal wieder knapp über 10 Knoten Speed und auch relativ hohe und kurze Wellen, gefühlt aus wechselnden Richtungen. Die BULA machte, trotz Druck in den Segeln, unangenehme, bockige Auf- und Abwärtsbewegungen.
Es stand erneut ein Wachwechsel an. Ich begab mich nach mühevollem Anziehen meiner vier Schichten wieder an Deck. Im Cockpit erwarteten mich die Beiden. Ihnen war die Anstrengung der vergangenen Stunde ins Gesicht geschrieben. Ich glaube, Jens war sehr froh, dass er sich jetzt in seine Koje verkriechen konnte. Als er den Niedergang hinunterging, hatten wir heftige Krängung nach Steuerbord. Was kam, war gewiss ein Reflex seinerseits. Er wollte sich von der Treppe kommend nach rechts Richtung Achterkoje »schwingen« und hielt sich dabei am oberen Rand des Hochschrankes fest. Sandra sah das Malheur zuerst. Der Schrank war komplett aus seiner Verankerung gerissen, die Nespresso-Maschine quer durch den Raum geflogen, hatte dabei die Steckdose abgerissen und auch sonst lagen einige Gegenstände am Boden verstreut.
Als ich den Niedergang hinuntereilte, sah ich, dass Jens unter dem Schrank lag. Na ja, einerseits gut für das Möbelstück, es war abgepolstert und hatte beim Umkippen keine Schäden an anderen Einbauten verursacht, andererseits kam Jens da alleine nicht mehr raus. Ich hob den Schrank an, was gar nicht so einfach war. Die BULA stampfte und ich hatte den Eindruck, dass sie sich noch mehr auf die Seite legte. Sandra hatte aber am Steuerstand draußen alles im Griff.
Wir beseitigten notdürftig das entstandene Chaos. Den Schrank legten wir längs auf den Boden im Salon und banden ihn...
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