Historische Aspekte.- Anatomie der hypothalamisch-hypophysären Einheit.- Physiologie.- Untersuchungsmethoden.- Funktionsstörungen des Hypothalamus-Hypophysen-Systems.- Nichtendokrine hypothalamische Störungen.- Medikamentöse Einflüsse auf die Hypothalamus-Hypophysen-Funktion.
Kapitel 4 Untersuchungsmethoden (S. 53-55)
4.1 Hormonbestimmungen
Ohne zuverlässige Bestimmungsmethoden für die Hormone des HVL und der von ihr kontrollierten endokrinen Drüsen ist eine Diagnostik hypothalamisch- hypophysärer Erkrankungen nicht möglich. Da die Hypophysenhormone Peptid-, Proteooder Glykoproteidhormone sind, die in sehr niedrigen Konzentrationen im Blut zirkulieren, kommen chemische Bestimmungsmethoden nicht in Betracht. Biologische Bestimmungsmethoden, die früher vornehmlich für die Messung der Hormonaktivität im 24-h-Urin eingesetzt wurden, sind nicht empfindlich genug, um Normalwerte im Nativplasma zu messen.
Zytochemische biologische Bestimmungsmethoden sind hingegen sehr empfindlich, sodass sogar erniedrigte ACTH-Spiegel bei der HVL-Insuffizienz gemessen werden können. Sie sind aber viel zu aufwendig, um für die Routinediagnostik brauchbar zu sein. Die immunologischen Bestimmungsmethoden, mit der alle HVL- und HHL-Hormone gemessen werden können, haben die Erforschung der Physiologie und Pathophysiologie der hypothalamisch- hypophysären Einheit erst ermöglicht und die Diagnostik hypothalamisch-hypophysärer Krankheitsbilder in der Klinik vereinfacht. Es handelt sich um eine Verdünnungsmethode, bei der radioaktiv oder anders markiertes Hormon und nicht markiertes Hormon um die Bindung an spezifische Hormonantikörper kompetieren (Immunoassey).
Wird das zu bestimmende Hormon durch einen fixierten Antikörper gebunden und dieser Hormonantikörperkomplex mit einem zweiten markierten Hormonantikörper markiert, ergibt sich eine lineare Beziehung zwischen Hormonkonzentration und dem messbaren (radioaktiven) Signal (Immuno[radio]metrischer Assay, I[R]MA).
Problematisch werden all die Methoden, bei denen Hormonantikörper eingesetzt werden, wenn sich "wie beim ACTH" biologische und immunologische Aktivität in verschiedenen Anteilen des Moleküs befinden bzw. wenn sich die Hormone nur geringgradig in ihrer Aminosäurensequenz und damit ihrer antigenen Determinante unterscheiden, wie das bei den Glykoproteidhormonen der Fall ist, die alle eine gemeinsame alfa Unreinheit aufweisen.
Deshalb sind standardisierte Antiseren, deren Antigen genau definiert ist (z. B. Einige Hormone, wie ACTH oder ADH, haben in vitro eine geringe Stabilität. Deshalb müssen die Blutproben in gekühlten Röhrchen mit EDTAund Trasylol-Zusatz gesammelt werden, und es muss sich eine sofortige Kühlzentrifugation anschließen. Diese Proben müssen später bei 80 C eingefroren werden
Was die Interpretation der Hormonmessungen betrifft, so muss auf folgende Punkte geachtet werden: Viele Hypophysenhormone liegen in den verschiedenen Entwicklungsstadien in sehr unterschiedlichen Konzentrationen vor. So unterscheiden sich die Gonadotropin-Spiegel der frühen Kindheitsphase von denen der Adoleszenz, der Geschlechtsreife bzw. von denen, die im Klimakterium gefunden werden. Es besteht eine Tagesrhythmik bei allen HVLHormonen, die an den Tag-Nacht-Rhythmus gekoppelt sein kann (ACTH) bzw. an die Schlafphasen (GH, Prolaktin, TSH und Gonadotropine).
Die HVL-Hormone werden episodisch sezerniert, d. h. innerhalb von 2 h kommt es bei gesunden Individuen physilogischerweise zu ausgeprägten Schwankungen der Hormonspiegel. Die Hormonspiegel der glandotropen HVLHormone lassen sich ohne gleichzeitige Kenntnis der peripheren Hormonspiegel bzw. des Funktionszustandes der peripheren Drüse (z. B. ovarieller Zyklus) nicht interpretieren. Dies gilt auch in ähnlicher Weise für die direkt in der Peripherie wirkenden HVL- bzw. HHLHormone. So lässt sich ein ADH-Spiegel in Unkenntnis des Hydrierungszustandes ebenso wenig interpretieren wie ein Einzelner erhöhter GH-Spiegel, bei dem die Bedingungen der Blutabnahme sowie die zeitliche Beziehung zur Mahlzeit nicht bekannt sind.