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September 2013
Zuweilen bearbeitet mein Freund Sherlock mehrere Fälle gleichzeitig. Der folgende nimmt in meinen Notizen nur ein Blatt ein und wäre daher beinahe untergegangen, da er sich in eine andere Rubrik verirrte, und ist einer der wenigen, die Sherlock anfangs mit Enthusiasmus verfolgte. Der Zufall spielte uns aber dermaßen in die Hände, dass es am Ende nur eines genialen Anstoßes benötigte.
Ich war dabei, einen Artikel für die Times aufzusetzen. Sherlock legte frustriert seinen Stapel Morgenzeitungen beiseite. »Lestrade steckt im Fall des halbtot aufgefundenen Geldboten fest. Er wird noch heute kommen, Watson«, orakelte er, griff seine Violine und fing an, abscheulich darauf zu kratzen.
Die Worte wollten nicht mehr fließen.
»Woher wollen Sie das wissen, Holms?«, fragte ich ob der Störung ärgerlich und legte die Feder nieder.
»Watson, räumen Sie ihre Aufzeichnungen beiseite, da ist er schon.«
Ich seufzte auf. Schritte kamen die Treppe herauf; Schritte, die ich inzwischen ganz gut von anderen unterscheiden konnte. Die Türglocke war nicht zu hören gewesen. Sicher war Mrs. Hudson beflissentlich zur Tür geeilt. Noch während ich dem Eindruck des Stufensteigens nachhing, klopfte es.
»Nur herein, Inspektor!«
Lestrade stand in der Tür.
»Sie haben noch keine Spur des Täters!?«
»Woher wissen Sie .?«, fragte unser Gast und setzte sich auf Bitten Holms dabei pustend in den Korbsessel. Auch ich war gespannt, aus welchen Zeichen Sherlock dieses Wissen schöpfte.
»Deduktion, Lestrade, Deduktion! Als Sie eilig mit Ihrer Droschke vor dem Haus hielten, zogen Sie derart heftig an der Bremse, dass sie trotz des bedeckten Himmels in der Art von trockenem Wetter erbärmlich quietschte, was auf Ihre innere Anspannung zurückzuführen ist. Zudem war dem heutigen Daily Telegraph zu entnehmen, dass die Polizei kurz davor stände, den Täter zu verhaften: Eine Floskel, die nichts anderes bedeutet, als dass Sie bei Ihren Ermittlungen auf Schwierigkeiten gestoßen sind. - Nun Inspektor, da sind Sie!«
Er nickte: »Sie haben völlig Recht, Holms. Der Geldbote ist im Hospital verstorben, ohne dass wir ihn befragen konnten. Das Geld ist unauffindbar. Nirgends tauchen die neu geprägten Münzen auf. Nicht als Konvolut und nicht einzeln. Wir haben den Verdacht, dass sich der Raubmörder absetzen konnte. Einzig und allein Mrs. Riverstone hat den Täter in der Dämmerung mit dem Geldkoffer flüchten sehen. Eine mittlere Größe, gepflegte Kleidung und einen Schmiss an der linken Wange war das Einzige, woran Mrs. Riverstone sich erinnern konnte. Ich habe deshalb vor ihrem Haus eine Wache postiert.«
»Für jeden auf der Straße sichtbar?«, fragte Holms vorwurfsvoll. Lestrade nickte bestätigend. »So ist es; entsprechend den Vorschriften!«
»Zum Teufel damit! So weiß der Raubmörder, wo er die Zeugin findet. Er ist noch hier, Lestrade! Wenn meine Vermutungen zutreffen, und ich bin mir da gänzlich sicher, wird er, da er bisher eine gewisse Intelligenz an den Tag legte, die Umgebung beobachten. Anderenfalls hätten wir schon von seiner Flucht gehört. Er wird einen Weg finden, die Zeugin zum Schweigen zu bringen.«
»Gütiger Gott!«, warf ich ein.
Mein Freund schloss halb die Augen, legte die Fingerspitzen aneinander, senkte den Kopf und berührte dann mit seinen Zeigefingern die Lippen. So verweilte er einige Sekunden, bevor sich seine Gesichtszüge wieder aufhellten. »Der Posten steht nun mal vor dem Haus und wir müssen sehen, wie wir das zu unserem Vorteil nutzen können. Ziel muss es sein, den Raubmörder und seine Beute in einem Streich zu haschen«, erklärte Holms. »Inspektor, Sie sollten die Wache vor ihrem Haus baldmöglichst gegen eine neu instruierte austauschen. Natürlich ohne großes Aufsehen. Ach, und wundern Sie sich nicht, wenn dort eine ältere Dame aufkreuzt«.
Holms kritzelte etwas auf einen Zeitungsrand, riss es ab und gab ihn Lestrade.
Der Inspektor dankte und verabschiedete sich eilig. Holms ging ins Schlafzimmer und ich musste an den Seemann denken, der in dem Fall des Zeichens der Vier vor einigen Jahren in unsere Wohnung stapfte. Nicht einmal ich als sein bester Freund hatte Holms damals in der Verkleidung erkannt. Zur vereinbarten Zeit spazierte ich die kurze Strecke bis zur Great-PortlandStreet und mischte mich unter die Leute. Mir fiel die Aufgabe zu, mich mit meinem Revolver in der Manteltasche unauffällig in der Nähe von Mrs. Riverstones Wohnung aufzuhalten. Lestrade sollte die andere Richtung der Straße überwachen. Ich beobachtete, dass ein Polizist auf den Posten zukam und ins Haus gelassen wurde. Bald verließ er es wieder. Ich warf einen Blick zu Lestrade. Aus Richtung des Flusses bog ein Konstabler in die Straße ein und blickte in ein Schaufenster. Er gelangte in Mrs. Riverstones Haus. Lestrade gab mir ein Zeichen. Während direkt vor dem Posten eine Droschke über das Pflaster rollte, trug mir der Wind den Knall einer im Haus abgeschossenen Kugel herüber.
»Gütiger Gott«, entwich es mir. Der Konstabler kam wieder heraus, blickte sich um und schlenderte dann in meine Richtung. Ich konnte den Schmiss gut erkennen, der kaum älter als ein Vierteljahr sein mochte.
Auf der anderen Straßenseite kam Lestrade näher. In gebührendem Abstandfolgten wirdem falschen Polizisten. Er bog in die Nebenstraßeein. Als ich sie erreichte, war von ihm weit und breit nichts zu sehen. Passanten gab es hier kaum. Ich zog meinen Revolver. Wo war unser Täter nur hin? Immer darauf achtend, ob irgendwo der Lauf einer Feuerwaffe aus einer Tür geschoben wurde, arbeiteten wir uns Eingang für Eingang vor. Nichts! Wir waren schon beinahe am Ende der Straße angekommen, als ich einen ohrenbetäubenden Knallvernahm.Die Richtung war wegen der vielfachen Echos an den Fassaden nichtauszumachen.Sofort nahm ich in der nächstenNische Deckung.
Nach kurzer Zeit rief jemand »Watson! - Watson!«
Ich blickte mich um, konnte aber den Rufer nicht entdecken.
»Hierher Watson!«, rief es noch einmal. Endlich sah ich ihn! In einem Kellereingang, in den parallel zur Straße beidseitig Stufen herunter führten, winkte Holms. Ein Stein fiel mir vom Herzen!
»Holms, mein lieber Holms! Sind Sie gesund?«, rief ich.
Den Revolver noch immer im Anschlag, trafen Lestrade und ich bei ihm ein.
»Meine Herren, Sie können ihre Waffen wegstecken. Unser Täter ist seiner eigenen Schläue zum Opfer gefallen.«
»Ist er verletzt?«, fragte ich Holms besorgt.
»Kommen Sie, meine Herren, überzeugen Sie sich.«
Im Keller roch es nach Pulverdämpfen. Der falsche Konstabler lag bäuchlings in einer offenen Tür. Blut sickerte unter ihm hervor und hatte schon eine Pfütze gebildet. Ich untersuchte ihn und fand den Schmiss an der linken Wange. - Dem falschen Konstabler konnte ich nicht mehr helfen. Ich sah meinen Freund an. »Gütiger Gott! Ich verstehe nicht, Holms, haben Sie .«, brachte ich stockend hervor. Ich musste wohl ein ziemlich irritiertes Gesicht gemacht haben.
»Lassen Sie uns das in einer halben Stunde in der Baker Street erörtern.« Holms wandte sich an den Inspektor. »Ich bin mir sicher, Lestrade, dass Sie das auch interessieren wird. Ich nehme an, Sie müssen zunächst Ihre Anordnungen treffen. Würden Sie auch Mrs. Riverstone zu unserem Termin bitten?«
Mit einem »Selbstverständlich« entfernte er sich.
Holms hatte grade Portwein in eine Karaffe dekantiert und Gläser bereitgestellt, als der Inspektor mit Mrs. Riverstone eintraf. Mrs. Hudson kam die Treppe hoch und schaute neugierig herein. Beide Damen kannten sich offensichtlich. Holms lud sie als weiblichen Beistand ein.
Alle hatten einen Platz gefunden. Sherlock setzte sich als letzter und suchte im Lehnsessel umständlich seine Lieblingsstellung.
»Spannen Sie uns doch nicht so auf die Folter,Sherlock!«, bemerkte ich.
»Nun gut. Die Posten vor Mrs. Riverstones Haus zwangen mich zu einer besonderen List«, begann Holms und blickte zur Zeugin. »Statt zu verhindern, dass der Täter in Ihre Wohnung eindringt, war es notwendig, ihm zu zeigen, auf welche Weise er hineingelangen konnte. Diesen Zweck hatte die Demonstration mit den Beamten, die Sie jetzt hoffentlich verstehen, Inspektor. Das Schauspielhaus in der Nähe, hat zur Zeit ein Kriminalstück auf dem Spielplan. Wir mussten also nur noch darauf warten, dass sich ein Polizist mit einem Schmiss, das einzig erkennbare Indiz des Täters, für das Haus interessierte. Deshalb bat ich Sie, Lestrade, dass nur narbenlose Beamte in die Great Portland Street kommen sollten.
Ich selbst bemühte mich kurz nach unserem morgendlichen Treffen zu Mrs. Riverstone, gab mich zu erkennen und erklärte ihr die Situation. Entsprechend meinen Anweisungen formte sie aus Kissen, meiner Maskerade und einer Schlafdecke eine Attrappe ihrer selbst auf einer Chaiselongue und entsperrte die Wohnungstür. Wir versteckten uns - denn...
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