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Freitag, 24. Februar
Es stand 2 : 1 für den SC Bern kurz vor Schluss der Partie. Die Berner Anhängerinnen und Anhänger auf der großen Stehrampe schwenkten zufrieden die Fahnen und unterstützten ihre Mannschaft lauthals mit ihrem Fangesang. Saskia Baur unterdrückte ein Gähnen. Sie freute sich, dass der SCB auf dem Weg war, sein letztes Heimspiel der Qualifikation zu gewinnen. Längst stand fest, dass ihre Lieblingsmannschaft des Eishockeysports in der National League der Schweiz diese Saison als Tabellenführer beenden und mit dem ersten Heimspiel in die Playoffs starten würde. Sie unterdrückte ein weiteres Gähnen und sah zu Sibille und Luc Marti, die mit einem entspannten Grinsen auf den Gesichtern neben ihr saßen. »Das sieht gut aus«, sagte Sibille leise zu ihrem Mann und strich ihm über den Arm.
»Ja, Schatz«, meinte Luc und beugte sich zu ihr. »Diesen Sieg lassen wir uns nicht mehr nehmen.«
Dieser Meinung war auch Saskia. Sie war stolz, dass sie heute bei den beiden in der SCB-Loge des VIP-Bereiches sitzen durfte. Luc Marti war der CEO des SC Bern und in dieser Funktion verantwortlich für das operative Geschäft des Wirtschaftsunternehmens SCB. Dafür lebte er, und sein unermüdlicher Einsatz für den Club stand stets an erster Stelle. Trotzdem war er ein Familienmensch und immer für seine Frau und seinen Sohn da. Saskia sah, wie Sibille liebevoll in Lucs Gesicht schaute. Sie hatte ihn auf dieser abenteuerlichen Reise mit dem SCB begleitet und manchmal auch etwas zurückstecken müssen. Saskia fand das sehr beeindruckend. Sie fragte sich, ob sie in knapp zwanzig Jahren auch so sein würde. Luc gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss und drückte ihre Hand. »Du bist müde. Ich freue mich auf zu Hause. Morgen geht's nach Fribourg, danach haben wir ein paar ruhigere Tage vor den Playoffs.«
Sibille nickte. Sie küsste ihn zärtlich zurück. Gleichzeitig hallte die Schlusssirene durch das Eisstadion.
»Na, ihr Schwerverliebten«, lachte eine raue Stimme hinter dem Paar. Fabian Schneeberger, der Sportchef war in die Loge der SCB-Verantwortlichen eingetreten. Er war nicht immer hier anzutreffen, sondern tigerte während der Spiele meistens im halben Stadion umher. »Sibille, ich muss deinen Mann leider kurz entführen, es gibt was zu besprechen.«
»Kein Problem, ich warte hier«, antwortete Sibille. »Saskia, Schätzli, bleibst du bei mir?«
»Klar, ich warte ja auf Sidney.«
Die beiden Herren verließen die Loge und auch die anderen Mitarbeitenden und Gäste grüßten, wünschten sich einen schönen Abend und gingen. Auf einmal waren Saskia und Sibille allein. Sie beobachteten von oben durch die Glasscheibe der Loge, die sich in der Ecke über dem Haupteingang befand, wie sich die Arena leerte. Die Zuschauermassen drängten zu den Ausgängen, und die Putzkolonne begann, die große Stehrampe, die sich ihnen schräg gegenüber befand und das Markenzeichen der Berner Arena war, zu reinigen.
»Hat es dir gefallen, das Spiel von hier oben zu verfolgen?«, fragte Sibille.
»Oh ja, es ist mal was ganz anderes. Man hat den Überblick über das Stadion und das Spiel, so etwa wie von der Stehrampe aus. Trotzdem fühlt man sich durch die Glasscheibe getrennt in einer anderen Welt.«
Sibille lachte. »Das hast du diplomatisch formuliert. Ich finde ja, dass die wahre Stimmung in diesem Stadion nur zur Geltung kommt, wenn du mitten im lauten Hexenkessel bist. Am besten natürlich auf der großen Stehrampe. Oder bei den Spielerfrauen im Sitzplatzring hinter der SCB-Spielerbank. Letztes Jahr war ich oft zusammen mit Carole bei ihnen, das war super. Eigentlich solltest du dort dabei sein.«
Saskia errötete. Carole Lemaire war die Interimstrainerin, die den SCB die letzten Playoffs hindurch bis zum Meistertitel geführt hatte. Und sie selbst sollte sich endlich daran gewöhnen, zu den Spielerfrauen zu gehören. »War ich ja schon, Sidney zuliebe. Aber ich habe mein Stehplatz-Abo und gehe gern mit meinem Bruder auf die Stehrampe.«
»Das verstehe ich, Schätzli. Sonst läuft es gut mit Sidney? Immer noch verliebt?«, grinste Sibille, die kein Blatt vor den Mund nahm. Saskia war das eher peinlich, doch durfte sie gegenüber ihrer Gastgeberin wohl oder übel nicht abweisend sein. Sie versuchte, die Peinlichkeit zu überspielen.
»Oh ja, er ist toll. Ich mag ihn sehr, und wir lassen es langsam angehen. Schließlich hat er sich im Moment aufs Eishockey zu konzentrieren, und ich versuche, ihn zu unterstützen, wo ich kann. Wir verbringen, wenn möglich, jede freie Zeit miteinander.«
Saskia Baur und Sidney Bourger, Flügelstürmer beim SCB, waren seit drei Monaten ein Paar. Sie hatte sich überhaupt nicht um einen Eishockeyspieler als Freund bemüht. Es war Sidneys Hartnäckigkeit und dem Charme ihres Bruders zu verdanken, dass sie nun zusammen waren. Ihr jüngster Bruder Timon, der neun Jahre jünger war als sie und seit Geburt eine geistige Behinderung hatte, absolvierte eine Lehre in einer geschützten Werkstätte. Er stand total auf Eislaufen und Eishockeyspielen. Saskia brachte ihn ein- bis zweimal in der Woche zu unterschiedlichen Zeiten auf die Allmend zum freien Schlittschuhlaufen, dem »Schlöflä«, wie die Bernerinnen und Berner es nannten. Dort wurde ebenfalls mit Puck und Stock gespielt, was Timon liebte. Mit den Fahrten zur Arena und der Betreuung des Bruders entlastete sie ihre Mutter, und sie freute sich, Timon bei seinem Hobby zu unterstützen. Beim Ankleiden half ihm Saskia, damit er nichts durcheinanderbrachte. Auf dem Eis kam Timon sehr gut allein zurecht, sodass Saskia meistens zuschaute oder auf der Restaurantterrasse saß, und dort etwas trank und las. Manchmal lief sie auch, vor allem dann, wenn nicht so viele Leute auf dem Eis waren. Es machte ihr nichts aus, auf Timon zu warten, sie mochte die winterliche Atmosphäre vor der Arena. Saskia war aufgefallen, dass ab und zu SCB-Spieler, auch von der ersten Mannschaft, draußen vorbeijoggten oder Fußball spielten, das war in Bern nichts Außergewöhnliches. Sie sah ihnen manchmal zu, widmete sich meistens aber schnell wieder ihrer Lektüre. Sie war ein Büchernarr und hatte während des Studiums oft zu diesen Zeiten gelernt. Seit letztem Sommer hatte sie ihren Abschluss als Rechtsanwältin in der Tasche und konnte endlich lesen, was sie wollte. Im Herbst war sie auf Stellensuche gewesen, hatte deshalb mehr Zeit und Timon häufiger als andere Jahre zum Eislaufen gebracht. Wahrscheinlich war sie Sidney deshalb aufgefallen. Der fragte sich, warum sie so oft vor der Arena herumsaß. Jedenfalls hatte er sie eines Nachmittags, kurz bevor die Sonne hinter den hohen Häusern rund um die Arena verschwand, angesprochen und sich zu ihr an den Tisch gesetzt. Sie hatte ihn natürlich sofort erkannt. Selbstverständlich war sie etwas geschmeichelt gewesen, dass er wissen wollte, was sie in ihrem Leben tat. Sie erzählte ihm von Timon und er schlug ihr spontan vor, zu ihrem Bruder zu gehen und mit ihm zusammen Eis zu laufen. Da konnte sie natürlich nicht Nein sagen. So glücklich hatte sie ihren Bruder selten gesehen. Zu dritt glitten sie übers Eis, dass es allen viel Spaß bereitete. Sie beschlossen zusammen, dass Timon das nächste Mal sämtliche Fanutensilien mitbringen sollte, damit Sidney diese mit seiner Unterschrift und seiner Rückennummer versehen konnte. Diese zweite Begegnung gehörte ganz dem SCB-Fan Timon, der sein Idol vergötterte und es nicht fassen konnte, dass Sidney nur für ihn da war. Saskia ließ ihn in dem Glauben. Sie saß neben ihrem überglücklichen Bruder und ihr entging nicht, dass Sidney sie immer wieder zwischendurch anschaute und versuchte, mit ihr zu flirten. Der kritische Höhepunkt war, als Timon in seiner typisch direkten Art Saskias Hand nahm und Sidney ihre Vorzüge anpries. Am Schluss meinte er, dass seine Schwester keinen Freund habe und er ihm ihre Telefonnummer geben könne. Sidney war Timons Art überhaupt nicht peinlich, und so lachten sie alle drei lauthals los. Was Sidney nicht daran hinderte, sie am Ende des Treffens tatsächlich um ihre Telefonnummer zu bitten. Er schrieb ihr von da an Kurznachrichten und bat sie stets darum, Timon zu grüßen. Er fragte auch nach, wann sie wieder vor der Arena anzutreffen sei, um sie dort um ein Date zu bitten. Als sie zunächst ablehnte mit der Begründung, dass sie zu stark mit ihrer Jobsuche beschäftigt sei, ließ Sidney nicht locker. Er schrieb ihr weiter, dass er immerzu an sie denke und sich gar nicht mehr aufs Eishockey konzentrieren könne. Ob sie wolle, dass es mit dem SCB bergab gehe, nur weil sie kein Herz habe? Saskia fand seinen Humor umwerfend und willigte schließlich ein, ihn zu daten, natürlich nur, damit der SCB nicht in das sonst unvermeidliche Novemberloch fallen würde. Sie könne sich bloß nicht vorstellen, an welchem Abend er jetzt mitten in der Eishockeysaison Zeit finden würde und schlug ihm vor, sich in den Weihnachtsferien zu treffen. Das war ziemlich gemein gewesen, doch sie hatte gehofft, dass er ihren Schalk aus den Zeilen herauslesen und nicht beleidigt reagieren würde. Wenn nicht, hätte sie sowieso nicht weitergemacht, auch nicht Timon zuliebe, der oft nach Sidney fragte und ihn bereits in sein Herz geschlossen hatte.
Sidneys Antwort hatte Saskia mehr als überrascht und ihr Interesse an dem Eishockeyspieler steigen lassen. Er schlug ihr vor, sich am Montagmorgen in der Früh am Zibelemärit, dem Berner Stadtfest, zu treffen. Sie war zwar überhaupt kein Morgenmensch, aber dass er auf ihre Nachricht zu kontern gewusst hatte, imponierte ihr sehr. »Zieh dich warm und unauffällig an, dann machen wir den Zwiebeln den Garaus!«, hatte er ihr mit vielen Herzsmileys geschrieben. Um vier Uhr dreißig hatten sie sich auf dem...
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