Schweitzer Fachinformationen
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Zunächst zu einer schlechten Nachricht, wahrscheinlich der allerschlechtesten aus dem Jahr 2016: Donald Trump ist amerikanischer Präsident. Auch wenn er jetzt - ich schreibe dies, bevor er tatsächlich im Amt ist - hier und da einen freundlichen und harmlosen Ton anschlägt, ist es grundfalsch, darauf die Hoffnung zu bauen, er werde doch als Präsident anders handeln als in seinem ganzen Leben zuvor. Denn erstens handelt niemand jemals grundsätzlich anders als in seinem ganzen Leben zuvor - der Typ ist 70! -, und zweitens: Wer, der charakterlich so strukturiert ist wie dieser Mann, würde denn ausgerechnet nach dem größten Erfolg seines Lebens seine Weltsicht, seine Absichten und seine Strategie ändern? Eben. Man muss sich nur das Team anschauen, das er gerade zusammenstellt. Dieser Mann und seine Freunde, Milliardäre, Banker, Generäle werden sehr viel Schlimmes anrichten.
Die Wahl von Trump hat aber noch etwas anderes Irres hervorgebracht. Deutschland ist in der Nacht vom 8. auf den 9. November 2016 zur wichtigsten Demokratie der Welt geworden. Das muss man sich mal vorstellen. Das Land, das vor nicht einmal drei Generationen das Empire of Evil war, das schlimmste und mörderischste Land der Erde, ist heute nicht nur das beliebteste Land weltweit, sondern auch das Sehnsuchtsland für unendlich viele, besonders junge Menschen aus allen Teilen der Welt geworden! Das ist unglaublich, auch deswegen, weil es zeigt, wie schnell und intensiv sich die Dinge nicht nur zum Schlechten, sondern auch zum Guten wenden können. Viele junge Israelis leben lieber in Berlin als in Tel Aviv, und viele junge Ukrainer oder Weißrussen würden es liebend gern tun, dürfen es aber nicht.
Das Land, das aus zwei totalitären Gesellschaften entstanden ist, eine mörderische Geschichte hat und den ganzen europäischen Kontinent in ein Inferno der Zerstörung gerissen hat, ist heute das Land, auf das die Verfolgten und Unterdrückten, die Demokraten und Freiheitsliebenden ihre Hoffnung richten.
Tatsächlich, so seltsam es sich anhört: Jetzt, gerade nach der US-Wahl, kommt es darauf an, dass wir bei der Fahne bleiben, der Fahne der Demokratie, der Freiheit und der Offenen Gesellschaft. Wir haben dafür eine Super-Ausgangsposition: die Rechten sind nicht stark bei uns, sondern stark ist die demokratische Mehrheit, und jetzt müssen wir Verantwortung zeigen, indem wir für diese Gesellschaft eintreten. Wer sagt eigentlich, dass es nur interessant ist, gegen etwas zu sein? Wer findet eigentlich all die idiotischen Talkshows und die ewigen schlechten Nachrichten in den Medien gut? Wer glaubt, dass das noch Aufklärung ist? Lasst uns doch darüber sprechen, was eigentlich alles wahnsinnig gut läuft in der Offenen Gesellschaft!
Fangen wir mal mit dem Einfachsten an: Viele Flüchtlinge müssen sich erstmal daran gewöhnen, dass man in diesem Land nicht geschlagen oder bedroht wird, auf Ämtern, von Polizisten, in den Heimen. Dort, wo sie herkommen, ist das nämlich anders: Gewalt eine Alltäglichkeit. Und Not ganz normal. Wir leben so unglaublich sicher und merken es nicht; wenn man aus anderen Verhältnissen kommt, fällt es sofort auf. Positiv. Und fragt mal alle Idioten, die von »Staatsversagen« hierzulande sprechen, ob sie schon mal zum Beispiel in Rumänien oder Pakistan in einem Krankenhaus waren? Oder beim Zahnarzt? Oder eine Überschwemmung in Ghana erlebt oder sich in den USA ein Bein gebrochen haben? Die Leute, die unsere Gesundheitsversorgung für ein Problem halten, waren noch nirgendwo anders auf der Welt in Not. Wir hatten mal ein Au-pair-Mädchen aus Peru, das nach seinem ersten Stadtspaziergang in Hannover völlig fassungslos von einem Mann erzählte, der um Futter für seinen Hund bettelte. In Peru, sagte sie, hätte er seinen Hund längst gegessen.
Deutschland ist eine extrem reiche Gesellschaft, die den meisten Menschen, die in ihr leben, Freiheit und Sicherheit bietet, Handlungsspielräume und Entfaltungsmöglichkeiten. Die Kritik duldet und, wie gesagt, sogar braucht, um sich weiterzuentwickeln. Eine solche Gesellschaft lässt uns die Wahl. Wir dürfen ganz normal sein oder ganz anders. Wir dürfen Traditionen hochhalten oder Neues denken. Wir dürfen provinziell sein oder weltgewandt. Oder all das auf einmal.
Die Offene Gesellschaft ist gerade in Deutschland ein Erfolgsmodell, was sich zum Beispiel daran zeigt, dass bei uns die Arbeitslosigkeit so niedrig ist wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Dass mehr Kinder Abitur machen als jemals zuvor. Dass die Polizei immer mehr Beamte mit »Migrationshintergrund« einstellt. Dass Radfahren in der Stadt normal geworden ist, dass Menschen Genossenschaften gründen, um gemeinsam zu bauen, zu gärtnern, zu arbeiten, Energie zu erzeugen. Dass das Politikinteresse bei jungen Menschen stark gestiegen ist, ihre Angst vor Zuwanderung dagegen stark gesunken. Dass sie Gewalt in jeder Form ablehnen, sich in unglaublich großer Zahl ehrenamtlich engagieren, bei den Landfrauen genauso wie bei Amnesty international, in Sprachcafés, bei Greenpeace oder bei der freiwilligen Feuerwehr. Das müssen wir sagen, laut und deutlich und überall, gerade nach diesem Scheißjahr.
Jugendliche, die an Politik interessiert bzw. stark interessiert sind:
46 %
Jugendliche, die Angst vor Zuwanderung nach Deutschland haben
29 %
Jugendliche, die Angst vor Terroranschlägen haben
73 %
Jugendliche, die mit der Demokratie zufrieden sind (West)
77 %
Jugendliche, die mit der Demokratie zufrieden sind (Ost)
54 %
Jugendliche, die in einem Verein aktiv sind
38 %
Jugendliche, die bei einem Rettungsdienst oder bei der Feuerwehr aktiv sind
5 %
Jugendliche, die bei Greenpeace oder Amnesty International aktiv sind
Jugendliche, die in einer Partei aktiv sind
2 %
Alle Zahlen stammen aus der sogenannten Shell-Jugendstudie, die seit 1953 alle fünf Jahre durchgeführt wird. Man kann also gut vergleichen: Das Politikinteresse ist auf dem höchsten Stand seit zwanzig Jahren, die Ablehnung von Zuwanderern sinkt kontinuierlich. Das praktische Engagement ist rückläufig, aber durchaus noch hoch. Insgesamt weisen die Ergebnisse der aktuellen Studie nicht darauf hin, dass die heute 12- bis 25-Jährigen staatsverdrossen, politikfern und passiv sind. Das sinkende Engagement in Parteien und Gewerkschaften deutet freilich an, dass die bestehenden Politikangebote als wenig attraktiv empfunden werden. Vielleicht ist das alles zu viel letztes Jahrhundert?
Sie haben ja recht, die Jugendlichen: Denn alle Erfolge der Offenen Gesellschaft bedeuten nicht, dass es nicht viel zu ändern und zu verbessern gäbe, auch in diesem Land: Wir müssen gegen die Bildungs- und Chancenungleichheit kämpfen, gegen verantwortungslose Manager wie bei der Deutschen Bank oder bei VW, bei der Fifa, gegen die ausufernde Überwachung und, natürlich, gegen die fortschreitende Zerstörung der Lebens- und Überlebensräume überall auf der Welt durch unsere absurde hyperkonsumistische Lebensweise. Müssen wir machen! Weil es uns, und damit komme ich auf den Anfang zurück, so gut geht. Aber das hat Voraussetzungen: den demokratischen...
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