Schweitzer Fachinformationen
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Weil ich auf die Schnelle keinen Platz mehr in der Business Class gekriegt hab, sitz ich mit schweißüberströmtem Nacken, flatternden Nerven und klappernden Zähnen auf nem beschissenen Mittelsitz in der Economy Class, eingezwängt zwischen nem Fettsack und ner hypernervösen Spritnase, und mir is so eng in der Brust, dass mir das Atmen schwerfällt. Ich werf noch ne Zolpidem ein und weich dabei dem Blick von diesem Säufer neben mir aus. Meine Hose spannt. Ich kann einfach keine finden, die mir passt. Nie. Trag ich Bundweite 32, wie jetzt, dann kneifts, während Größe 34 schlabbert und scheiße aussieht. Kaum ein Laden verkauft Hosen in 33, der optimalen Größe für mich.
Um auf andere Gedanken zu kommen, schlag ich das DJ Mag auf. Beim Umblättern der Seiten zittern meine Hände: Letzte Nacht, beim Gig in Dublin, hab ich die Nase wohl zu tief ins Glas und die Puderdose gesteckt. Wieder mal. Gleich nach der Landung in Heathrow hatte ich ne hitzige Auseinandersetzung mit Emily, der einzigen Frau unter den drei DJs, die ich manage: Wenns nach mir geht, dann kehrt sie schnellstmöglich ins Studio zurück, um das Demo zu mastern, das ich so stark finde - sie is davon allerdings null überzeugt. Deshalb hab ich Druck gemacht, und Emily is ausgerastet, hat ne ziemliche Szene gemacht, passiert bei ihr schon mal. Am Flughafen hab ich sie dann stehen lassen und meinen Anschlussflug nach L.A. genommen.
Ich bin völlig im Arsch, habs tierisch im Rücken. Ich steh kurz vor einer ausgewachsenen Panikattacke, und Don Promillo neben mir hört nich auf zu labern, überträgt seine Panik aufs ganze Flugzeug. Ich glotz konzentriert in meine Zeitschrift, ring nach Luft und bete, dass die Pillen bald wirken.
Als mein Sitznachbar plötzlich verstummt, registrier ich, dass jemand auf mich runterstarrt. Ich lass das Magazin sinken und heb den Blick.
Mein erster Gedanke is: O nein.
Mein zweiter is: Fuck.
Er steht im Gang, sein Arm hängt betont locker von der Lehne über dem Kopf des eingeschüchterten Schluckspechts. Diese Augen. Sie brennen sich bis ins Mark. Lassen die Worte, die ich sprechen möchte, in meiner verdorrten Kehle verpuffen.
Franco. Francis James Begbie. Wie zum Geier .?
Der Strom meiner Gedanken wird zum tosenden Sturzbach: Er is da. Der Moment der Beichte. Kein Gedanke an Flucht - es is ausweglos. Aber was kann er hier oben schon tun? Mich plattmachen? In einem selbstmörderischen Akt der Zerstörung das Flugzeug in den Abgrund reißen und damit auch alle Passagiere? Für mich isses gelaufen, das steht mal fest, aber wie wird er seine Rache nehmen?
Er lächelt mich bloß seelenruhig an und sagt: - Hallo, alter Freund, lange nicht gesehen.
Das is zu viel! Dieser irre Psychopath is definitiv zu kaltblütig, um was anderes im Sinn zu haben, als jeden Moment auf mich loszugehen! Ich spring auf, kletter über den Fettwanst hinweg, der kurz aufquiekt, als meine Hacke sein Bein entlangschrammt, stürze in den Gang und schlag mir das Knie an, rappel mich aber sofort wieder auf.
- Sir!, kreischt ne hinzueilende Stewardess, die blonde Mähne mit Haarlack betoniert, und der fette Arsch hinter mir stößt nen wütenden Fluch aus. Ich schieb mich an der Betonfrisur vorbei, flüchte aufs Klo, knall die Tür hinter mir zu, schließ ab und stemm meinen Körper gegen die dünne Barriere zwischen mir und Franco Begbie. Während ich mir die schmerzende Kniescheibe reibe, hämmert mein Herz wie ein beschissener D-Zug.
Von draußen ertönt ein energisches Klopfen. - Sir, ist bei Ihnen da drin alles in Ordnung?, fragt die Stewardess im Tonfall einer Ambulanzschwester.
Dann hör ich sie erneut, diese enervierend abgeklärte Stimme, eine entschärfte, transatlantische Version der Stimme, die mir allzu vertraut is. - Mark, ich bins . Er zögert. - Ich bins, Frank. Gehts dir gut, Kumpel?
Mit einem Mal is Frank Begbie kein abstraktes Etwas mehr. Ein aus grauenhaften Erinnerungen in irgendeiner Kammer meines Hirns geborenes Phantom, dessen drohende Gegenwart zwar stetig in der Luft liegt, jedoch nie Gestalt annimmt. Unter den denkbar profansten Umständen is der Kerl zu Fleisch und Blut geworden. Er befindet sich auf der anderen Seite dieser arschdünnen Tür! Und ich Idiot hab nix Besseres zu tun, als mir über seinen Tonfall den Kopf zu zerbrechen. Obwohl ich nur nen kurzen Blick auf ihn werfen konnte, is mir an Franco dennoch ne deutliche Veränderung aufgefallen. Und die hat nix damit zu tun, dass er älter geworden is. Er scheint sich ganz gut gehalten zu haben. Andererseits lag der Wichser, als ich ihn das letzte Mal gesehen hab, ja auch blutend auf dem Bürgersteig des Leith Walk, von nem Auto überfahren, das ihn in voller Fahrt erwischt hat. Und das nur, weil er mich um jeden Preis schnappen wollte. So was kehrt bei niemandem die Schokoladenseite hervor. Jetzt hat er mich in der Falle. Zehntausend Meter über dem Meer sitz ich in diesem winzigen Loch fest.
- Sir!, drängt die Stewardess erneut. - Geht es Ihnen nicht gut?
Ich spür die beruhigende Wirkung des Zolpidem. Meine Panik lässt ein klein wenig nach. Er kann mir hier gar nix anhaben. Wenn der Wichser auf mich losgeht, werden sie ihn wie nen Terroristen tasern und fesseln.
Mit zitternder Hand öffne ich die Tür. Er steht direkt vor mir. - Frank .
- Sie kennen den Herrn?, will die Stewardess von Franco wissen.
- Ja, ich wollte nach ihm sehen, antwortet der Wichser mit einer Bestimmtheit, die keinerlei Widerspruch zulässt, und fragt mich dann scheinbar besorgt: - Alles in Ordnung, Kumpel?
- Aye, nur ne kleine Panikattacke . ich dachte, ich müsste mich übergeben. Ich hab ein wenig Flugangst, sag ich der Stewardess. Und dann zu Francis James Begbie: - He, gut, dich zu sehen.
Als sich die Stewardess zögerlich zurückzieht, fleh ich im Stillen: Lass mich nich allein. Aber Franco in seinem weißen T-Shirt, mit dem ulkigen Rotweinfleck, is die Ruhe selbst. Schlank und sonnengebräunt steht er vor mir und lächelt mich an. Nich wie ein lauernder Irrer, der sich nur mühsam zurückhalten kann, sondern ganz so, als könnte er kein Wässerchen trüben.
Zu meinem großen Erstaunen wird mir klar, dass ich auf diesen Tag nich nur gewartet hab, sondern dass ein Teil von mir ihn jetzt, wo er gekommen is, sogar begrüßt. Eine gewaltige Last fällt mir von den ächzenden Schultern, und das Gefühl der Erleichterung is beängstigend. Und schwindelerregend - was auch am Zolpidem liegen könnte. - Ich glaub, ich schulde dir noch Geld, Frank, is alles, was ich rausbringe, während sich ein Junge an uns vorbei und in die Toilette schiebt. Was soll ich sonst auch sagen?
Unverwandt lächelnd, kräuselt Franco die Stirn.
Ich mach mir keine Illusionen: Irgendnem Arsch Geld zu schulden, is eine Sache - etwas völlig anderes isses allerdings, nen durchgeknallten Brutalo abzuzocken, der die meiste Zeit seines Lebens im Knast verbracht hat. Und der, wie mir zu Ohren gekommen is, seit Ewigkeiten nach mir sucht. Der mich vor einigen Jahren beinahe geschnappt hätte und dabei fast draufgegangen wäre. Zu sagen, ich schulde ihm Geld, trifft die Sache nich annähernd. Und das Gedränge vor dem Scheißhaus lässt mir keine andere Wahl, als bei ihm stehen zu bleiben. Eingezwängt in der Enge und dem Turbinenlärm dieser Blechröhre über den Wolken. - Hör mal . ich weiß, dass ich dir das zurückzahlen muss, stammel ich mit klappernden Zähnen. Und noch während ich das sage, wird mir nich nur plötzlich klar, dass ich jetzt tatsächlich meine Schulden bei ihm begleichen könnte, sondern mit einem Mal scheint mir sogar ne realistische Chance zu bestehen, dass er mich doch nich umbringt.
Frank Begbies Grinsen bleibt so entspannt wie sein gesamter Auftritt. Selbst seine Augen wirken gelassen, ganz und gar nich irre oder bedrohlich. Er hat ein paar mehr Falten im Gesicht - was mich vor allem deshalb überrascht, weil sie wie Lachfalten aussehen. Begbie war nur selten gut drauf. Die einzige Freude, die er kannte, war die Schadenfreude über das Unglück anderer. Ein Unglück, das er in der Regel selbst verschuldet hatte. Seine Arme sind immer noch kräftig. Wie straffe Kabelstränge spannen sie die Ärmel des T-Shirts mit dem komischen Fleck. - Die Zinsen könnten ziemlich hoch ausfallen, sagt er, und wieder runzelt er die Stirn.
Scheiße, sie dürften astronomisch sein! Und es geht um sehr viel mehr als nur die Geldschulden. Sogar um mehr als die Verletzungen, die er sich zugezogen hat, als er blindlings vor das heranrasende Auto gerannt is. Da is diese zutiefst verkorkste Freundschaft. Die ich nie so ganz zu ergründen vermochte, wobei ich allerdings irgendwann zu der Überzeugung gelangte, dass sie für mich durchaus prägend war. Bande, die eine Ewigkeit zurückgingen.
Bis weit vor unseren verhängnisvollen Drogendeal. Dieses krumme Ding, bei dem ich ihn wegen der Kohle abgezockt hab.
Damals war ich jung, und ich war ein Junkie. Ich musste dringend raus aus Leith, raus aus diesem Sumpf, in dem ich zu versinken drohte. Und dieses Geld war mein Ticket.
Ich komm gar nich dazu, mich zu fragen, was zum Teufel der Wichser eigentlich auf nem Flug nach L.A. macht, weil ich nämlich derjenige bin, der Antworten liefern muss. Ich schätze, er verdient zumindest den Versuch einer Erklärung, also spuck ichs aus. Ich erzähl ihm, warum ich Sick Boy, Second Prize, Spud und ihn übers Ohr gehauen hab. Na gut, das...
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