Schweitzer Fachinformationen
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In der TV-Show Unter Haien suchen junge Gründer Investoren für ihre Ideen. So auch Programmiererin Louisa. Ihre Software soll Autisten die Kommunikation erleichtern - Menschen wie ihrer Schwester. Als ausgerechnet Hardliner Ruben Stephanski ihr nicht nur Geld, sondern auch eine einjährige Mentorenschaft anbietet, hat sie das Gefühl, es geschafft zu haben. Zunächst ist sie von dem attraktiven Selfmade-Millionär, der so ganz anders ist als sie, fasziniert. Doch bald schon merkt sie, dass Ruben ganz andere Ziele als sie verfolgt ...
Ich zog die Schultern zu den Ohren und verkroch mich in meinem Jackenkragen. Es war November, und Berlin zeigte sich von der garstigsten Seite. Seit Tagen war es feucht und kalt, und wenn es gerade einmal nicht regnete, fielen Graupel aus der Suppe am Himmel. Ein Lkw ratterte an mir vorbei und verpasste mir eine Dusche aus Pfützenwasser.
»Igitt!« Das hatte mir gerade noch gefehlt. Mit dem Handrücken wischte ich mir die stinkend kalte Brühe von den Wangen. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war, mich zu erkälten. Schlimm genug, dass es Tobi erwischt hatte, und wenn es nach den Wettergöttern ging, würde er wohl nicht der Einzige bleiben. In den nächsten Tagen stand uns ein Tief ins Haus, das aus dem Regen echten Schnee machen würde, mit Windböen, wie man sie sonst nur von den Küsten kannte. Wie reizend. Genau das richtige Klima für einen Neuanfang.
Endlich tauchte das Mehrfamilienhaus vor mir auf, in dem Tobi wohnte. Durch einen Vorhang aus Regenwasser hechtete ich in den Schutz der schmalen Überdachung vor der Haustür und hämmerte auf den Klingelknopf mit dem Namen Werther.
»Hallo?« Tobis Stimme knisterte durch die Gegensprechanlage.
»Ich bin's, Lou. Mach auf, hier draußen ist es ekelhaft.«
»Welche Kinderkrankheiten hattest du?«
Was? Das konnte nicht sein Ernst sein. Ich fror mir die Finger blau, und er machte einen seiner blöden Witze? Nun, wenn er schon wieder zu Scherzen aufgelegt war, musste es ihm zumindest besser gehen. Das waren gute Neuigkeiten, also ließ ich Milde walten. »Weiß nicht genau. Keine, zumindest nicht, dass ich mich erinnern könnte. Du kennst doch meine Eltern. Pauline und ich sind gegen alles geimpft.«
Das schien die richtige Antwort zu sein. Der Türbuzzer erklang und gab mir den Weg ins Trockene frei. Wie immer war der Aufzug kaputt, also sprintete ich zu Fuß die Treppe in den dritten Stock hoch. Tobis Wohnungstür stand einen Spaltbreit offen. Mehr Einladung brauchte ich nicht. Ich nahm mir gerade genug Zeit, um die durchnässten Sneaker auszuziehen, dann stürmte ich ins Wohnzimmer.
Tobi hatte sich in einem Nest aus Decken und Kissen auf dem Sofa verkrochen. Schwungvoll knallte ich die Apothekentüte auf den Sofatisch. Dabei fielen prompt ein paar benutzte Taschentücher auf den Boden.
»Hier.« Ich deutete auf die Tüte. »Die Frau in der Apotheke hat geschworen, dass dieses Zeug dich im Nu fit bekommt. Ich habe dir so einen Saft für die Nacht und Kapseln für den Tag besorgt. In Ausnahmefällen ist es wohl auch okay, wenn man die verschiedenen Präparate mischt, und morgen ist so ein Ausnahmefall. Es geht doch nur um einen einzigen Tag.«
Tobi widmete meiner Schatztüte keinen Blick.
»Ich kann nicht, Lou. Das habe ich dir schon am Telefon erklärt. Es geht nicht.«
»Es ist doch nur eine Erkältung.« Ein flehender Unterton mischte sich in meine Stimme. »Du kannst mich morgen nicht hängen lassen. Tu mir das nicht an. Das ist die Gelegenheit, auf die wir immer gewartet haben.«
»Es ist die Gelegenheit, auf die du immer gewartet hast.« Er schnappte sich ein neues Taschentuch aus dem Spender auf dem Sofatisch und putzte sich geräuschvoll die Nase. Zugegeben, er sah wirklich erbärmlich aus. Mit diesem Gesichtserker könnte er ohne Weiteres einen Job als Rentier vor Santas Schlitten annehmen. Außerdem näselte er beim Sprechen, und auf seinen Wangen lag eine ungesunde Röte.
»Das ist nicht wahr. Ich dachte, du -«
Er hob eine Hand, um meinen Widerspruch zu stoppen. »Es geht wirklich nicht. Gerade hat die Arztpraxis angerufen, die Blutergebnisse sind da. Das hier ist kein Fall von Männergrippe. Der Test war positiv auf Röteln. Das ist eine meldepflichtige Krankheit. Ich habe dich nur in die Wohnung gelassen, weil du gesagt hast, du seist gegen alle gängigen Kinderkrankheiten geimpft. Sonst dürftest nicht einmal du hier sein. Morgen unter Leute zu gehen und vor zig Kameras zu treten ist absolut ausgeschlossen.« Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Es tut mir leid.«
Instinktiv taumelte ich einen Schritt zurück, als die Wirklichkeit mich einholte. Das, was ich seit Tagen, seit Tobi über Gliederschmerzen und erhöhte Temperatur klagte, fürchtete, war Realität geworden. Ich ließ mich auf den Sessel neben der Couch fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Mein Atem machte komische Dinge. Er blieb in meiner Brust stecken, fühlte sich plötzlich unangenehm heiß an. Vor meinen geschlossenen Augenlidern tanzten Sterne. Nein, nein, nein.
»Hey, Lou, sieh mich an.« Tobi sprach in seinem sanftesten Tonfall. In ein paar Jahren würde er ein herausragender Psychotherapeut sein. Schon jetzt besaß er diese Art, die es einem leicht machte, ihm zu vertrauen. »Du wirst das toll machen. Diese App ist dein Baby. Niemand weiß besser darüber Bescheid als du. Du solltest den Rötel-Viren ein Dankesschreiben zukommen lassen. Morgen ist deine Chance. Die Gelegenheit, auf die du -«
»Oh hi, Lou. Ich wusste nicht, dass du vorbeikommen wolltest.«
Ich hob den Kopf. In der Tür zum Wohnzimmer stand Nele. In der Hand hielt sie zwei dampfende Henkelbecher. Sie war seit eineinhalb Jahren Tobis Freundin, und sie machte keinen Hehl daraus, dass sie mich nicht mochte. Auch jetzt sah sie mich an, als wollte sie sagen: Verschwinde. Das hier ist mein Revier.
Ich nickte zu der Apothekentüte. »Ich habe Tobi ein paar Medikamente gebracht. Ich hatte gehofft -«
»Tobi braucht keine Medikamente.« Sie kam zu uns und stellte die beiden Becher neben die Tüte auf den Tisch. »Ich kümmere mich um ihn.« Neben Tobi setzte sie sich auf die Couch und wuschelte ihm durch die verschwitzten Haare. Angst vor Viren hatte sie jedenfalls nicht. Vielleicht war auch sie geimpft. »Ingwerwasser mit Zitrone, Schatz. Die Ärztin hat gesagt, du sollst viel trinken.«
Pflichtschuldig nahm Tobi einen Schluck des Gebräus. Er bemühte sich redlich, nicht das Gesicht zu verziehen, doch vor mir konnte er seine Grimasse nicht verbergen. Ich grinste innerlich, verkniff mir allerdings einen mitleidigen Kommentar. Niemand war ein größerer Kaffeejunkie als Tobi. Die Hölle musste zufrieren, ehe er freiwillig ein Getränk zu sich nahm, dass von der Farbe her an gesunden Mittelstrahlurin erinnerte. Darauf herumzureiten wäre nur Wasser auf Neles Mühlen gewesen. Es hatte fast ein ganzes Jahr lang gedauert, ehe sie mich zähneknirschend im Leben ihres Lovers akzeptiert hatte. Während der ersten Monate ihrer Beziehung hatte sich Tobi beinah komplett von mir zurückgezogen, weil seine Freundin jedes Mal einen Eifersuchtsanfall bekam, wenn wir uns trafen.
»Lou ist wegen ihres Auftritts bei Unter Haien hier. Morgen ist es so weit.«
Ich schüttelte fassungslos den Kopf. Tobi ließ mich wirklich und wahrhaftig hängen. Mein ältester Freund. Mein bester Kumpel seit Kindertagen. Dass er es nicht freiwillig tat, war noch nicht in meinem Unterbewusstsein angekommen. »Wenn ich da morgen auf die Bühne gehe, nimmt mich doch niemand ernst.«
»Warum soll dich jemand ernst nehmen müssen?« Mit hochgezogenen Augenbrauen warf Nele einen Seitenblick auf meine Oberweite. Ich saß immer noch in meinem Winterparka da, nur den Reißverschluss hatte ich inzwischen geöffnet, um nicht in der Hitze von Tobis tropisch temperierter Wohnung einzugehen. Darunter trug ich einen schlichten Rollkragenpulli und einen Sport-BH, aber was mir die Natur mitgegeben hatte, ließ sich nicht verstecken. »Halt den Juroren einfach deine Dinger ins Gesicht und du hast den Deal sicher.«
Abwehrend verschränkte ich die Arme vor der Brust.
»So funktioniert das nicht.« Tobi kam mir zur Hilfe. »Unter Haien ist eine seriöse Produktion. Die Deals sind nicht nur Show, die sind echt.«
»Und?«, fragte Nele. »Ihr könnt mir nicht erzählen, dass es nicht trotzdem hilft, auszusehen wie sie. Rundes Püppchengesicht, diese riesigen blauen Augen, blonde Haare bis zum Abwinken, volle Brüste - da springen alle drauf an. Dazu gibt es sogar Studien. Attraktive Menschen haben nur Vorteile.«
»Klar.« Diesmal konnte ich mir den Kommentar nicht verkneifen. Ebenso wenig wie den ironischen Unterton. »Wenn du meinst.« Ich hätte noch ganz andere Sachen sagen können. Ich hätte sie zum Beispiel fragen können, wo der Vorteil darin liegen sollte, dass ich beinah meinen besten Freund verloren hätte, weil sie weder ihm noch mir zutraute, die Finger voneinander zu lassen, sobald wir unbeobachtet waren. Ich hätte sie fragen können, worin der Vorteil bestand, dass mich während des gesamten Studiums nicht ein einziges Mal jemand gefragt hatte, ob ich Teil einer Lerngruppe sein wollte. An meinen Noten hatte es sicher nicht gelegen, denn die waren hervorragend gewesen. Zu guter Letzt hätte ich sie fragen können, warum ich seit der zehnten Klasse keinen festen Freund mehr gehabt hatte, wenn mein Aussehen doch angeblich nur Vorteile mit sich brachte. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich bereit für ihre Antwort war, also biss ich mir einmal mehr auf die Zunge.
»Lass uns einfach den Pitch durchgehen«, sagte Tobi matt und wischte sich mit der Hand über die vom Fieber verschwitzte Stirn. »Ich habe die Präsentation auf dem Laptop, und wir wissen beide, dass du sie eigentlich nicht brauchst. Du kennst micronounce in- und auswendig. Diese App ist dein Baby, Lou. Hab Vertrauen in dich.«
Das Ding war, ich besaß nicht nur einen Busen und einen Mund, von dem mir ein Date mal gesagt hatte, er sähe unanständig aus, ich hatte auch ein Gehirn. Um Vertrauen ging es hier nicht. Ich...
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