Schweitzer Fachinformationen
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April 2019: Seit 20 Minuten im Auto geht es keinen Meter mehr weiter. Mein Blick ist auf die Einfahrt der Schnellstraße gerichtet, die zu meinem Büro in der Bozner Gewerbezone führt. Aus dem Radio ertönt "Gute-Laune-Musik" - sie soll uns Pendler wohl aufheitern, damit wir nicht ausrasten und dieses tägliche Trauerspiel etwas leichter ertragen. Wie jeden Morgen läuft mein persönliches Ratespiel: Wie lange brauche ich wohl für die fünf Kilometer bis ins Büro .? Sind es heute 57 oder 59 Minuten? Oder schaffe ich es in 56 Minuten? Sinnlose Minuten, in denen ich nur dasitze. Es erinnert mich an die Zeit, in der ich mich in der Schule fast zu Tode gelangweilt habe. Ich meine mich an geradezu körperliche Schmerzen zu erinnern, die entstanden, wenn die Schulglocke das nächste Unterrichtsfach einläutete und ich wieder 50 Minuten stillsitzen musste. Vielleicht hatten meine Lehrer damit recht, dass ich ein guter Schüler mit miserabler Motivation war. Wie dem auch sei, ich habe die Oberschule (Gymnasium) trotz erfolgreichem Abschluss der zweiten Klasse mit 16 Jahren - zum Leidwesen meiner Eltern und zur Freude meiner Lehrer - abgebrochen. Ich suchte mein Glück als Handwerker, als Elektriker. Die Lehrjahre in dieser Branche waren nicht gerade die Erfüllung meiner Träume, aber die Baustelle war mir immer noch lieber, als in einen Raum gesperrt stundenlang irgendwelchen Lernstoff zu hören, der mich nicht im Geringsten interessierte.
Da ich drei Jahre später meinen Gesellenabschluss mit voller Punktezahl erreichte, wurde ich nach dem Militärdienst von einem Südtiroler Berufsbildungszentrum zu einem Lehrgang eingeladen, der mich zum Industrieelektroniker ausbildete. Ich kann mich noch gut erinnern, wie schwer es mir fiel, wieder den ganzen Tag in einem Raum zu sitzen, während draußen das Leben pulsierte. Nach dem Abschluss arbeitete ich als Elektroniker in einem Sicherheitsunternehmen. Ich war den ganzen Tag mit meinem Firmenwagen und Laptop unterwegs und nie länger als eine Stunde am selben Ort. Ich denke, dass das wohl der Grund war, warum mir dieser Job so viel Freude machte. Die Stelle war nicht sonderlich gut bezahlt und die Karriereleiter war bereits vollends erklommen, aber wen juckt das schon im zarten Alter von 19 Jahren. Ein Jahr später sollte sich diese Einstellung radikal ändern. Ich kann heute gar nicht mehr sagen, warum, aber ich wachte eines Tages auf und wusste, dass ich mehr aus meinem beruflichen Leben machen wollte. Leider konnte ich die Zeit nicht mehr zurückdrehen und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich meinem momentanen Schicksal zu fügen.
Und dann kam sie, meine große Chance: Mein Vater gründete mit mehreren Partnern ein Handelsunternehmen in der Lebensmittelbranche. Und sie suchten nach einem Büromitarbeiter. Als sie bereits die Zusage eines potenziellen Bürogehilfen hatten, wollte es das Schicksal, dass mich meine Eltern am Esstisch beiläufig fragten: "Alex, willst du es bei uns im Büro versuchen? Jetzt oder nie. Sonst fängt nächste Woche der andere an!" Die Antwort schoss wie eine Kanonenkugel heraus: "Ja! Ich mach's!" Im Nachhinein glaube ich, dass meine Eltern nie damit gerechnet hätten, dass der Rebell, der ich damals in den Jugendjahren gewesen bin, zu einem Bürojob - den ich niemals haben wollte - im Unternehmen seines Vaters ja sagen würde.
Noch am selben Nachmittag kündigte ich meinen Job als Elektroniker, und eine Woche später fing ich im Büro des Handelsunternehmens meines Vaters und seiner Partner an. Ich wusste, wenn ich ohne Oberschulabschluss jemals in einem Handelsbusiness Erfolg haben wollte, dann war das jetzt meine Chance. Und ich nutzte diese Chance. Ich wollte all das, was ich ohne Matura (Abitur) und Studium verpasst hatte, in diesem Unternehmen nachholen. Ich interessierte mich für jedes noch so unwichtig erscheinende Detail der Branche, wollte in jedem Bereich des Unternehmens arbeiten und alles lernen, was es zu lernen gab. Die Sorge, dass das Unternehmen scheitern könnte und ich somit wieder zurück in mein altes Leben müsste, motivierte mich jeden Tag aufs Neue. Bald schon gehörten meine persönlichen Umsätze und Gewinnzahlen zu den höchsten des Unternehmens, und ich wurde in der Branche schon früh auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Neben meinem beruflichen Erfolg war ich auch bestrebt, meinen sozialen Anteil für die Gesellschaft zu leisten. Diesen fand ich im Rettungsdienst, den ich ehrenamtlich mehrmals in der Woche in den Nachtstunden leistete. Ich mochte es, Menschen auf diese Art und Weise zu helfen, doch je älter ich wurde und je mehr Verantwortung ich im Unternehmen übernahm, desto mehr zehrten die schlaflosen Nachtstunden als "Retter in der Not" an meinen Kräften. Um meinen unternehmerischen Erfolg nicht zu gefährden, quittierte ich nach 15 Jahren mein geliebtes soziales Engagement und konnte ab diesem Zeitpunkt noch mehr Zeit in das Unternehmen investieren. Der Begriff "Unternehmen first!", der ab diesem Zeitpunkt mein Credo und ständiger Begleiter wurde, war geboren!
In sportlicher Hinsicht konnte ich auf eher weniger erfolgreiche Jugendjahre zurückblicken. Wie so vielen Jugendlichen machte es auch mir große Freude, einem Ball hinterherzulaufen und ihn in die Maschen zu treten. Vielleicht war ich nicht der ungeschickteste Spieler, aber da ich nie große Ambitionen hatte, im Profibereich tätig zu werden, war ich sicher einer der Faulsten. Training war für mich ein Graus, und nur im Spiel fand ich die nötige Motivation, Gegnern und Ball hinterherzulaufen. Diese Einstellung machte aus mir einen Spieler, der in den untersten Ligen von Verein zu Verein wechselte, und mein Durchbruch und Erfolg in dieser Ballsportart lag in so weiter Ferne, dass ich mich ebenso gut in Wettbewerbe für Synchronschwimmer hätte einschreiben können. Auch mein großer Freundeskreis, den ich während meiner Jugendjahre in Schule, Sportvereinen und Rettungsdienst aufgebaut hatte, verringerte sich als Unternehmer zusehends. Ich musste dies schmerzlich bei meinem Junggesellenabschied 2018 feststellen, als mein Bruder nur mit Mühe und Not eine Handvoll Freunde fand, die mit mir den Tag feiern wollten. Ein paar Jahre vorher konnte ich zu meinem dreißigsten Geburtstag noch einen ganzen Reisebus füllen. Aber ehrlich gesagt interessierte es mich nicht, wie ich auf meine Mitmenschen wirkte, sondern nur, dass die Zahlen unseres Unternehmens stimmten. Gespräche, die sich nicht um Unternehmensprozesse und -wachstum drehten, langweilten mich, und so verbarrikadierte ich mich immer mehr in meinem Büro hinter Schreibtisch und Erfolgszahlen. Einzig meine damalige Freundin und jetzige Frau Isabel stellte sich tapfer meinen nicht enden wollenden Monologen über die Vorgänge im Unternehmen. Sie war mein Fels in der Brandung und ist es noch heute. Wir haben uns 2011 im Rahmen einer Veranstaltung kennengelernt, und schon bald darauf waren wir ein unzertrennliches Paar. Den Kinderwunsch habe ich dem Unternehmen zuliebe immer auf später verschoben, bis das Später dann zu spät war. Wie schon erwähnt: "Unternehmen first!"
November 2019: Unser Unternehmen ist für mich immer mehr zum Sinn des Lebens und zu meinem Zuhause geworden. Der Betrieb hat die letzte große Finanzkrise überstanden, die Welt scheint wieder in Ordnung zu sein und einfach ihren gewohnten Lauf zu nehmen. Mittlerweile bin ich 40 Jahre alt, und durch meinen unermüdlichen Einsatz wurde ich Teilhaber und Geschäftsführer des Unternehmens.
Ich würde mich als klassischen Unternehmer bezeichnen, der sich rühmt, zwölf Stunden am Tag im Büro zu sitzen und alles dem Beruf unterzuordnen. Wie viele andere auch bin ich der Überzeugung, dass Umsatzwachstum und das daraus resultierende Ansehen in der Gesellschaft die heiligen Grale sind. Ich lebe in dem Glauben: Man muss nur hart genug arbeiten, dann kann man sich später alle privaten Träume erfüllen. Deshalb gehe ich eifrig und ohne Kompromisse meiner Arbeit nach, und für meinen längst überfälligen Burnout habe ich schlicht und einfach keine Zeit. Im Verhältnis zum steigenden Umsatz unseres Unternehmens stieg die letzten Jahre die Mitarbeiterzahl und proportional dazu wurde auch unser Büro immer größer und schicker.
Der Aufbau meines Unternehmens (Stand November 2019)
Meine Träume finden mittlerweile nur noch im Geschäft sführerbüro hinter geschlossenen Türen in Form der erwarteten Verkaufszahlen statt. Wir...
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