Schweitzer Fachinformationen
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»Das liest sich wie der Wikipedia Eintrag von einer Fünfzehnjährigen.« Theo Neumann knallt den Artikel sechstausend Kilometer entfernt von Gwen auf den Schreibtisch und lehnt sich in seinem quietschenden Ledersessel zurück. »Dachte, dass du mittlerweile ein bisschen mehr Biss bekommen hast, Hardwig. Das hätte auch von meiner Stieftochter sein können. Und das letzte Mal als ich mit dem verwöhnten Balg gesprochen habe, hat sie Hemingway für diesen Thor Schauspieler gehalten.«
»Chris Hemsworth?«
»Sehe ich so aus, als würde mich das ernsthaft interessieren?« Er fuchtelt wild mit dem Zeigefinger vor der Webcam herum. »Du weißt ganz genau, was ich dir damit sagen will.«
Natürlich weiß sie das. Sie wusste es streng genommen schon, bevor sie das Videotelefonat aus den USA heraus mit dem Chefredakteur des Panorama Echos in Deutschland gestartet hatte. Der Artikel, den sie ihm zuvor per E-Mail zukommen lassen hatte, ist schlecht. Von hinten bis vorne eine Ansammlung distanzierter Fakten, die jeder Idiot innerhalb weniger Minuten im Internet finden kann. Aber es ist alles, was Gwen ihm aktuell bieten kann und sie hat gehofft, sich damit zumindest etwas Zeit zu erkaufen. Doch als sie jetzt in die Haifischaugen ihres Chefs blickt, ist ihr klar, dass ihre Zeit so gut wie abgelaufen ist. Als sich diese Erkenntnis vorsichtig in ihrem Kopf sammelt, bäumt sich wie üblich Widerstand in ihr auf. Aufgeben war noch nie ihr Ding.
Sie lehnt sich nach vorne, näher zur Kamera hin, und stützt sich mit den Ellenbogen auf ihren Holzschreibtisch. »Hör mal, ich weiß, dass das Mist ist, aber sieh es einfach als einen groben Entwurf. Ein Skelett, das ich nur noch mit Leben füllen muss.«
»Leben, hm? Und wo glaubst du, dieses Leben zu finden? Nach allem, was wir wissen, könnte der Typ bereits tot sein, ohne dass wir was gemerkt haben. So viel zum Leben.« Theo wedelt wild mit einem ausgedruckten Steckbrief vor der Kamera herum, darauf zu sehen ist eins der wenigen Bilder, die Gwen von Arthur Jenkins hat finden können.
»Er feiert nächsten Monat seinen Geburtstag, also gehe ich davon aus, dass er wohl eher nicht tot ist. Das wird eine riesige Party, für die angeblich das gesamte Langham hier in Boston reserviert worden ist.«
»Woher weißt du das?« Theo Neumann verengt die Augen misstrauisch und beäugt sie scharf. Als Gwen nicht sofort antwortet, deutet er mit dem Finger drohend auf sie. Oder vielmehr auf die Kamera. »Sag mir nicht, dass du Meier wieder dazu gebracht hast Computer in Übersee zu hacken?«
»Okay. Ich sag es nicht.«
»Scheiße, Hardwig! Lass den Jungen endlich in Ruhe seinen gottverdammten Job machen. Er soll dafür sorgen, dass die Rechner laufen und die Mäuse klicken und nicht für dich auf mysteriöse Millionärsjagd gehen. Ehrlich, was ist das mit dir und diesem Jenkins?«
»Gar nichts. Außer der offensichtlichen Tatsache, dass er eins der größten Mysterien unserer Zeit ist. Er ist CEO von dem Unternehmen mit einer der legendärsten Privatarmeen der Welt! Moderne Söldner, die ihre Dienste angeblich den schmutzigsten Männern anbieten, wenn diese nur genug Geld haben. Wie kann das für unsere Leser nicht interessant sein?«
»Das ist es, keine Frage. Aber das hier .« Er deutet auf die losen Blätter auf seinem Tisch, als läge da stattdessen ein Hundehaufen. ». liest sich wie ein Schulaufsatz. Ich kenne deine Arbeiten und die sind grandios. Deswegen nehme ich an, dass das Thema Arthur Jenkins eine Nummer zu groß für dich ist. Vielleicht sogar für jeden Reporter auf diesem Planeten, denn wenn dieser Mann etwas beherrscht, dann ist es sich abzuschotten. Und das vermutlich aus einem ganz einfachen Grund: Wie viele auf der Welt trachten wohl nach seinem Leben, hm? Dass er eine ehrgeizige Journalistin nicht in eben dieses Leben lässt, ist reiner Selbstschutz. Ich sag dir das, Hardwig, weil ich nicht glaube, dass du zu schlecht für den Job bist. Ich sage dir das, weil ich glaube, dass Jenkins schlichtweg zu gut in seinem ist.« Gegen Ende der Rede ist Theos Stimme sanfter geworden und das passiert bei ihm äußerst selten. Er zieht beide Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln in die Höhe, wodurch sich der dichte, grau melierte Bart um den Mund eigenartig verformt. Theo ist ein guter Kerl und ein noch besserer Chef, der ein wenig zu sehr einen Narren an Gwen gefressen hat. Bereits während ihres Praktikums in der Hamburger Redaktion, bei dem sie schon andauernd davon sprach, als Auslandskorrespondentin in die USA zu gehen, wollte er sie übernehmen und ihr diesen Traum erfüllen. Dabei gab es ältere, erfahrenere Journalisten, die, trotz Gwens gutem Amerikanistik Studium und dem Masterabschluss, den sie sogar in Boston absolvierte, für den Job infrage kamen, denn sie war nicht einmal herausragend gut. Doch Theo sah wohl etwas Besonderes in ihr. Ihre Leidenschaft und Aufopferungsbereitschaft. Er stimmte sogar zu, dass sie ihr Korrespondentenbüro nach Boston verlegte, obwohl die meisten ihrer Kollegen in New York oder Washington sitzen. Weil er wusste, dass einer der Hauptantriebe, der ihre Leidenschaft erst entflammen ließ, eng mit diesem Ort verknüpft war. Ihr Vater lehrte hier als Gastdozent einige Jahre lang Geschichte und sprach immer noch von dem vielschichtigen Leben in Boston. Oft hatte sie ihn dabei ertappt, wie er sich alte Fotos aus der Zeit ansah und sich sein Gesicht daraufhin veränderte. Melancholisch und sehnsüchtig wurde. Während Gwen in einem beschaulichen Örtchen im Norden Frankfurts aufwuchs, geschah dies so häufig, dass sie immer drängender das Bedürfnis verspürte dieser Sehnsucht, die sie auch während der zwei Jahre, die sie während des Studiums in dieser Stadt verbrachte, nie verstand, auf den Grund zu gehen.
Doch bis heute ist sie Theo Neumann die Lorbeeren schuldig, die er in ihr zu finden glaubte, als er sie in die USA schickte, um ihm von hier aus interessante Kultur- und Wirtschaftsthemen zu liefern. Und schuld daran ist zum großen Teil dieser verfluchte, mysteriöse Brief, der sich, eingeschweißt in Klarsichtfolie, in ihrer Umhängetasche befindet. Den sie überall hin mitnimmt. Sie wünscht, dass sie sich davon losmachen könnte, so wie es Theo gerne hätte, aber Gwen weiß, dass das nicht in ihrer Natur liegt. Deswegen wurde sie Journalistin. Sie will die Welt verstehen, Geheimnisse lüften und mit allen teilen. Besonders, wenn ein solches Geheimnis urplötzlich in ihrem Briefkasten auftaucht. So wie dieser Brief.
»Gib mir einen Monat. Nur noch Jenkins Geburtstag und wenn sich daraus nichts ergibt, dann verspreche ich dir, dass ich eine Zeit lang nach New York gehe und mich da um den ganzen anderen Kram kümmere.«
»Mir ist das mit dem Geburtstag nicht geheuer. Was auch immer du da planst, ist vermutlich hochgradig illegal.«
»Hochgradig ist jetzt etwas übertrieben.« Gwen rollt mit den Augen.
»In Bezug auf dich ist nichts übertrieben.« Ihr Chef schmunzelt und Gwen erkennt in der Geste seine Kapitulation. Wie könnte er auch ablehnen? Es ist schließlich das erste Mal seit einem halben Jahr, dass sie ihm verspricht das Thema ruhen zu lassen. Sogar mit einer konkreten Deadline. Auch wenn sie nicht weiß, ob sie das tatsächlich könnte. Von etwas abzulassen, was ihr Interesse geweckt hat, fällt ihr alles andere als leicht. Ihre Freizeit verbrachte sie schon immer damit, Menschen hinterherzuspionieren oder in der Bibliothek so hohe Bücherstapel zu horten, dass man dahinter nicht einmal ihren zerzausten, braunen Knoten auf dem Kopf erkennen konnte. Vermutlich wird sie nachgeben, sich offiziell anderen Projekten widmen und heimlich weiter an ihrer Geschichte um den geheimnisvollen Geschäftsführer arbeiten.
»Danke, Theo!« Gwen ist dabei das Gespräch zu beenden, als er noch mal kurz das Wort an sie richtet.
»Der Titel ist jedoch gut, den solltest du behalten.«
Sie sieht auf die Überschrift des Artikels, der ebenfalls vor ihr liegt, und schmunzelt.
Der König und seine Armee.
Es klingelt exakt zweimal, bis das Videogespräch angenommen wird und ein ihr bekanntes Gesicht auf dem Bildschirm erscheint.
»Oh nein, weiche von mir, du Ursprung allen Übels!«
»Hey, Jonas.«
Jonas Meier, der IT-ler der Zeitung, rutscht in seinem Stuhl demonstrativ ein paar Zentimeter nach hinten und hebt abwehrend die Hände. Auch wenn es natürlich ein Leichtes für ihn wäre, das Gespräch zu beenden. Aber das möchte er eigentlich gar nicht, weil Gwens Wünsche zwar in der Regel Ärger bedeuten, er aber eine mindestens ebenso neugierige Seele ist wie sie.
»Egal, was du von mir willst, ich mach es nicht.« Er schüttelt den Kopf so vehement, dass seine blonden Locken von rechts nach links wirbeln.
»Und wenn ich nur mit dir reden will?« Gwen neigt unschuldig lächelnd den Kopf.
»Du willst nie nur reden.«
»Okay, schön.« Seufzend rollt sie mit den Augen. »Aber wenn ich dir verspreche, dass es das letzte Mal ist?«
»So wie das letzte Mal das letzte Mal war?«
»Diesmal kommt es aber von Theo...
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