Schweitzer Fachinformationen
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Auch wenn man es bei unserem Bandnamen denken könnte, in Wahrheit ist es so: Ich komme nicht aus Rostock. Sondern aus Zinnowitz, einem kleinen Ort auf der Insel Usedom, der ein bisschen mehr als dreitausend Einwohner umfasst. Wind, Sonne, Wellen, ein langer Sandstrand mit einer Reihe Hotels in klassischer Bäderarchitektur in vorderster Reihe, dahinter ein Haufen kleiner, geduckter Häuser und ein Schwung Plattenbauten mit abblätterndem Putz. Als besonderes Highlight die 315 Meter lange Seebrücke mit der «legendären» Tauchgondel am Ende, mit der man wie in einem Fahrstuhl in die Ostsee eintauchen kann, ohne nass zu werden. «Legendär», weil irgendwie niemand daran gedacht hat, dass die Ostsee halt nicht gerade aussieht wie das karibische Meer. Das Wasser ist sehr bewegt, wirbelt den Sand auf dem Boden auf, und so sieht man die meiste Zeit . rein gar nichts in dieser Tauchgondel.
In meiner Jugend gab es die Gondel noch nicht, aber die Seebrücke spielte trotzdem schon immer eine wichtige Rolle für mich, dazu später mehr. Ansonsten ist Zinnowitz für mich nichts weiter als der Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Der Ort, an dem meine Reise losging, eine Reise in eine ganz andere Welt, in ein ganz anderes Leben. In dieses schöne, spannende, aber auch anstrengende Leben, das ich nur führen kann, weil ich Zinnowitz irgendwann den Rücken gekehrt habe.
Und trotzdem gehört dieser Ort auf der schönen Insel Usedom natürlich zu meiner Geschichte. Ohne Zinnowitz keine Jennifer. Und auch kein Joe. Ohne Jennifer und Joe kein Jennifer Rostock. Und ohne die Jahre als Frontfrau von Jennifer Rostock würde ich jetzt weder als Yaenniver auf der Bühne stehen und mein erstes Soloalbum live performen noch dieses Buch hier veröffentlichen können, mit dessen Songs und Geschichten ich mich, wie schon gesagt, genau das mache, was der Titel besagt: nackt. Und deshalb muss ich auch noch mal dahin zurück, wo alles begann.
Wolgast, Sommer 2000. Vor der riesigen Bühne der Hafentage feiern einige Hundert Menschen in der prallen Sommersonne. Ich stehe seitlich davor und zupfe aufgeregt meinen schwarzen Rollkragenpullover zurecht. Schwarz ist meine Farbe - ich bin dreizehn und trage seit einiger Zeit nichts anderes mehr: schwarzer Pulli, schwarze Jeans, schwarze Boots. Aber nicht nur meine Kleidung darf keine andere Farbe mehr haben, auch meine Haare sind schwarz gefärbt, meine Augenbrauen komplett weggezupft und mit schwarzem Kajal nachgemalt, dazu habe ich schwarzen Lidschatten, schwarzen Eyeliner und Wimperntusche aufgetragen. Für diesen Look brauche ich jeden Morgen fast zwei Stunden, und an Schultagen stehe ich deshalb um 4.30 Uhr auf. Doch natürlich mache ich mich nicht nur für die Schule so lange zurecht, sondern hauptsächlich für die Freizeit danach.
Meine beste Freundin Antje wohnt in Karlshagen, wir haben uns über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Wir gehen zwar nicht auf dieselbe Schule, aber manchmal treffen wir uns danach noch in Wolgast und gehen zusammen ins örtliche Jugendhaus. Dort singe ich zum ersten Mal Karaoke und bin sofort total angefixt davon. Erst traue ich mich nur, vor Antje zu singen, aber als das Jugendhaus dann einen Karaoke-Abend veranstaltet und sie mich dazu anmeldet, springe ich über meinen Schatten und singe dort das erste Mal vor richtigem Publikum. Ein Mädchen in der ersten Reihe berührt mein Gesang so sehr, dass ihr ein paar Tränen die Wange runterkullern. Ich bin wiederum so gerührt von ihrer Reaktion, dass ich fast selbst anfange zu weinen. Nach meinem Auftritt kommt sie zu mir, umarmt mich und sagt: «Deine Stimme ist der Wahnsinn, du musst Sängerin werden!»
Im Jugendhaus habe ich bisher vor vielleicht zwanzig Menschen gesungen, hier auf den Wolgaster Hafentagen stehen aber gerade Hunderte Zuschauer vor der Bühne. Ich habe das Gefühl, nicht nur ganz Wolgast, sondern auch halb Zinnowitz und meine komplette Schule haben sich hier versammelt. Was hab ich mir nur dabei gedacht, mich hier anzumelden? Ich habe schweißnasse Hände, und mein Puls schlägt mir bis zum Hals. Nervös ziehe ich meinen Zopf zurecht, obwohl ich so viel Gel benutzt habe, dass er eh keine Chance hat, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Und bevor ich es mir anders überlegen kann, ruft der Moderator auch schon meinen Namen.
«Sie kommt aus Zinnowitz und singt von Natalie Imbruglia - Applaus für Jennifer Weist!»
Mit zitternden Knien steige ich die kleine Treppe seitlich der Bühne hinauf und nehme das Mikrofon entgegen, das der Moderator mir hinhält. Die Menschenmenge blickt gespannt zu mir auf, und für einen Moment flimmert es vor meinen Augen. Doch dann erklingen die ersten Takte des Songs aus den riesigen Lautsprecherboxen zu beiden Seiten der Bühne, und schlagartig verfliegt meine Aufregung - so wie sie es immer tut, wenn es endlich losgeht. Also hebe ich das Mikrofon zum Mund und fange an zu singen.
Schon mit den ersten Tönen verändert sich etwas im Publikum: Die Menschen unten vor der Bühne, die gerade noch herumgewuselt, gegrölt und wild herumgestikuliert haben, stehen plötzlich still da und lauschen meinem Gesang. Ich genieße diesen Moment sehr, denn vor so vielen Menschen habe ich noch nie gesungen. Doch ein paar Sekunden später ist es schon wieder vorbei - die Zeit scheint zu rasen, wenn ich auf einer Bühne stehe. Das Publikum klatscht und jubelt mir zu, während ich überwältigt dastehe und den Applaus genieße. Oh ja, das hier ist genau mein Ding!
Am liebsten würde ich jetzt nicht gehen, sondern direkt ein ganzes Konzert geben, doch aus dem Augenwinkel sehe ich, dass der nächste Sänger schon die Treppe hinaufkommt und sich bereit macht, deshalb brülle ich noch schnell «Danke schön!» in die Menge, drücke dem Moderator das Mikro in die Hand und verlasse die Bühne.
«Jennifer!», schreit meine Freundin Antje, die neben der Bühne auf mich gewartet hat, und winkt mir zu. «War voll geil!», sagt sie, und dann laufen wir zusammen wieder bis vor die Bühne, um uns die nächsten Auftritte anzusehen. Doch weil der Typ nach mir irgendeinen Schlagersong singt, auf den wir absolut keinen Bock haben, beschließen Antje und ich, mal zu schauen, was auf den Hafentagen noch so geht. Nachdem wir uns erneut durch die Massen gequetscht haben und nun wieder dort stehen, wo Antje mich vorhin abgeholt hat, tippt mir plötzlich jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht von Hannes. Das ist zu dieser Zeit sein Spitzname, eigentlich heißt er Johannes. Erst später wird daraus Joe. Joe kommt auch aus Zinnowitz; wir sind in denselben Kindergarten und dieselbe Grundschule gegangen und gemeinsam aufs Gymnasium gewechselt, aber trotzdem haben wir bis jetzt nie wirklich etwas miteinander zu tun gehabt. Ich weiß nur zwei Sachen über ihn:
Er ist krass gut in der Schule.
Er spielt Keyboard in unserer Schülerband No Fame.
«Hallo!», sagt Joe und lächelt schüchtern. «Ich wollte nur sagen, dass ich deinen Auftritt voll gut fand! Du hast eine tolle Stimme!»
Wie lieb von ihm, dass er mir das sagt. «Danke!», antworte ich und lächle zurück. Doch als er sich danach kurz räuspert, weiß ich, dass er nicht nur zu mir herübergekommen ist, um mir ein Kompliment zu machen. «Wir suchen eine zweite Sängerin für die Schülerband, hättest du Lust, vielleicht mal bei einer Probe vorbeizukommen?», fragt er, und ich reiße die Augen auf. Damit habe ich nicht gerechnet. Als ich über seine Schulter blicke, sehe ich, dass die anderen Bandmitglieder auch da sind und zu uns rübersehen. «Haben die dich vorgeschickt?», frage ich grinsend und zeige auf Mirko, Benno und Konrad, die sofort weggucken, als sie merken, dass ich sie entdeckt habe.
Joe und ich lachen, und ich tue so, als müsste ich kurz über sein Angebot nachdenken. Dabei raste ich innerlich gerade vollkommen aus. Wie geil wäre es, bitte schön, in so einer richtigen Band zu spielen? Natürlich habe ich Bock, antworte aber betont cool: «Klar, kann ich machen», als wäre das überhaupt kein großes Ding für mich.
Dann kommt mir plötzlich ein Gedanke: Warum sollte ich nicht eine kleine Gegenleistung von Joe verlangen? Soviel ich weiß, spielt er nicht nur Keyboard, sondern singt auch die zweite Stimme in der Band. «Unter einer Bedingung .», füge ich deshalb noch schnell hinzu und hebe dabei den Zeigefinger.
«Okay! Welche denn?», fragt Joe und runzelt die Stirn.
«Wir singen jetzt einen Song Karaoke zusammen!», sage ich und schaue ihn erwartungsvoll an.
Joe zögert kurz, weiß aber, dass er aus dieser Nummer nicht mehr rauskommt. «Okay, ist gebongt!», erwidert er schließlich, und zusammen machen wir uns auf den Weg neben die Bühne, wo man sich einen Song raussuchen und in die Warteliste eintragen lassen kann.
Und keine halbe Stunde später stehen wir beide auf der Bühne und singen «Another Day in Paradise» von Phil Collins. Mein Gesang schallt so laut aus den Monitoren, dass Joe sich den Zeigefinger ins rechte Ohr drücken muss, um sich selbst noch irgendwie hören zu können. Schließlich will er unser Duett nicht vermasseln. Ich schaue zu ihm rüber und muss lachen, weil er jetzt zwar gut singt, dabei aber etwas unbeholfen aussieht. Erst heute ist mir bewusst, wie krass musikalisch Joe damals schon war: Spontan mal so eine zweite Stimme singen - könnte ich heute noch nicht. Als wir von der Bühne kommen, klatschen wir uns gegenseitig ab. Wir sind uns einig, dass das ein ziemlich geiler...
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