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Wenn Höhenflüge tödlich enden - Liv Lammers ermittelt in ihrem neunten Fall in einer besonders abgründigen Serie vermeintlicher Unfälle auf Sylt
Lange hat sich Hochzeitsplanerin Jaline Amundsen auf ihren Tandemsprung über Sylt gefreut. Doch der Fallschirm öffnet sich nicht. Die abenteuerlustige junge Frau stirbt durch den Aufprall, ihr Begleiter überlebt schwer verletzt. Da sich die Hinweise auf Fremdverschulden schnell verdichten, nehmen Kommissarin Liv Lammers und ihre Kollegen von der Mordkommission Flensburg die Ermittlungen auf. Noch während die Kommissare ersten Spuren nachgehen, kommt es zu weiteren gefährlichen Unfällen auf der Insel, teilweise mit tödlichem Ausgang. Lange scheint es zwischen den Fällen keinen Zusammenhang zu geben. Dann aber fällt Liv etwas auf ...
Westerland, Donnerstag, 25. Juli, 14.20 Uhr
Lachen kribbelte in ihrem Bauch. Sie lagen auf der Wiese und ruderten zwischen Gänseblümchen, Löwenzahn und versprengtem Dünengras mit Armen und Beinen. In den Gesichtern der anderen erkannte sie Anspannung, aber auch Angst. Jaline lächelte einer älteren Frau auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises zu, deren verkrampfte Züge sich durch ihre Aufmunterung ein wenig aufhellten.
». direkt nach dem Absprung den Kopf weiter im Nacken halten und die Hände am Gurtzeug. Immer schön im Hohlkreuz bleiben, die Hüfte vorschieben. Die Beine winkelt ihr nach hinten an, am besten so, dass ihr mit den Füßen den Po eures Tandemmasters berührt.«
Nervöses Lachen in der Runde. Nur Steffen strahlte vor Freude. Die Falten im sonnengebräunten Gesicht des Tandemmasters verrieten eine Lebenslust, die Jaline unwiderstehlich fand. Der Gedanke daran, im Gurtzeug an ihn gebunden und ihm in viertausend Metern Höhe in gewisser Weise ausgeliefert zu sein, erregte sie unvermittelt heftig.
Eine Bewegung zog ihren Blick auf sich. Zwischen den anderen Fallschirmspringern, Begleitern und Schaulustigen stand Maximilian. Affig in seiner weichgezeichneten Kleidung, ein Albtraum in Pastell. Er funkelte sie an, schüttelte missbilligend den Kopf, und sofort fühlte Jaline sich ertappt. Stechender war nur der Blick von Steffens Ehefrau. Jaline verzog verärgert das Gesicht. Als ob der unschöne Streit mit ihrer Schwester eben nicht gereicht hätte! War Celina wirklich wutentbrannt davongerast? Oder hielt sie sich zwischen den anderen Zuschauern versteckt und würde sie nach der Landung in die Arme schließen?
Mit großer Geste kramte Maximilian das Handy aus der Tasche seines Jacketts. Es war unheimlich zu sehen, wie er ihre Gedanken und Gefühle zu lesen schien. Seine Eifersucht nervte sie. Dabei hatte sie von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Sie hatte keinen Bock auf eine feste Beziehung, so etwas war ihr viel zu anstrengend und zu zeitraubend. Doch zunächst war alles gut gewesen: Sie hatten die Finger nicht voneinander lassen können, hatten jede freie Minute miteinander verbracht. Irgendwann aber hatte er angefangen, Ansprüche zu stellen, Fragen zu stellen, ihr nachzuforschen. Wenn sie sich nicht so verhielt, wie er es wollte, konnte er richtiggehend einschüchternd werden. Wie sie sich in ihm getäuscht hatte!
Jaline unterdrückte ein Seufzen. Es wurde Zeit, dass sie ihn loswurde. In den letzten Wochen hatte sie Maximilian bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich trennen wollte. Aber er fand immer wieder einen anderen Vorwand, diese Entscheidung hinauszuzögern. Und dann war da noch das, was sie von einer Freundin erfahren hatte. Sie hatte es nicht glauben können, bis sie Beweise gesehen hatte. Jaline schauderte. Sie würde Schluss machen, so schnell wie möglich. Überhaupt würde sie einiges ändern, so schwer es ihr auch fiel und so viel Stress sie dadurch auch bekommen würde.
Maximilians Blick zielte auf das Handydisplay, vorwurfsvoll. Wie er schon dastand zwischen den sportlichen, legeren Typen, in seinem teuren babyblauen Jackett und den handgenähten beigen Schuhen! Und das bei diesen Temperaturen! Dabei hatten sie es ja noch gut: Während ganz Deutschland unter einer Hitzewelle ächzte, wehte auf Sylt bei siebenundzwanzig Grad ein angenehmes Lüftchen. Auf Sylt wurde es nie zu heiß. Perfektes Wetter für ihre Vorhaben.
Maximilian hob das Smartphone ans Ohr, verschwand stirnrunzelnd zwischen Wohnwagen und Hütten. Was für ein Wichtigtuer! Als wäre er ein Big Player auf dem Börsenparkett. Dabei war er ein einfacher Konditor, auch wenn er sich Patissier und Chocolatier nannte. Wobei sie zugeben musste, dass seine Hochzeitstorten die besten waren. Jaline schüttelte ihren Ärger ab und wandte sich wieder Steffen und den anderen Fallschirmneulingen zu. Sie konnte es kaum erwarten, endlich mit dem Flugzeug in den Sylter Himmel aufzusteigen und sich in die Tiefe zu stürzen.
Die Vorfreude auf den Kick ließ Adrenalin durch ihre Adern schießen. Es musste ein Traum sein, zwischen Himmelsgewölbe, Dünen, Strand und Meer zu schweben. Warum war sie eigentlich noch nie Fallschirm gesprungen? Sie wusste von ihren Kunden, dass dieses Erlebnis auch ein beliebtes Hochzeitsgeschenk war. Zum wichtigsten Tag im Leben ein unvergessliches Erlebnis - perfekt.
»Wir sind jetzt im Freifall .«, forderte Steffen ihre Aufmerksamkeit ein. »Dieser wird ungefähr fünfundvierzig bis sechzig Sekunden dauern. Ihr behaltet die Körperspannung bei. Beine angewinkelt lassen und Hände im Gurtzeug. Erst wenn der Tandemmaster euch auf die Schultern klopft, dürft ihr langsam die Hände lösen und die Arme ausbreiten. Und dann nur noch genießen .«
Ihre Blicke trafen sich, und Jaline wusste, dass sie auch anderweitig bei ihm würde landen können. Ob seine Frau zu einem ähnlichen Schluss gekommen war? Diese hatte soeben auf der Hacke kehrtgemacht und marschierte nun mit wutverzerrtem Gesicht davon.
***
Maximilian beendete das Telefonat und schob sich zwischen den Schaulustigen hindurch. Es waren erstaunlich viele ältere, biedere Urlauber darunter, die mit ihren Klappstühlen und Kühltaschen verwachsen zu sein schienen. Daunenwesten über Poloshirts, weiße Schatten von Sunblockern auf der Nase. Ein harter Kontrast zu den verwegen wirkenden Fallschirmspringern, die für den Wettbewerb im Formationsspringen angereist waren, der nach den Tandemsprüngen beginnen sollte. Junge Männer, aufgedreht, mit ihrem Equipment angebend. Berufsjugendliche, deren dunkler Teint und langes Haar erahnen ließen, dass ihnen Arbeit fremd war. Daneben wirkten die aufgeregten Tandemspringer, als hätten die meisten ihren Wagemut längst als Leichtsinn entlarvt. Gespannt schauten sie ihren sogenannten Tandemmaster an: ein Kerl wie ein Schrank, testosteronstrotzend. Unfassbar, dass Jaline auf einen wie ihn hereinfiel! Nicht auszuhalten, wie sie ihn anhimmelte! Er würde ihr nachher klarmachen müssen, dass sie sich als Frau an seiner Seite nicht mit derartigen Proleten abgeben durfte.
Maximilian warf einen erbosten Blick in ihre Richtung. Vor mehr als einer Stunde waren sie hier angekommen, und Jaline hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn stehen zu lassen wie einen Deppen. Seitdem war er auf dem Sprungplatz herumgestromert und hatte sie beobachtet.
Er strich an flatternden Fahnen und Hängematten vorbei, an einem schwelenden Grill und einer Schubkarre, in der Softdrinkdosen zwischen Eiswürfeln schwitzten. Peinlicher Unterschichtschic, der unter dem Schlagwort »Vanlife« massentauglich gemacht wurde.
Ein Obstteller auf einem improvisierten Campingtisch schien nach ihm zu rufen. Die Birnen sahen herrlich aus. Kurz vergewisserte Maximilian sich, dass er unbeobachtet war, dann schnappte er sich eine. Hitze stieg ihm in die Wangen. Schnell weiter! Hoffentlich hatte niemand ihn gesehen. Das wäre ja was, wenn er als inselbekannter Patissier des Mundraubs bezichtigt würde!
Auf dem Flugfeld rollte die Turboprop an, mit der Jaline und die anderen Lebensmüden gleich abheben würden. Das einmotorige kleine Flugzeug war bunt bemalt, albern, wie Maximilian fand. Er entfernte sich noch ein Stück, holte sein Klappmesser aus der Tasche und schälte die Birne sorgfältig; die Schalen warf er ins sonnengedörrte Gras. Die Frucht war saftig, und doch blieb sie ihm vor Ärger über Jaline im Hals stecken.
Laute Stimmen drangen aus dem ausrangierten, mit schrillen Graffiti besprühten Transportcontainer, aus dem vorhin das Material geholt worden war. Gleich darauf schoss ein schlaksiger Mann in einem blau-schwarzen Overall heraus, ihm folgte ein zweiter, muskulös, in affigen Thermoleggings und hautengem Shirt. »Wenn das rauskommt, bist nicht nur du geliefert!«, rief er dem Schlaks hinterher, schloss den Container zu und wandte sich ab. Der andere würdigte ihn jedoch keines Blickes.
Maximilian überlegte gerade, worüber die beiden wohl gestritten hatten, als die Containertür mit einem leisen Quietschen einen Spaltbreit aufsprang. Abwägend sah er sie an. Jaline suchte den Kick? Er würde ihr zeigen, was kickte!
Der Schub presste sie aneinander, als die Cessna Caravan dröhnend in den Himmel aufstieg. Jaline saß mit den anderen Fallschirm- und Tandemspringern in einer Reihe, jeder zwischen den Beinen des Vormanns. Ihr Puls klopfte wie wild, sie glühte innerlich und fühlte sich, als müsste die Energie wie Scheinwerferlicht aus ihren Augen strahlen. Für diese Momente lebte sie!
»Aufgeregt?«
Seine tiefe Stimme war im anschwellenden Orchester von Flugzeug und Luftwiderstand kaum hörbar. Steffens Atem kitzelte ihren Hals. Sie neigte den Kopf ein wenig, sah sein Lächeln unter Sprungbrille und Helm. »Ein bisschen. Deinetwegen«, sagte sie, spitzte lächelnd die Lippen und ließ sich an ihn sinken, wogegen er nichts zu haben schien.
Die Pilotin gab das Zeichen, dass die Flughöhe erreicht war. Viertausend Meter lagen jetzt zwischen ihnen und dem Erdboden - was für ein Wahnsinn! Die Aufregung um Jaline herum war beinahe mit den Händen zu greifen. Ein Helfer öffnete die Luke, und einer nach dem anderen rutschte auf dem Hosenboden an die Kante. Jaline nahm kaum wahr, wie brutal der Wind an ihr riss, so gebannt war sie von dem Anblick, der sich ihr bot: Unter ihnen lag Sylt, ein schmaler Streifen Land in der unendlich scheinenden Weite der Nordsee. Funkelnd brandeten die Wellen gegen den weiß schimmernden Strand....
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