Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Houston - we have a problem!«
JACK SWIGERT, APOLLO 13
Wir wollten den ganz großen Wurf schaffen. Unsere Musikstreaming-Website hatte zwar bisher einige Erfolge feiern können, aber der große Durchbruch stand noch aus. Wir hatten uns nicht dem Trend angeschlossen, einen On-demand-Service à la Spotify zu bauen. Das hätten wir uns auch gar nicht leisten können. Damit sich Nutzer:innen (fast) jeden Song der Welt aufs Smartphone holen können, muss man sehr viel Geld auf den Tisch legen. Wir hatten aber einen Weg gefunden, dennoch Millionen von Songs anbieten zu können. Wenn man im Internet das gute alte Radioprogramm anbietet, wobei der Nutzer keinen Einfluss hat, welcher Song als Nächstes gespielt wird, dann sind die Musiklizenzen um ein Vielfaches günstiger. »Your Personal Radio« - das war unser Claim. Nach den ersten eineinhalb Jahren hatten wir uns entschlossen, einen radikalen Relaunch der Website zu machen. Die alte Website war ok, hatte aber bei den vielen Anpassungen in den ersten Monaten viel an Übersichtlichkeit eingebüßt. Wir taten uns mit der besten Agentur Berlins zusammen, die gerade berühmt geworden war, weil sie einen Dönerladen international bekannt gemacht hatte. Das neue Design war spektakulär. Alles war in ein quadratischen Grundmaß eingepasst. Die Farbsprache war grün. Das Herzstück der Website sollte der Player sein. Natürlich hatten wir Apps geplant, wir hatten auch eine Schnittstelle, sodass man das Programm auch auf der Sonos und dem Fernseher hören konnte, aber die Website war die Basis. Wir hatten für unsere Verhältnisse viel Geld in das Design gesteckt und extra viel Geld in die Programmierung. Nach Monaten der Arbeit bereiteten wir uns auf den großen Moment vor, den Launch. Wir waren total begeistert von dem Design, der Funktionalität, einfach von allem. Am Abend vor dem großen Tag kam uns die Idee, dass es doch gut sei, die Seite auch mal ein paar Nutzer:innen außerhalb der Firma zu zeigen. Also gingen wir auf die Straße und sprachen willkürlich Leute an, ob sie nicht Lust hätten, kurz mit uns nach oben zu kommen, um eine neue Musik-Website zu testen. Als Belohnung gab es eine Tafel Schokolade. Es kamen wirklich einige mit und wir setzten sie total gespannt vor den Bildschirm. Ganz selbstbewusst sagten wir, dass wir ihnen nicht verraten, was sie da sehen, sie sollte einfach intuitiv die Website benutzen. Wir waren uns sicher, dass sie nach wenigen Momenten mit einem Lächeln im Gesicht verstehen würden, dass sie eine wunderbare Musikmaschine vor sich hätten. Wir standen hinter den Leuten und schauten ihnen über die Schulter. Unsere Erregung wuchs, denn wir hatten ja monatelang auf diesen Moment hingearbeitet. Jetzt sollte sich zeigen, worauf wir immer gehofft hatten - ein großartiges Produkt findet zu seinen Nutzer:innen.
Es passierte aber nichts. Niemand fing an, den Player zu aktivieren und damit den Musikstream zu starten. Nach zwei, drei Minuten fragten wir dann, was denn los sei und alle antworteten, dass sie nicht wissen würden, was sie machen sollten. Wir zeigten ihnen dann den Play-Button in unserem dramatisch schönen Design - keiner hatte ihn von sich aus entdeckt. Der wichtigste Knopf auf der ganzen Website war für die Nutzer:innen unsichtbar. Wir hatten uns in unserer eigenen Begeisterung für das Produkt im Design verloren und vergessen, früh genug unsere Zielgruppe mitzunehmen: unsere Nutzer:innen. Es war mehr als dramatisch, denn wir hatten sehr viel Geld in die Entwicklung gesteckt und uns wurde schlagartig klar, dass das nicht mehr nur ein Problem war, wir hatten eine Krise.
Obwohl man alles richtig gemacht hat, kann es sein, dass das Produkt, an dem man monatelang gearbeitet hat, nicht funktioniert. Für Frühphasen-Start-ups ist es in der Regel das einzige Produkt und das ist existenziell. Man muss umgehend handeln.
»Man wird erst dann sehen, ob ein Produkt funktioniert, wenn man es auf den Markt bringt.«
Natürlich wird man im Vorfeld vieles getan haben, um zu verstehen, ob ein Produkt auf dem Markt ankommt, ob es einen Markt gibt. Es gibt eine ganze Klaviatur an etablierten Methoden, um einen Produkterfolg noch vor dem Launch messen zu können. In der Regel startet man mit einem Prototyp bzw. einem Dummy. Diesen kann man früh einsetzen und einer Zielgruppe zeigen. Je nachdem wie komplex das Produkt ist, wird man auch schon zukünftige Produkteigenschaften vortesten können. Darüber hinaus gibt es in fast jeder Phase der Produktentwicklung weitere Methoden wie den Wizard of Oz-Test, bei dem Reaktionen der Nutzer:innen beobachtet werden können, bevor man mit der eigentlichen Entwicklung begonnen hat. Es gibt Fokusgruppen, Zielgruppenanalysen, Preissensitivitätsanalysen - alles Instrumente, um einen Produkterfolg so präzise wie möglich zu planen. Trotz all dieser zum Teil recht kostspieligen Vorsichtsmaßnahmen und einer strukturierten Planung kann es dennoch passieren, dass man das Produkt in einer ersten Version (Beta-Version) in den Markt bringt und schnell merkt, dass sich die Erwartungen nicht erfüllen.
Das ist zunächst fast normal: Schließlich waren es Hypothesen, die man versucht hat, im Laufe der Entwicklung weiter zu verifizieren. Es hat auch immer was mit Kaffeesatzleserei und dem Blick in die Kristallkugel zu tun. Ich weiß, dass mich eingefleischte Produktentwickler:innen jetzt wahrscheinlich sehr skeptisch ansehen würden, weil genau das ja nicht der Fall sein sollte. Aber in meiner Erfahrung ist am Ende der Produkterfolg trotz viel Energieaufwand auch eine Frage des Timings und des Moments. Und das lässt sich schwer in Befragungen vorher testen. Das heißt, wenn ein Produkt sich nicht unmittelbar nach der Markteinführung »wie geschnitten Brot« verkaufen lässt, muss das noch keine Krise sein. Es gibt viele Maßnahmen, die ein Nachsteuern jetzt noch möglich machen. Wenn ein Produkt in seiner Struktur fehlerhaft ist, wird es zwar lange dauern, aber Verbesserungen können erfolgreich umgesetzt werden. Digitale sind hierbei physischen Produkten überlegen - schon allein, weil man praktisch in Echtzeit über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes weiß. Bestes Beispiel dafür ist der sogenannte A/B-Test. Dabei werden unterschiedliche Versionen des gleichen Produktes (bspw. einer Website) gleichzeitig auf den Markt gebracht. Jetzt kann man sehr schnell Schlüsse ziehen, welche Version beim Kunden besser ankommt und umgehend das weniger erfolgreiche Produkt vom Markt nehmen. Offensichtlich wäre dieser Prozess von Analyse bis Umsetzung bei physischen Produkten viel länger und schwieriger.
Letztlich ist es aber egal, ob digitales oder analoges Produkt.
»Man wird ein Produkt erst wirklich verstehen, wenn man versucht es zu verkaufen.« Erst dann wird sich zeigen, ob das Produktversprechen in Verbindung mit Werbemaßnahmen auch so vom Markt angenommen wird. Jetzt ist die große Frage, wie viel Zeit man hat festzustellen, ob ein Produkt funktioniert oder nicht.
Hier gibt es keine eindeutige Antwort. Je nach Produktkategorie kann es sehr unterschiedliche Maßstäbe geben. Für einige Produkte mag es gerechtfertigt sein, sich ein Jahr zu geben, um zu verstehen, ob das Produkt funktioniert. Im B2B-Segment (Business-to-business-Segment, Geschäftskunden-Segment) sind Vertriebszyklen oft recht lang. Im Gegensatz zu den oben gerühmten Vorteilen eines digitalen Produktes wird hier eine Markteinführung lange dauern. Zunächst muss man ja ein Unternehmen davon überzeugen, dass es ein Produkt kaufen soll. Solche Prozesse können monatelang dauern. Das sind andere Umstände als eine Endnutzer-App - hier kann der Erfolg eines Produktes fast in Echtzeit gemessen werden.
Egal aber, wie lange man die individuelle Phase ansetzt, die Frage aller Fragen, die man sich stellen muss - und das ist eigentlich die einzige - ist die nach dem Grund, warum das Produkt nicht funktioniert. Was einem dabei im Weg stehen wird, ist der Blick auf das eigene Produkt. Es macht keinen Sinn, Dinge zu relativieren und sich schön zu reden. Es macht ebenso keinen Sinn, sich innerhalb des Teams zu schonen oder auf Eitelkeiten und Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Wenn die Daten und Resultate klar sind, dann muss man handeln.
»Am Ende steht und fällt der Erfolg jedes Startups nur mit dem Erfolg des Produktes.«
Warum ein Produkt nicht funktioniert, kann unendlich viele Gründe haben. Natürlich kann es sein, dass das Produkt technisch nicht einwandfrei funktioniert. Das mag daran liegen, dass man eine sehr hohe Komplexität im Produkt hat. Das mag daran liegen, dass für den eigentlichen Produktnutzen die vorhandene Ausstattung oder auch die gewählte Performance nicht ausreichend ist. In der frühen Phase der App-Entwicklung haben viele Start-ups die Diskussion, ob man Apps nativ entwickeln sollte, also für iOS oder Android optimiert, oder ob man das Gleiche auch mit einer browserbasierten bzw. hybriden Lösung erreichen kann. Während das individuelle Entwickeln das meiste aus dem Smartphone rausholt, ist die sogenannte »Cross-platform-Entwicklung» viel günstiger. Ein guter Grund für viele Start-ups also, sich für diese Variante zu entscheiden. Heute sind entsprechende Programme viel ausgereifter. Damals konnte es bedeuten, dass man nach Monaten der Entwicklung feststellte, dass die Leistung der App nicht stark genug ist. Das gesamte Produkterlebnis war meilenweit von der Qualität entfernt, die es mit einer nativen Entwicklung gehabt hätte.
Ein anderes Beispiel ist, dass das Marketing nicht funktioniert. Man spricht die falsche Zielgruppe an oder wählt die falschen Kanäle und erreicht die Zielgruppe erst gar...
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