Schweitzer Fachinformationen
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Natural Horsemanship ist mehr als die Summe der Trainingsmethoden und Herangehensweisen, die dieser Disziplin zugerechnet werden. Es ist eine Lebenseinstellung.
Die Horsemanship-Arbeit, anfangs in Deutschland belächelt und als Seilchenschwingerei abgetan, hat in den vergangenen 30 Jahren so sehr an Aufmerksamkeit gewonnen, dass die Vorführungen der Pferdeflüsterer auf Veranstaltungen wie Messen und Shows heutzutage die meisten Zuschauer anziehen und begeistern. Auch mich hat die Natürlichkeit und die Freiheit, dieser Art mit Pferden umzugehen, vom ersten Augenblick an in ihren Bann gezogen.
Wer sich auf die Suche nach der einen Definition oder einer einheitlichen Übersetzung des Begriffes Horsemanship begibt, wird diese recht schnell enttäuscht wieder aufgeben. Die Definitionen sind ebenso zahlreich wie die Versuche, diesen Begriff zu übersetzen und zu interpretieren. So findet man Auslegungen wie »Pferde-Mensch-Kunst«, »Pferdemenschen-Kunst«, den »natürlichen Umgang mit Pferden«, die »allgemeine Reitkunst und den fairen Umgang mit Pferden«, die »allgemeine Beschreibung der Art und Weise der Handhabung und des Reitens von Pferden durch den Menschen« oder den »Pferdemenschen-Umgang.«
Auch die Bezeichnung »Natural Horsemanship« ist nicht einheitlich definiert. Teilweise werden »Horsemanship« und »Natural Horsemanship« synonym verwendet, teilweise wird beides scharf voneinander getrennt.
Im Horsemanship werden Mensch und Pferd zum Team - allerdings mit klarer Rangordnung.
Pat Parelli interpretiert den Begriff Natural Horsemanship - etwas pathetisch und poetisch - als »gemeinsame Schiffsreise von Pferd und Mensch«, wobei »Natural« zum Ausdruck bringt, dass die gemeinsame Reise, also die Zusammenarbeit, auf der Grundlage der natürlichen Instinkte des Pferdes aufgebaut ist. Diesem Ansatz kann ich selbst gut folgen, weshalb meine eigene Auslegung des Begriffes Natural Horsemanship und dessen Bedeutung diesem sehr nahekommt.
»Für einen Menschen ist es sehr leicht zu lernen, wie ein Pferd zu denken, zu handeln und zu fühlen. Für ein Pferd ist es schlichtweg unmöglich.«
Natural Horsemanship beschreibt aus meiner Sicht den natürlichen Umgang mit Pferden bzw. die vom Instinkt und dem Erleben des Pferdes geleitete Gemeinschaft zwischen Mensch und Pferd. Diese Philosophie ist uralt und trotzdem eine der fortschrittlichsten unserer Zeit. Natural Horsemanship beruht auf dem Wissen um das natürliche Verhalten und die Psyche der Pferde und ist viel umfassender als herkömmliche Reitlehren.
Beim Natural Horsemanship wird die Tatsache berücksichtigt, dass der Mensch, der ein Raubtier und Fleischfresser ist, dem Pferd, das ein Fluchttier und Pflanzenfresser ist, als ein gefährlicher Feind erscheint. Natural Horsemanship lehrt Menschen, zu denken, zu fühlen und zu handeln wie Pferde, und motiviert Pferde zu geistiger Mitarbeit. Dabei wird das gegenseitige Vertrauen gefördert und die Rangordnung auf natürliche Weise geregelt. Sobald uns das Pferd als vertrauenswürdiges und kompetentes Wesen erkannt hat, beginnt es, uns nahezu bedingungslos zu vertrauen. Natural Horsemanship widerspricht zudem keiner Reitweise, sondern ist das Fundament, auf dem man jedes (Reiter-)Gebäude errichten kann. Genauso baut man nicht die erste Etage, bevor das Fundament gegossen und getrocknet ist. Danach kann man sich dem klassischen Reiten, dem Westernreiten oder einfach nur dem Freizeitreiten zuwenden. Das Ziel meiner Arbeit ist eine harmonische Partnerschaft, bei der sich Mensch und Pferd gegenseitig Respekt und Vertrauen entgegenbringen und sich durch feine Signale verständigen können.
Für ein Pferd ist es schlichtweg unmöglich, in die Welt und die Sprache des Menschen einzutauchen, wohingegen es für einen Menschen sehr leicht ist zu lernen, wie ein Pferd zu denken, zu handeln und zu fühlen. Dazu müssen wir uns zunächst den wesentlichen Unterschied, aber auch die Gemeinsamkeiten zwischen Pferden und Menschen bewusst machen:
Pferde sind Fluchttiere: Ihr Gehirn arbeitet instinktgesteuert. Nimmt ein Pferd eine (vermeintliche) Gefahr wahr, ist die erste Reaktion die Flucht. Darauf ist der gesamte Körper des Tieres ausgerichtet: die seitlich am Kopf liegenden Augen, die ein möglichst breites Sichtfeld ermöglichen; die Ohren, die in alle Richtungen und separat voneinander bewegt werden können und Dinge vernehmen, lange bevor Menschen sie hören können; der außerordentlich feine Geruchssinn, der ihnen nicht zuletzt verrät, dass wir Menschen Fleischfresser sind; die Muskulatur sowie die langen, schlanken Beine, mit denen die Tiere sozusagen von null auf hundert durchstarten und sich so einer Gefahrensituation entziehen können.
Menschen sind Raubtiere: In einer Gefahrensituation sagt unser Instinkt: Kampf. Unsere Augen liegen vorne am Kopf, wir haben eine gute Tiefenwahrnehmung und können sehr gut fokussieren, müssen gleichzeitig aber Abstriche in puncto Flächenüberblick machen. Unsere Ohren liegen flach an, sind kaum beweglich und unterstützen eher die Fokussierung unserer Augen. Für das Pferd ist die Botschaft, die unser Körperbau und Geruch aussenden, klar: Vorsicht, Raubtier!
Pferd und Mensch sind Säugetiere: Und hier sind wir bei der wesentlichen Gemeinsamkeit, die Pferde und Menschen verbindet: Beide verfügen über eine angeborene Körpersprache, die im Kern aus drei Elementen besteht:
Streicheln: Die Mutterstute, die ihr Neugeborenes ableckt - und eine freundliche Berührung zwischen Menschen.
Schubsen: Der physische Druck, mit dem die Stute ihr Fohlen mit der Nase schubst - und die Mutter ihr Kind an die Hand nimmt, um es zu leiten.
Vertreiben: Der mentale, rhythmische Druck der Mutterstute, die mit angelegten Ohren und drohend schwingendem Schweif ihr Fohlen bewegt - oder die Mutter, die mit fuchtelnden Armen ihr Kind zurechtweist.
Haben wir die wesentlichen Unterschiede und die wesentlichen Gemeinsamkeiten verinnerlicht, und berücksichtigen wir diese in unserer Arbeit mit dem Pferd, ist die Basis dafür geschaffen, mit unserem Pferd so zu kommunizieren, dass es uns versteht und akzeptiert.
Im Natural Horsemanship geht es aber nicht nur darum, ein Pferd unter Pferden zu werden, sondern auch darum, die höhere Position in der Rangordnung einzunehmen. Nicht zuletzt aufgrund unseres - im Verhältnis recht schmächtigen -Körperbaus ist dies für die eigene Sicherheit zwingend notwendig. Es muss also geklärt werden: Wer führt und wer fühlt? Wer den anderen bewegt, ist der Chef. An den beiden Säulen »Vertrauen und Respekt« wird zunächst am Boden gearbeitet. Denn es gilt: Den Respekt deines Pferdes bekommst du auf dem Boden oder gar nicht! Und das bedeutet schlichtweg: Arbeite mit deinem Pferd auf Augenhöhe. Dabei kann man mit Knotenhalfter und Seil beginnen oder mit der Freiheitsarbeit im Roundpen.
Buck Brannaman (geb. 1962), Schüler von Ray Hunt, ist einer der führenden Pferdeflüsterer weltweit.
Als Urväter des modernen Natural Horsemanship gelten vor allem die Brüder Tom und Bill Dorrance, die eine natürliche und sanfte Methode des Pferdetrainings, beruhend auf den Beobachtungen der Reaktionen der Pferde auf den Menschen, förderten. Auf Tom Dorrance geht der Ausspruch zurück: »The thing you are trying to help the horse do is to use his own mind. You are trying to present something, and then let him figure out how to get there.«
Bill Dorrance sagte: »When people think of natural horsemanship, that could mean a lot of things. It isn't natural for a horse to be around people, and it's not natural for a person to be sitting on him either. When we use these words, we speak about what's natural for the horse to do within his own boundaries.«
Ray Hunt gilt als der bekannteste Schüler von Tom Dorrance, der selbst das Rampenlicht scheute. Hunt hingegen gab ab Mitte der 1970er-Jahre Kurse auf der ganzen Welt, die er stets mit denselben Worten begann: »I'm here for the horse, to help him get a better deal.«
Auch den Spruch »Make the wrong thing difficult and the right thing easy« hörte man oft von ihm. Ebenso geht die Ansicht, dass ein Pferd sich nie irrt, auf Ray Hunt zurück. Damit meinte er, dass ein Pferd weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft nachdenkt. Es lebt in der Gegenwart und spiegelt das Verhalten des Menschen im Augenblick. Man kann also einem Pferd nicht die Schuld zuweisen, wenn etwas nicht funktioniert, wie man es gerne hätte, sondern muss den Fehler bei sich selbst suchen. Oder wie Ray Hunt es formulierte: »It's easy to change the horse, but it's hard to change the human.« Als seine bekanntesten Schüler gelten unter anderem Buck Brannaman und Sheila Varian.
Monty Roberts und sein »Shy Boy«: Ihre Geschichte kennen Pferdefans auf der ganzen Welt.
Mit dem Horsemanship ist es wie in den 70ern mit den linken Parteien: Am Anfang stand der Wunsch nach Veränderung, die Sehnsucht, es möge alles besser werden. Alle wollten etwas für die Revolution tun, aber jeder hatte seinen einen einzig und allein selig machenden Weg und erklärte die anderen für Scharlatane.
Pat Parelli, dessen Methoden des »Parelli Natural Horsemanship« (PNH) nach eigener Aussage auf dem natürlichen Verhalten der Pferde in einer Herde basieren, war es, der Mitte der 1990er-Jahre den bis dahin hierzulande unbekannten Begriff Natural...
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