Schweitzer Fachinformationen
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Du trittst vor die Tür, es regnet immer noch. Du schaust auf das Loch im Schuh. Eigentlich wolltest du dir diesen Monat ein neues Paar kaufen. Vom Ersparten kaufst du dir keine Kleidung, keine Schuhe, kein Essen, das Ersparte wird als eiserne Reserve zurückgehalten. Du müsstest vor dem Verhungern oder Erfrieren stehen, um es anzurühren. Ein Loch, in das sich die Nässe zieht wie in einen Schwamm, ist dir nicht Grund genug. Schuhe wirst du dir diesen Monat also nicht kaufen. Du holst die Packung Zigaretten aus der Tasche, in der auch die Butter verstaut ist, und merkst, sie schmilzt. Es ist eher unvorteilhaft, eine schmelzende Butter in der Tasche zu haben. Die Fettflecken waschen sich kaum raus. Du prüfst, noch dringt das Fett nicht nach außen, du solltest die Butter schleunigst loswerden. Wegwerfen wirst du sie nicht, schließlich bekommst du kein Geld die nächsten Tage, da wirfst du nicht das Essen weg, das du schon besitzt. Lebensmittel würdest du ohnehin nie wegwerfen. Du isst auch das schimmlige Brot und die angefaulten Erdäpfel, du schneidest die dunklen Stellen einfach aus dem Fleisch, das hat dir deine Mutter beigebracht. Du zündest dir eine Zigarette an, und dir fällt ein, dein Depot an Zigaretten wird bald zur Neige gehen. Du kaufst dir Stangen auf Vorrat. Eine angebrochene Stange hast du noch, es müssten noch acht volle Packungen darin sein, das heißt hundertsechzig Zigaretten, die reichen für zwölf Tage. Schränkst du dich ein, könntest du sechzehn Tage auskommen. Du beschließt das für dich, ab heute wirst du dir nur noch zehn Zigaretten pro Tag austeilen. Du denkst nach, ob dir irgendjemand noch etwas schuldet, aber du hast schon lange kein Geld mehr verborgt. Letzten Monat hast du dir ein paar der ersparten Hunderter genommen, um die Gasnachzahlung zu begleichen. Die Hunderter hast du für die Gasnachzahlung gespart, es war folgerichtig, sie auch für die Gasnachzahlung auszugeben. Musst du viele Hunderter deiner ersparten Hunderter ausgeben, wirst du immer etwas nervös. Hast du nur noch wenige Hunderter in der Spardose, hast du das Gefühl, es könnte dir etwas passieren. Etwas Unvorhergesehenes, wofür du den Rest der ersparten Hunderter ausgeben müsstest, sodass du kein Erspartes mehr besäßest, und diese Vorstellung ist unerträglich. Es würde dir den Boden unter den Füßen wegziehen, du würdest zum schwarzen Loch werden, es würde den Blick in den Lauf der Pistole deines Vaters bedeuten. Du hast dir bei der Bezahlung der Gasnachzahlung vorgenommen, im nächsten Jahr noch weniger zu heizen. Du heizt nur das Wohnzimmer und die Küche und in den kältesten Monaten das Schlafzimmer. Vorgenommen hast du dir, im nächsten Winter im Wohnzimmer zu schlafen. Dann müsstest du das Schlafzimmer nicht mehr heizen. Das hilft dir nun aber wenig, denn die Gasnachzahlung ist bereits beglichen und hoch ausgefallen, was dein Erspartes minimiert hat. Wegen des unvorhergesehenen Fehlers der Behörde ziehst du nun nervös an deiner zweiten von zehn Zigaretten heute und denkst an schwarze Löcher und Pistolenläufe.
Du stehst und schaust. Die Tropfen trommeln auf die Kapuze. Der Frühverkehr rauscht an dir vorbei. Wie du da so stehst und rauchst, werden die Schultern immer schwerer. Du würdest dich gerne setzen, es ist schwierig, deinen Körper aufrecht zu halten. Du hast bereits zu viel Energie und Kraft verbraucht. Du brauchst Schlaf. Schließlich hast du nicht sehr gut, nicht sehr lange und auch nicht durchgeschlafen diese Nacht. Während du die Zigarette rauchst, denkst du plötzlich an deine Mutter. Die da oben, zetert sie in deinem Kopf, die da oben werden dir nichts schenken, Fred. Du musst dir dein Recht erkämpfen. Du musst dir nehmen, was dir gehört, Fred. Du brauchst einen starken Willen, einen starken Geist und Disziplin, um dich zu behaupten.
Du entschließt dich, deine Mutter zu besuchen. Gestern warst du erst am Grab, aber du musst nach dem Rechten sehen. Deine Mutter beobachtet dich, das ist dir vollkommen klar: von ihrem Posten im Himmel, denn Gott selbst hätte sich nicht getraut, ihr den Himmelsplatz zu verwehren. Obwohl sie die Hölle wohl verdient hätte. Deine Mutter hätte IHN in alle Ewigkeit verflucht, und die Flüche deiner Mutter sind immer wahr geworden, haben sich manifestiert, als wäre sie eine Hexe gewesen. Sie hat deine Ehe verflucht, und der Fluch ist wahr geworden. Sie hat die Nachbarin verflucht und der Fluch ist wahr geworden. Sie hat deinen Vater tausendmal verflucht, und tausendmal sind ihre Flüche wahr geworden. Mit deiner Mutter hat sich niemand angelegt, und wenn, hat die Person es bereut. Sie beobachtet dich, und wenn du nicht nach dem Rechten siehst, wenn du Fehler machst, wenn du dich von ihrem vorgezeichneten Pfad abwendest, würde sie dich aus dem Jenseits verfluchen, und der Fluch würde wahr werden.
Du gehst mit dem Loch im Stiefel und der Kapuze über dem Kopf zum Friedhof. Es ist bereits hell geworden, und die Straßenlaternen sind ausgeschaltet. Die Autofahrer halten sich an die Regeln, sie bremsen bei Rot ab, sie fahren bei Grün. Die Fußgänger unter den Regenschirmen ziehen die Köpfe ein, denn der Wind bläst und macht den Weg ungemütlich. Wie Marionetten kommen sie dir vor. Du magst keine Menschen, du verachtest sie. Du verachtest ihr Streben nach Glück, denn Glück bedeutet für sie Kapital und Konsum. Sie jagen Banknoten hinterher, indem sie sich einem Chef unterordnen und jeden Tag auf die stupideste Weise dasselbe tun. Du weißt nicht, was passieren müsste, bevor du für einen der Sorte Herzog junior arbeiten würdest. Der Bus fährt an dir vorbei. Du steigst nicht mehr ein, obwohl es dein gutes Recht wäre, kostenlos zu fahren, wenn die Behörde ihrer Arbeit nicht nachkommt und dir das Geld nicht rechtzeitig überweist. Die Behörde kann nichts von deiner Spardose wissen, und du wirst dich hüten, sie darüber zu informieren. Sozialhilfeempfänger dürfen ab einem gewissen Freibetrag kein Erspartes haben, sonst würden sie keine Sozialhilfe bekommen. Du glaubst, das Limit erreichst du nicht mit deinem Ersparten, aber du wirst keine schlafenden Hunde wecken. Also holst du dir immer das gesamte Geld vom Konto, sodass das Konto den Sparbetrag bei der nächsten Kontrolle nicht anzeigt. Du bist nicht dumm. Die Behörde geht davon aus, dass du kein Erspartes hast. Der Herzog junior II riskiert also dein Verhungern, dein Erfrieren, deinen Tod, weil er dir kein Geld schickt. Du fragst dich, ob dem Herzog junior II das klar ist. Ob er weiß, dass die Sozialhilfe zum Überleben gebraucht wird und nicht für Luxusgüter wie die vielzitierte Hängematte, in die dich die Politiker legen, wenn sie sich über dich beschweren. Er weiß es. Klar weiß er es, er ist ein ignoranter Wichser. Die Beamten verfolgen und jagen dich, anstatt ihrer Pflicht nachzukommen, dem Dienst am Volk. Du bist schließlich Teil dieses Volkes, auch wenn es ihnen nicht zu Gesicht steht. Du als Mensch, hineingeboren in diesen Staat, gehörst nun einmal zu diesem Staatsvolk dazu, auch wenn du nicht arbeitest. Auch wenn du kein Leistungsträger bist, kein Hackler, kein Schaffender. Du hast keine Lust mehr, dich für die anderen sklavisch zu verdinglichen, dich gesundheitlich zu ruinieren, nur um ein Rädchen im System zu sein, das sich nahtlos in die anderen Räder fügt. Die Maschine funktioniert auch ohne dich. Und du willst nicht repariert, nicht geölt, nicht versetzt werden an eine andere Stelle, nur um mitzudrehen am Kapitalmarkt, am Arbeitsmarkt, am Konsummarkt, die können dich alle mal.
Du gehst zum Friedhof und willst nach dem Rechten sehen, du machst das für die Seele deiner Mutter. Sie soll Frieden haben im Himmel, dann kannst auch du ruhig schlafen. Auch für deine Seele machst du das. Es sucht dich das schlechte Gewissen heim, wenn du ihren Anweisungen aus dem Jenseits nicht folgst. Du hast es bereits versucht, den Friedhof und das Grab deiner Mutter nicht zu besuchen. Du hattest das Gefühl, dich davon befreien zu müssen, nun da deine Mutter tot ist und keine Gewalt mehr über dein Leben hat. Aber deine Mutter hat dir schlaflose Nächte geschickt und Albträume. Also hast du ihren Wunsch, nach dem Rechten zu sehen am Grab, in dem sie liegt, Woche für Woche erfüllt.
Es spendet dir keinen Trost, am Grab deiner Mutter zu stehen. Du betest nicht für sie, du betest nicht zu ihr für dich. Du stehst da und schaust, ob die Oberfläche rein ist, die Kerze brennt und die Blumen nicht verdorrt sind. Würde die Oberfläche schmutzig sein und die Blumen verdorrt, würden die Besucher der Grabnachbarn über die Grabpflege schimpfen und die Würde deiner toten Mutter beschmutzen. Deine Mutter würde die Lästereien im Himmel hören und würde dich verfluchen. Manchmal spricht sie zu dir. Meist schimpft sie. Sie ist tot, aber immer noch da. Du hörst sie in deinem Kopf, wie sie sich beschwert über dich. Aber dafür musst du nicht an ihrem Grab stehen, sie sucht dich heim, egal, wo du dich befindest.
Ein bisschen melancholisch wirst du. Kurz kannst du den Gedanken denken, dass sie es gut mit dir meint, obwohl du weißt, dass sie es sicher nicht gut mit dir meint. Und als du den Gedanken denkst, sie könnte es gut mit dir meinen, spürst du die Sehnsucht nach Trost von deiner Mutter. Von irgendeiner Person. Du kennst dich mit der Seele nicht gut aus. Du weißt nicht, ob es eine gibt, und wenn, was eine Seele genau ist und wo sie hingeht, wenn du tot bist. Du fragst dich, ob die Seele deiner Mutter dir aus dem Jenseits heraus Trost spenden könnte, wenn sie dich auch verfluchen kann. Ob du selbst eine Seele hast. Wenn du eine Seele hast, dann ist sie beschädigt. Sie wurde zerstört,...
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