Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die Mohrenapotheke lag in der Inselstadt, beim Aufgang zur Oberen Brücke auf der linken Seite. Sie war die jüngste der drei Bamberger Apotheken, außer ihr gab es noch die Hofapotheke an der Schütt, am Fuße des Dombergs, und die Unterapotheke an der Ecke, wenn man von der Unteren Brücke das Zwerchgässlein aufwärts ging. Alle drei hatten ihr gutes Auskommen, war doch Bamberg eine Stadt mit etlichen tausend Einwohnern, und jeder von ihnen hatte seine Gebrechen und Krankheiten, seine Wehwehchen, Gebresten und Leibesplagen, die sämtlich kuriert sein wollten. Wer eine Brustlatwerge oder einen Kräuterzucker, ein Fläschchen Schneckensirup oder Lavendelöl zu kaufen suchte, konnte schon von weitem den armlangen Mohren erkennen, der über dem mittleren der drei Rundbögen im Erdgeschoss thronte, einen wilden Gesellen mit goldener Federkrone, Federrock und Goldstiefeln. In der Linken hielt der Schwarze einen Stößel, mit dem er in einem Standmörser stampfte, um seinen erhobenen rechten Arm ringelte sich eine goldene Schlange. So bewachte die Figur den Eingang, durch den zu treten allerdings nur den Bewohnern des Hauses oder einem der ansässigen Ärzte gestattet war. Gewöhnliche Kundschaft hatte ihr Begehr durch das links neben dem Eingangstor befindliche Verkaufsfenster zu nennen und erhielt dann das Gewünschte aus der Offizin hinausgereicht.
In der geräumigen Wohnküche im hinteren Teil des Apothekerhauses saß die ganze Familie beim Abendessen um den runden Eichenholztisch. Das Feuer auf der Kochstelle flackerte noch und verbreitete angenehme Wärme. Es roch nach gebratenen Zwiebeln, ausgelassenem Speck, sauren Linsen und Kümmelbrot.
Abdias Wolff, immer noch in der Apothekerstracht, dem langen dunklen Umhang mit der typischen runden Mütze, legte den Zinnlöffel beiseite.
»Habt ihr schon gewusst? Der junge Weinmann ist wieder daheim.«
»Der Cornelius?« Johanna, die gerade eine Scheibe Brot mit Schmalz bestreichen wollte, hielt inne. Sie war die älteste Tochter des Apothekers, führte den Haushalt und war ihm eine Stütze im Geschäft, seit ihre Mutter vor Jahren im Kindbett gestorben war. »Na, hoffentlich ist er inzwischen netter als früher.«
»Wieso?« Antoni meldete sich neugierig zu Wort, mit vollen Backen kauend, sodass man ihn kaum verstand.
»Weil der Cornelius Weinmann früher immer alle Mädchen geärgert hat.« Das war Dorothea, das mittlere der Apothekerskinder. »So wie du.«
Antoni kicherte. Der Zehnjährige, ein weißblonder, sommersprossiger Wirbelwind, hatte es faustdick hinter den Ohren; seinen beiden großen Schwestern fiel es oft schwer, ihn zu bändigen. Und der Vater ließ ihm alles durchgehen, weil er seiner verstorbenen Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war. Jetzt versuchte er gerade, sich einen Schluck Wein aus Johannas Becher zu stibitzen, und sie schlug ihm auf die Finger. Da klopfte es, und unvorhergesehener Besuch trat in die Stube.
Es war Heinrich Flock, Ratsherr und einer der reichsten Kaufleute der Stadt. Er nahm den breitkrempigen Hut ab und kratzte sich etwas verlegen am ergrauten Hinterkopf.
»Ich wollte nicht beim Abendmahl stören. Darf ich mich einen Augenblick zu Euch setzen, Abdias?« Er wechselte einen schnellen, verstohlenen Blick mit Dorothea, auf deren Wangen plötzlich ein paar rote Flecken erblühten.
»Nanu, gibt's was zu bereden?« Der Apotheker scheuchte Johannas Kater von dem einzigen freien Stuhl, auf dem er sich zusammengerollt hatte, und wies einladend mit der Hand auf die Sitzfläche. »Oder braucht Ihr eine Arznei?«
»Nein, nein, mein Freund, ich bin kerngesund.« Flock ließ sich nieder und ergriff dankbar den Becher Wein, den ihm Johanna eingeschenkt hatte. »Es geht um etwas ganz anderes. Nämlich . « Er wusste nicht recht, wie er es anfangen sollte, trank einen Schluck und fiel dann gleich mit der Tür ins Haus. »Also, seit meine Frau, die Margaretha selig, das Zeitliche gesegnet hat, ist es schon recht einsam um mich geworden. Das Haus ist leer, und ich sitze allein darinnen wie ein alter Bär in seiner Höhle. Dabei soll der Mensch nicht für sich sein, das steht schließlich in der Heiligen Schrift. Und ich bin doch noch kein alter Mann, steh nach wie vor gut in Saft und Kraft. Und ein Sohn fehlt mir auch noch, der das Geschäft einmal erben könnt . « Er druckste ein bisschen herum. »Was ich damit eigentlich sagen will, ist . die Dorothea und ich . wir sind uns gut.«
Die Köpfe der Familie fuhren herum, und alle sahen die jüngere der beiden Schwestern an, die nun endgültig im ganzen Gesicht hochrot wurde.
»Ich weiß schon«, fuhr Flock fort, »dass wir im Alter recht unterschiedlich sind, aber so etwas muss einer Ehe keinen Abbruch tun. Im Gegenteil, manchmal ist es für so ein junges Fohlen gut, wenn es mit Erfahrung und Ruhe gepaart wird. Und ich kann Euch versichern, dass ich der Dorothea von Herzen zugetan bin, wie es ein Jüngerer nicht besser sein kann. Dass sie bei mir ein gutes Leben hätte und es ihr an nichts fehlen würde, wisst Ihr selber. Ja.« Er blickte in die Runde. »Ich möcht Euch also, lieber Abdias, um die Hand Eurer Tochter bitten.«
Der Apotheker blinzelte und kraulte eine ganze Weile seinen graugesträhnten Bart. Dorothea traute sich nicht, vom Tisch aufzusehen. Johanna räumte geschäftig die Reste des Abendessens vom Tisch, um etwas zu tun zu haben. Nur Antoni saß da und grinste übers ganze Gesicht, hatte er doch längst von der Sache gewusst, weil er seiner Schwester heimlich hinterherspioniert hatte.
Schließlich räusperte sich Abdias geräuschvoll. »Mein lieber Freund, das kommt jetzt schon ein wenig überraschend für uns alle. Die Dorothea ist ja noch recht jung. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass die Johanna als die Ältere . « Er verstummte.
Johanna gab es einen Stich. . zuerst heiratet, beendete sie im Geiste den Satz ihres Vaters. Ja, das hatte sie auch gedacht, vor allem, seit sie ihrem Jugendfreund Hans Schramm versprochen war. Zwei Jahre waren eine lange Zeit - aber er bestand immer noch darauf zu warten, so lange, bis er zum Ratsschreiber befördert würde und ihr ein angenehmes Leben bieten konnte. Er war eben ein vernünftiger Mann, ihr Verlobter, auch wenn Johanna schon ein wenig enttäuscht war, dass er das Warten so leicht aushielt. Jetzt gab sie sich einen kleinen Ruck und lächelte in die Runde.
»Ach wisst ihr, der Hans und ich, wir sind ja schon so gut wie verheiratet. Es dauert bestimmt nicht mehr lang, bis er eine bessere Stellung beim Rat bekommt. Also, mir macht es nichts aus, wenn mein Schwesterlein vor mir unter die Haube kommt.« Dabei drückte sie Dorotheas Hand, und diese sah sie mit einem dankbaren Blick an.
Abdias Wolff musterte seine beiden Töchter nachdenklich. Die eine, Johanna, kam nach ihm, mit ihrer sonnengetönten Haut, den kastanienbraunen Locken und den dunklen Augen. Dorothea hingegen sah ihrer Mutter ähnlich: rötliches Haar, hellblaue Augen, ein blasser, sommersprossiger Teint und genau dieselben Grübchen, wenn sie lachte. Der Apotheker dachte mit Wehmut an seine verstorbene Frau. Antonija war Niederländerin gewesen, er hatte sie kennengelernt, als ihn seine Lehr- und Wanderzeit damals bis nach Amsterdam geführt hatte. Aus Liebe war sie mit ihm zurück in seine Heimat gegangen, hatte ihr Land und ihre Familie verlassen, um mit ihm eine neue zu gründen. Eine treusorgende Ehefrau war sie ihm gewesen, hatte ihm mit Freuden zwei Töchter geboren. Das Glück schien über Jahre hinweg fast vollkommen. Bis schließlich der Nachzügler Antoni auf die Welt kam, der ersehnte Sohn, der sie das Leben kostete. Am Fieber war sie gestorben, und alle Medizin ihres Mannes hatte ihr nicht helfen können. Das war nun zehn Jahre her, und Abdias vermisste sie manchmal noch wie am ersten Tag. Wenn er sie jetzt fragen könnte, wie würde sie wohl entscheiden? Er seufzte und überlegte eine ganze Zeit. Auch wenn er so manche väterlichen Bedenken hatte, wer war er, dem Glück seiner Tochter entgegenzustehen?
»Thea, sag du«, wandte er sich an seine jüngere Tochter, »magst du ihn denn haben? Über deinen Kopf hinweg will ich nicht entscheiden.«
Dorothea nickte heftig. »Ach ja, Vater, ich nehm ihn mit Freuden zum Mann.«
»Dann will ich mich nicht dagegenstellen. Ihr sollt meinen Segen bekommen.« Abdias stand auf und holte einen Krug Apfelbranntwein mit vier kleinen Zinnbechern vom Regal. »Lasst uns darauf einen Trunk tun.«
Dorothea stieß einen Juchzer aus und fiel erst ihrem Vater, dann Johanna um den Hals. Nur Antoni entwand sich mit gespieltem Ekel ihrer Umarmung und maulte, weil er keinen Schnaps bekam.
Später saßen die beiden Schwestern in ihrer gemeinsamen Schlafkammer auf den Betten, eine flackernde Kerze zwischen sich auf dem Nachttischchen.
»Und es macht dir auch wirklich nichts aus, wenn ich vor dir unter die Haube komme?« Dorothea war immer noch unsicher.
»Du lieber Himmel, Thea, sorg dich nicht um mich. Der Hans und ich, wir heiraten schon noch, wenn alles so weit ist. Vielleicht im nächsten Jahr . « Johanna flocht ihr widerspenstiges Haar zu einem dicken Nachtzopf. »Nach uns müsst ihr euch nicht richten.«
Thea zupfte nachdenklich an ihrem leinenen Nachthemd. »Dass der Hans und du es so lang aushaltet . Ich meine . du bist doch immer noch Jungfrau, oder?«
Johanna runzelte die Stirn. »Natürlich. Der Hans ist ein Ehrenmann.« Dann sah sie ihre Schwester misstrauisch an. »Erzähl jetzt bloß nicht, dass du . «
»Doch.« Thea schlüpfte unter die Bettdecke und zog sie bis zum Kinn. Sie lächelte selig. »Und es tut mir überhaupt nicht leid. Ach Hanna, der Heinrich ist so ein wunderbarer...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.