Monika Niehaus
Karla Weigand
Später, aber umso schwungvollerer Start einer literarischen Karriere
Ich erinnere mich noch genau, wie wir einander im Jahr 2000 kennengelernt haben - Karla und Jörg, der damals noch nicht ihr Mann war, hatten auf dem Rückweg von ihrer geliebten Insel Föhr bei meinem Mann Jan und mir in Düsseldorf für ein paar Tage Station gemacht. Jörg und ich kannten uns bislang nur telefonisch; nachdem er die Verleihung des Sheckley-Preises 1984 an mich tatkräftig als Juror unterstützt und ich anschließend an mehreren seiner Anthologien teilgenommen hatte, war dies das erste persönliche Treffen. Aber natürlich kannte ich bzw. kannten wir Jörg bereits als Mitglied der Redaktionscrew des Bonner Studios des ZDF.
Karla (damals noch Reichle) war hingegen ein völlig neues Gesicht, und mir fiel auf, wie gut sie aussah und wie schick sie gekleidet war. Mode interessiert mich wenig, aber ich verstehe etwas von Farben und Farbkombinationen (meine Mutter ist schließlich Malerin) - sie hatte offensichtlich Stil und Geschmack, das merkte man sofort. Und unsere damalige Katze, ein ziemliches Biest, ließ sich von ihr kraulen - feliden Charaktertest bestanden. Wie immer bei solchen ersten Treffen beschnuppert man sich erst einmal vorsichtig, aber schon bald war klar, dass es »passte« zwischen uns. Es wurde zusammen gekocht und geredet, viel natürlich übers Schreiben. Damals bekam Karla bei diesem Thema einen so sehnsüchtigen Blick . selbst Autorin zu werden, Geschichten zu schreiben, Bücher zu veröffentlichen, das schien ihr in ihrem Alter - sie war damals Mitte fünfzig - ein unerfüllbarer Traum.
Ihr Mann Jörg (die beiden haben 2001 geheiratet) - er hat wirklich überallhin Verbindungen! - ermöglichte ihr, zunächst in Frauenzeitschriften kurze Storys zu veröffentlichen, um sich an das Metier heranzutasten, und sie stürzte sich voller Energie in das neue Abenteuer. Heute, fast ein Vierteljahrhundert nach unserer ersten Begegnung, kann Karla Weigand auf ein beeindruckendes Ouvre zurückblicken: Kurz- und Kürzestgeschichten, Heft- und Taschenromane sowie mehr als ein Dutzend umfangreiche historische Romane - ihre Produktivität ist wirklich atemberaubend.
Der erste große historische Roman war »Die Kammerzofe«, und er wurde sofort ein Erfolg, sogar ins Russische übersetzt. Neben diesem Erstling besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch »Im Dienste der Königin«, weil da das in Frauenromanen so häufige Klischee »die Heldin hat nur positive Seiten« aufgebrochen wurde. Und hier zeigt sich wie auch in der »Kammerzofe« ganz klar Karlas frankofone Ader, die schon in einigen ihrer Heftromane anklingt. Was ihre Heftromane darüber hinaus auszeichnet, ist ihr Lokalkolorit: Karla hat zusammen mit ihrem Mann (mit dem sie später auch gemeinsam geschrieben hat) viele der Schauplätze besucht, die sie in ihren Erzählungen beschreibt; das war neu für diese Hefte mit ihren oft schaurig-schönen Titelbildern und verlieh ihnen ein ungewohntes Maß an Atmosphäre.
Während es in Karlas frühen Romanen meist um die Schicksale interessanter Frauenpersönlichkeiten ging, kamen in neuerer Zeit ein SF-Roman mit einem schwarzen Papst und ein historischer Kriminalroman mit einer männlichen Hauptperson hinzu - die Palette wurde und wird ständig breiter. Und ganz gleich, ob ein großes oder ein kleines Werk, alles ebenso liebevoll wie penibel recherchiert - Karla Weigand hat in jungen Jahren fürs Lehramt ja nicht nur Pädagogik, sondern auch Geschichte studiert. Mit ihrem Blick für geschichtliche Zusammenhänge wäre sie sicherlich auch eine gute Historikerin geworden.
Ich habe ihre umfangreichen Romane mit Vergnügen gelesen und einiges an Geschichte dazugelernt. Dennoch bin und bleibe ich Kurzgeschichten-Fan und werde auch da bei ihr fündig, zum Beispiel in »Elisabeths letzte Reise«. Zentralthema dieser im Schillinger Verlag erschienenen Geschichtensammlung ist der Tod, doch es ist keineswegs ein trauriges oder gar morbides Buch, sondern eine bunte Mischung aus Kriminalstorys, Horror, Fantastik, Märchenhaftem und Nachdenklichem - die Titelstory, in die eigenes Erleben eingeflossen ist, gehört meines Erachtens zu den besten Erzählungen der Autorin und ist daher in diesem Band noch einmal abgedruckt.
Dass Karla ein würdiges und überaus produktives Mitglied der literarischen Gruppe »Phantastischer Oberrhein« ist, zeigt nicht nur ihr zweiter Sammelband »Dämonenjagd in Freiburg«, sondern auch ihre inzwischen mehr als zehnjährige Mitarbeit bei den Veröffentlichungen der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, den Phantastischen Miniaturen, kurz »Minis« genannt. Ihr dritter Kurzgeschichtenband, »Der Elefant des Kaisers«, eine Sammlung fantastischer Tiergeschichten, hat es mir besonders angetan, nicht zuletzt deshalb, weil Karlas hübsche Titelstory erstmals in dem Mini-Band »Im Garten des Hieronymus« veröffentlicht wurde, bei dem ich Mitherausgeberin war.
Apropos Elefanten: Da die weigandschen Zwischenstopps zwischen Staufen und Föhr in Düsseldorf zu einer schönen Tradition wurden - und wir die Weigands auch das eine oder andere Mal besucht haben -, haben wir uns rasch besser kennengelernt, und bald stellte sich heraus, dass Karla ebenso wie Jörg eine große Tierfreundin ist. Sie eroberte nicht nur die Zuneigung unserer wechselnden und nicht immer besonders schmusigen Haustiger (naja, etwas Bestechung war da vermutlich auch im Spiel), sondern freute sich auch an der bunten Vogel- und Insektenvielfalt im Garten. Aber vor allem gilt Karlas Liebe den großen grauen Riesen, von denen sie eine beachtliche Sammlung im Miniaturformat besitzt, wie wir uns bei den Weigands zu Hause in Staufen überzeugen konnten. (Diese Liebe ist in Fachkreisen nicht unbemerkt geblieben - siehe Frank Gerigks Story »Der Elefant«.)
Da Jan und ich Biologen sind und Jan zudem Zoopädagoge in Krefeld war, wurden Zoobesuche ein fester Bestandteil des weigandschen Besuchsprogramms in Düsseldorf. Duisburg, Köln, Dortmund und vor allem Wuppertal mit seiner herrlichen Elefantenanlage waren Highlights, aber auch unser »Hauszoo« Krefeld hat viel zu bieten (oft sind es kleine Ereignisse, die von solchen Besuchen im Gedächtnis bleiben, so die gemeinsame Rettung eines frei laufenden Streifenhörnchens vor der Krefelder Savannenanlage, das mit dem Kopf in einer Plastikhülse festsaß). Und auch die Kunst kommt in Krefeld nicht zu kurz: Jeden Sommer stellen dort Shona-Künstler aus Simbabwe ihre Skulpturen aus, hauptsächlich Tiermotive - nun zieren steinerne Krötenzwillinge Karlas und meinen Arbeitsplatz.
Und ein Highlight waren auch immer unsere Besuche auf dem Wochenmarkt in der Düsseldorfer Altstadt - nicht gerade billig, aber eine Riesenauswahl und beste Qualität. Ich erinnere mich da an einen Wachtelschmaus - Karla hat die Vögel akribisch geputzt, Jörg sie gefüllt und zubereitet - einfach köstlich. Unvergesslich ist mir auch eine traumhafte Paella geblieben, die wir eines Abends spontan zubereitet haben - zufälligerweise war alles im Haus. All diese kulinarischen Köstlichkeiten wurden mit viel Freude gemeinsam verzehrt - so etwas bindet!
Einmal hat Karla einen Geburtstag bei uns und mit uns gefeiert - ich glaube, es war sogar ein runder, der siebzigste. Und natürlich musste gebührend darauf angestoßen werden, mit Champagner. (Wie schon Oscar Wilde so richtig sagte: Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.) Da ist es nur folgerichtig, dass ich in Erinnerung an dieses Ereignis und in Würdigung von Inspektor Lavalle zu Karlas Ehren einen Champagnermord serviere. À ta santé! Auch heute noch trinken Karla und ich gern ein Glas Wein zusammen, und darauf freue ich mich auch beim nächsten Wiedersehen.
Aber wir haben natürlich nicht nur gut gegessen und getrunken, sondern auch viel gelacht, diskutiert und über Gott und die Welt gestritten. Karlas Sprachwitz, ihre oft unorthodoxen Ansichten und vor allem ihr Humor haben uns oft davor bewahrt, die Dinge allzu ernst zu nehmen oder uns allzu sehr in ein Thema zu verbeißen. Karla kann wirklich herrlich und aus vollstem Herzen (man könnte fast sagen, ein wenig dreckig) lachen - auch über sich selbst, und das ist wahrlich selten!
Inzwischen ist Karla Weigand auch als Herausgeberin tätig - zusammen mit dem Grafiker Rainer Schorm hat sie den Jubiläumsband »In 80 Jahren um die Welt« für ihren Mann Jörg editiert, und da sie schon einmal dabei war, zusammen mit Rainer und ihrem Mann gleich auch noch »Die Autorin am Rande des Universums« zu meinem 70. Geburtstag, über den ich mich ungemein gefreut habe. Und ich habe den Weigands nicht nur dafür zu danken, sondern auch für den Kontakt zum Schillinger-Verlag, in dem beide publiziert haben und wo dank ihrer Vermittlung auch mein Kinderbuch »Mangrovia« erschienen...