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Er klammerte sich an den Brief an.
Sein beruflicher Jackpot!
Zehn Millionen?
Fünfzehn Millionen?
Dollar oder Euro?
Egal!
Viel! Unheimlich viel!
Aber viel weniger, wenn er .
Nein!
Ohne sie.
Könnte er das überhaupt?
Wollte er das wirklich?
. er musste es eben tun.
»Na, was ist? Wünschen der Herr vielleicht eine Extra-Einladung?«
Andreas Kandler schüttelte nur den Kopf. Zu mehr fehlte ihm die Kraft. Früher hätte er seinen aufmüpfigen Kollegen mit einem einzigen Blick zum Schweigen gebracht.
Aber heute.
Wobei, dieses »Früher« war erst zwei Wochen her. Vor vierzehn Nächten hatte der Spuk begonnen.
Vor vierzehn Nächten hatte .
»Soll ich nicht doch deine Runde übernehmen? Das merkt doch niemand, wenn ausnahmsweise du die ganze Nacht vor den Monitoren sitzen bleibst und ich die beiden Kontrollgänge mache.«
»Danke, nein. Zumindest den einen . den muss ich .« Mühevoll stemmte sich Kandler aus seinem Lieblingssessel hoch und schleppte sich in Richtung all der Gemälde, Statuen und sonstigen Exponate, die er während der letzten achtundzwanzig Jahre sorgsam bewacht hatte. Er hatte sie über die Jahrzehnte schätzen, manche von ihnen sogar lieben gelernt. Und einige wenige waren tatsächlich zu einer Art Bezugsperson für ihn geworden. Vor vielen Jahren bereits hatte sich Kandler dabei ertappt, wie er ihnen seine Sorgen geklagt und von seinen Träumen vorgeschwärmt hatte. Bald darauf hatte er beschlossen, sich nicht mehr dafür zu schämen, sondern die Kulturschätze als eine seiner Ersatzfamilien zu akzeptieren. Und wie in jeder Beziehung hatte es engere und losere Zeiten gegeben.
Aber mit keinem seiner »verwandten« Kunstwerke hatte er je Probleme gehabt.
Bis vor vierzehn Nächten.
Da hatte sein Unglück begonnen.
»Warum hast du nicht auf uns gehört?«
Unwillkürlich begann Kandler zu zucken. Seine Muskeln versuchten offenbar, das Entsetzen, das sich in seinem ganzen Körper breitmachte - sein Hirn, seine Nerven, sein Herz, seinen Magen, einfach alles in ihm durchsetzte -, in einem Kraftakt aus ihm herauszuschütteln.
Aber es funktionierte nicht!
Konnte es auch gar nicht, weil dieser Kraftakt keiner mehr war, keiner mehr hätte sein können.
Er hatte keine Kraft mehr, er war am Ende.
Erschöpft lehnte sich Kandler an einen der Türrahmen zwischen den Sälen. Starr stierte er geradeaus. Es war ihm unmöglich geworden, auch nur einem Einzigen der Prunkstücke einen liebevollen Blick zu schenken. Obwohl sie alle unschuldig waren, hatte er jegliches Vertrauen in sie verloren. Er konnte sich einfach nicht mehr sicher sein, ob ihm nicht plötzlich auch ein anderes Bild drohen würde. Vielleicht würde auch eine der Heiligenstatuen lebendig werden und ihn erschlagen!
Oder ihn aufspießen . vielleicht der heilige Laurentius mit seinem Rost oder der heilige Sebastian mit seinen Pfeilen?
Hysterisch riss er seine Hände hoch und hielt sich die Ohren zu. Aber die unheimliche Stimme blieb in seinem Kopf.
Klar, denn er war im Saal sieben. Erst im nächsten Raum, da .
Kandler holte tief Luft, stieß sich vom Türrahmen ab und setzte sich in Bewegung. Er bemühte sich, an nichts zu denken, einfach nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das Gehen klappte ganz gut, nur das mit dem Hirnvakuum gelang ihm nicht ganz. Aber der eine Gedanke, der sich mitten in der Kopfleere explosionsartig ausgebreitet hatte, war ihm gar nicht so unangenehm.
Er befand sich auf dem Weg zum Schafott.
Gleich würde alles vorbei sein.
Der Menge Johlen, das Knarren der Bohlen . und Gott befohlen!
Wo er diesen Satz gelesen hatte, wusste er nicht mehr. Egal - die Stille um ihn schien zu brüllen und der edle Parkettboden knirschte wie die Stufen zum Richtblock. Ein letztes Mal sah sich Andreas Kandler um, die Köpfe auf den Gemälden wurden zu vertrauten Gesichtern seines Lebens.
Jetzt war er an seinem Ende angekommen.
Saal acht.
Diesmal versuchte er erst gar nicht, sich der gegenüberliegenden Wand entlang durch den Raum zu stehlen. Vielleicht gar noch mit dem Rücken zu seinem Feind.
Diesmal stellte er sich mit schweren, aber breiten Beinen vor das riesige Bild, das ihm die letzten zwei Wochen zur Hölle gemacht hatte.
»Die Flucht des Orest«.
Wie oft er sich all die Details des sechs mal drei Meter großen Ölgemäldes eingeprägt hatte, hätte er auch in einem anderen Zustand beim besten Willen nicht sagen können. Jetzt starrte er nur auf die Gesichter der drei Erinnyen, der griechischen Rachegöttinnen, die aus der Mitte des Bildes jeden Betrachter mit bösartigen Blicken anfunkelten. Die anderen, größeren und weniger schrecklichen Figuren nahm er in dieser Sekunde nicht wahr.
Nur die Erinnyen .
Er hatte sich genau überlegt, was er sagen würde. Er hatte zwei Tage lang den Tonfall geübt, in dem er den drei Schreckenswesen den Kampf ansagen würde.
Jetzt war der entscheidende Moment gekommen.
Kandler schluckte noch einmal, um ja nicht mit belegter Kehle den Befreiungsschlag führen zu .
»Warum hast du nicht auf uns gehört? Törichter Mann! Bald wird es zu spät .«
Das »sein« bekam Andreas Kandler nicht mehr mit. Er griff noch mit der rechten Hand in seine Jackentasche, um die rettenden Herztropfen herauszufischen, aber dann fiel er um wie ein Sack.
»Au! Das ist doch zu blöd, das muss doch .« - ein helles Kinderlachen drang durch seine Ohrenschützer und ließ Ludwig Halb sofort verstummen. Vorsichtig robbte er ein paar Zentimeter unter dem Waschbecken hervor, dann legte er die Bohrmaschine links neben sich und schob den Gehörschutz in den Nacken.
»Ja, Flitzi, ich hab dich gar nicht kommen gehört. Wo ist denn der Papa?«
Friedrich Korber kicherte vergnügt, sodass die Antwort nur für Kenner seiner kindlichen Sprechweise verständlich war. »Der Papi, der hat . das ist aber lustig, Onkel Luzi, wenn du so schimpfst, weil ich darf das ja nie hören und sagen darf ich so böse Pfui-Worte auch nicht, weil die Mami sagt dann immer, dass ich das nicht . aber auch der Papi findet das nicht lustig, und . der Papi ist nur kurz eine Eisige holen und weil du diese großen Deckel auf den Ohren gehabt hast und so laut Lärm gemacht hast, hat er gesagt, dass .«
»Flitzi, was für eine Eisige? Was meinst du denn?«
»Eisensäge, hier bitte. Flitzi, du stehst ein bissi im Weg.« Gilles Korber schob seinen Sohn zur Seite, um seinem zukünftigen Vorgesetzten und gegenwärtigen Vermieter das scharf gezahnte Werkzeug reichen zu können.
»Ich weiß zwar nicht, wieso die Eisensäge nicht in der Werkzeugkiste war« - unter dem strengen Seitenblick seines Vaters schien Klein-Friedrich um zehn Zentimeter zu schrumpfen - »aber ich habe sie dann in der Küche gefunden.«
»In der Küche?«, verwunderte sich Halb.
»Ich hab doch nur . weil der Onkel Luzi so viel arbeitet . ein ganz dickes Wurstbrot hab ich ihm schneiden .«
»Flitzi, das haben wir dir doch schon oft erklärt. Du darfst kein Werkzeug in die Hand nehmen!«
»Aber . Papi, aber du sagst doch immer: Messer, Gabel, Schere, Licht sind für'n kleinen Flitzi nicht! Und die Eisige da, die ist doch kein Messer oder Gabel oder Schere oder Li-hi.« - der Rest seiner Rechtfertigung ging in einem Strom von Tränen unter.
Bei einem seiner zahllosen Verhöre hätte der Leiter des Referats für Gewaltkriminalität im österreichischen Bundeskriminalamt, Hofrat Magister Ludwig Halb, jetzt wohl widerwillig gegrinst. Als Onkel Luzi aber seufzte er tief ob dieser schlüssigen Argumentation und flüchtete unter das »Sanitär-Ensemble zur problemlosen Selbstmontage«, wie es der Baumarkt-Prospekt verheißen hatte. Obwohl er in den letzten Wochen durchaus Gefallen an seiner neuen Rolle als Reserve-Großvater gefunden hatte, fühlte er sich noch nicht reif genug für die Hardcore-Momente des Wahlopa-Daseins.
In der Höhle unter dem Waschbecken war es zwar auch ohne »Ohrdeckel« noch heiß, dafür drangen Flitzis Schluchzlaute nur gedämpft durch. »Dein Waschbecken-Unterschrank, eine Allegorie des Lebens - er zeigt uns deutlich, dass kein Nachteil ohne Vorteil ist«, brummte Halb in seinen Zweitagesbart, als er sich nun nicht mehr den Bohrlöchern, sondern dem renitenten Siphon-Anschluss widmete.
Nein, das hätte er sich vor dreieinhalb Monaten nicht träumen lassen, dass er sein eigenes Zinshaus Wohnung für Wohnung, Raum für Raum renovieren würde. Und das hatte er doch tatsächlich Onkel Alois zu verdanken - am...
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