Schweitzer Fachinformationen
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»Noch einmal guten Morgen.« Als Halb den Blick über sein Team schweifen ließ, musste er lächeln. Er hätte nie gedacht, dass manche ihrer Charakterzüge so deutlich an ihren Sitzhaltungen abzulesen wären.
Zu seiner Linken saß Magistra Verena Planner mit geradem, aber nicht militärisch durchgestrecktem Rücken. Die studierte Pharmazeutin hatte sich im Laufe der Jahre als wandelnde Vernunft gezeigt, die aber auch mit gefühlsbetonten Situationen glänzend umzugehen verstand.
Daneben hatte es sich Franz Haschek zwischen Tischplatte und Rückenlehne bequem gemacht. Schwejk - seinen Spitznamen verdankte er seiner tschechischen Herkunft, der Namensgleichheit mit dem Autor Jaroslav Hasek wie einiger Eigenschaften, die er sich mit Haseks »bravem Soldaten Schwejk« teilte - nahm auch im Leben häufig eine schlampige Position ein, die es ihm erlaubte, rasch die Seiten zu wechseln. Meist nützte er diese geistige »Beweglichkeit« vor allem in der Auslegung enger Vorschriften, wenn diese seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn widersprachen.
Rechts von Halb saß Anton Wilt . und das war alles, was zu Tonis Sitzhaltung zu sagen war. Vom Typ her völlig unauffällig, ermittelte er unaufgeregt und effizient bis zum Ende eines Falles.
Schwejk gegenüber kauerte der »Ingeniöhr«. Ingenieur Perikles Mayer liebte lange Nächte, die er wechselweise an seinen Computern oder mit seinen jeweiligen Angebeteten verbrachte. Entsprechend war er vor den frühen Nachmittagsstunden kaum zu gebrauchen, weshalb er für die meisten Morgenbesprechungen eine »Generalamnestie« - O-Ton Halb - genoss.
An der zweiten Stirnseite des Besprechungstisches thronte Helene Drobatschnig. Egal, wo Helli saß, vermittelte sie den Eindruck einer Herrscherin, was auch an ihren 187 Zentimetern Körpergröße und ihrem - laut eigener Definition - »Kampfgewicht von knapp unter . auf jeden Fall zu vielen Kilogramm« lag. Die leidenschaftliche Mehrfach-Mutter und Ehefrau eines Rechtsanwalts hielt Halb und seinem Team den »bürokratischen Rücken« frei. Als Herrin über die Aktenzahlen und internationalen Termine diverser Inter- und Europol-Ausschüsse lehrte sie sogar Hofrat Doktor Ernst Straka das Fürchten - und das sollte etwas heißen.
Denn er, der heute ausnahmsweise durch Abwesenheit glänzte, war als Leiter des »Büro 3.2. - Allgemeine Kriminalität« der uneingeschränkte Herrscher über alle und alles im »Referat 3.2.1 - Gewaltkriminalität«, zumindest seiner Meinung nach. Halb überlegte nur kurz, welche Körperhaltung Straka eingenommen hätte. Keine sitzende - zumindest wäre er nicht länger sitzen geblieben, sondern nach maximal zwei Minuten aufgesprungen, um in raumgreifenden Bewegungen seinen Emotionen freien Lauf zu lassen.
»Und, wissen wir inzwischen mehr über diesen Raubritter-Überfall?« Halb bemühte sich, alle anzusehen und seinen Blick nicht nur auf dem beinahe schlafenden Ingeniöhr ruhen zu lassen.
»Etwas mehr. Ich habe inzwischen mit den Kollegen telefoniert, die als Erste vor Ort waren. Aber vorher würden wir alle gerne wissen, was du vorhin gemeint hast mit Wiehern, heldenhafter Verteidigung und Herzinfarkt?« Demonstrativ ließ Wilt seine Hände auf dem Blatt Papier vor ihm liegen.
»Toni, das erfüllt fast den Tatbestand der Erpressung mit und von Informationen. Aber gut! Gestern Nachmittag waren Delia und ich im Theresiental spazieren. Und, Achtung, jetzt kommt eine kleine Sensation! Ihr kennt mich wahrlich lange und gut, aber was ihr noch nicht wisst, ist, dass wir beschlossen haben, also, Delia und ich beschlossen haben, zu . zu gestehen, dass ich an einer Hippophobie leide. Und weil ich mich eben vor Pferden fürchte, sind wir rasch wegspaziert, als wir gestern - wenngleich in einiger Entfernung - Wiehern gehört haben. Vielleicht war das aber unsere, vor allem meine Rettung, weil wenn diese sieben sechsbeinigen Kostümhelden uns statt . Toni, wie heißen die Opfer?«
»Berthner-Prihoda und Koskovicz.«
»Also statt diesen Herrschaften Delia und mich überfallen hätten, säße jetzt hier vor euch bereits ein neuer interimistischer Leiter. Mein Posten würde nächste Woche neu ausgeschrieben werden, und ihr müsstet übernächste Woche wohl oder übel bei meinem Begräbnis Spalier stehen. Mit anderen Worten, ihr würdet mindestens zwei Wochen keinen Handgriff arbeiten. Und weil ich das nicht verantworten kann, bin ich zum einen noch am Leben und fühle mich zum anderen verpflichtet, diese verkleideten Vollidioten zu verhaften. Wobei - natürlich werdet ihr sie verhaften, weil ich mich nicht in ihre Nähe traue. Zumindest nicht, solange sie auf ihren hohen Rössern hocken. So, und jetzt bist du dran, Toni.«
Halbs Pseudo-Outing und seine Selbstironie hatten sogar den Ingeniöhr geweckt, sodass nun alle Anton Wilt interessiert zuhörten.
»Wie erwähnt kam es gestern gegen 15.15 Uhr im Theresiental zu einem skurrilen Überfall auf zwei ältere Ehepaare. Leopold Berthner und seine Frau Mathilde Berthner-Prihoda, 74 und 75 Jahre alt, haben ihr ganzes Berufsleben als Ärzte in verschiedenen Wiener Spitälern gearbeitet. René Koskovicz, ebenfalls 74, stand im diplomatischen Dienst der Republik Österreich, seine Frau Amelie, mit ihren 68 die Jüngste des Quartetts, war ihr Leben lang nie berufstätig gewesen. Die Herren Doktor Berthner und Magister Koskovicz haben vor über 50 Jahren in derselben Klasse maturiert und trotz der unterschiedlichen Lebenswege ist die Freundschaft immer erhalten geblieben, weshalb sie in der Pension begonnen haben, sich regelmäßig an Sonntagnachmittagen zu treffen. So auch gestern. Alles war wie immer, bis zu dem denkwürdigen Moment, als sieben Ritter über sie herfielen. Laut übereinstimmenden Aussagen seien diese aus dem Nichts gekommen und wieder dorthin verschwunden. Am Rande bemerkt, dieses >Nichts< war undurchdringliches Gestrüpp entlang des Weges. Ebenfalls laut übereinstimmender Zeugenaussagen seien die Reiter und Pferde bunt gekleidet gewesen, mit Ausnahme des Anführers, eines schwarzen Ritters, der einen - ich zitiere Frau Koskovicz - >höllenschwarzen Riesenhengst< geritten habe. Zu Beginn hätten die Täter >Deus lo vult< geschrien, laut Herrn Koskovicz sei das eine okzitanische Verballhornung eines ursprünglich lateinischen Ausrufs, der um den ersten Kreuzzug Ende des elften Jahrhunderts herum .«
»Toni, wir bewundern die Geschichtskenntnisse von Herrn Magister Koskovicz. Bitte weiter!«
Wilt zögerte kurz, bevor er wieder den roten Faden aufnahm. »Also dieses >Deus lo vult!< beziehungsweise >Gott will es!< dürfte so eine Art akustisches Logo der damaligen Kreuzritter gewesen sein. Heute wird dieses Motto nicht nur verschieden zitiert, es wird auch von sehr unterschiedlichen Gruppierungen verwendet. Für viele ist es schlicht und einfach ein Synonym für die Ritterzeit, Ritterfeste, Ritterburgen, Ritterfilme .«
». und Ritterüberfälle. Danke für deine umfangreiche Recherche in der kurzen Zeit! Sonst noch relevante Informationen?«
»Durchaus. Wie gesagt, zu Beginn hätten alle dieses >Deus lo vult!< gebrüllt, danach habe lediglich der Anführer mit Zeichen kommuniziert. Ah ja, gesprochen habe er doch noch, wenngleich nur die sehr modernen Worte >Geld, Schmuck, Uhr, schnell!<. Die Stimme beziehungsweise die Aussprache sei aber aufgrund der Verzerrung durch den blechernen Helm kaum näher zu beschreiben gewesen, auch diesbezüglich stimmen .«
»Lass uns raten, auch diesbezüglich stimmen die vier Aussagen überein.«
»Stimmt, Chef.« Da Wilt die Ungeduld seines Vorgesetzten seit Jahrzehnten kannte, brachte ihn dieser Zwischenruf nicht aus der Ruhe. »Alle waren mit einem Schwert bewaffnet, wobei die sechs bunten Ritter jeweils noch eine zweite Waffe - Keulen, Streitkolben, Armbrüste und Lanzen - trugen. Und mindestens eine Axt, weil die war schuld an Herrn Koskovicz' Herzinfarkt.«
»Wegen ihres zu hohen Cholesteringehalts?« Um nicht allzu ironisch zu klingen, schenkte Verena Planner Anton Wilt ihr charmantestes Lächeln.
»Nein, nichts Metabolisches, sondern etwas Diabolisches. Einer der Ritter drohte Herrn Koskovicz, ihm die Hand abzuhacken, woraufhin .« Wilt griff sich an die linke Brust, um sogleich die Augen zu verdrehen und den Kopf theatralisch nach hinten sinken zu lassen.
»Bravo, Toni, welch dramatische Todesszene. Aber wenn ich die Pressemeldung richtig verstanden habe, ist Herr Koskovicz erfreulicherweise noch am Leben. Sonst hätte er uns nicht mit seinem historischen Lateinwissen erfreuen können. Oder .«
»Nein, nein . also, ja, stimmt. Da habe ich wohl etwas übertrieben, Herr Koskovicz hat dank der perfekten Rettungskette überlebt. Im Gegensatz dazu haben sich die Kollegen von der örtlichen Dienststelle nicht mit Ruhm bedeckt. Zuerst hielten sie den Anruf für einen Scherz, und als sie gnädigerweise zum Tatort fuhren, benahmen sie sich gegenüber den drei Opfern vor Ort laut deren Aussagen herablassend und geradezu kindisch. Sie hätten mit ihnen gesprochen, als ob . ich zitiere Frau Doktor Berthner-Prihoda: >Als ob wir demente Zombies wären.<«
»Fragt sich nur, wessen Hirnfunktionen eingeschränkt waren.« Halbs Kiefer knirschten hörbar vor Ärger.
»Chef, aber . also entschuldigt bitte, ich will die Kollegen nicht prinzipiell verteidigen. Aber wenn man uns von einem solchen Überfall - Ritter! Heute! Hier quasi um die Ecke! -...
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