Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Samstag, 14. April 2018
Melissa sah gerade aus dem Fenster, als Lee sich von hinten an sie anschlich.
»Um wie viel Uhr kommt Jenny?«, fragte er.
»Gleich«, gab sie zurück.
»Sie verspätet sich garantiert«, sagte er und küsste ihren Nacken. »Mindestens um eine Stunde. Das reicht, um nach oben zu gehen .«
Sie drehte sich zu ihm um und stupste ihn an den Bauch. »Denkst du eigentlich an gar nichts anderes?«
»Nein«, antwortete Lee mit einem Lächeln. »Die Kinder sind unterwegs, außer dir und mir ist niemand im Haus .« Er wackelte mit den Hüften. Sein Lächeln wurde breiter.
Sie ließ ihren Blick über seinen schlanken Körper schweifen. Er hatte die enge Jeans an, die ihn schlaksig wirken ließ. So, wie er mit seinen wackelnden Hüften dastand, sah er wieder aus wie mit sechzehn, als versuchte er, sie im Bungalow ihrer Mutter nach hinten ins Zimmer zu manövrieren und zu Bon-Jovi-Musik mit ihr zu knutschen.
Seine Haare standen empor. Sie streckte die Hand aus, um sie zu glätten, und gab ihm einen Kuss auf die Wange - die Art von Abschiedskuss, wie sie ihn den Kindern vor der Schule gab.
»Na, das ist wohl ein Nein. Aber falls du's dir anders überlegst .« Er gab ihr einen Klaps auf den Hintern und wandte sich ab. Unter seinem Fuß schepperte ein Buntstift quer über den Boden. »Kinder«, sagte er seufzend.
»Sie hat gesagt, dass sie's wegräumt, wenn sie nach Hause kommt.«
»Sehr wahrscheinlich.«
Polly, ihre Jüngste, war neun und hatte eine Leidenschaft für Malbücher. Im gesamten Haus ließ sie kleine Buntstiftaltäre auf dem Boden liegen, die an die Überreste von Lagerfeuern erinnerten, die sie am Strand zwischen den Dünen fanden.
»Hole ich sie vom Reiten ab?«, fragte Lee.
»Nein, das machen wir nachher auf dem Rückweg.«
»Und was ist mit Streberina?«
»Du solltest echt aufhören, sie so zu nennen.«
»Sie weiß doch, dass ich nur Witze mache.«
»Trotzdem .« Ihr mittleres Kind, die vierzehn Jahre alte Nina, wurde von ihren Klassenkameraden Streberina genannt. Sie wollte Ärztin werden und strengte sich in der Schule mächtig an, was alle mit Staunen beobachteten.
»Sie kommt vom Netball erst zum Essen zurück«, antwortete Melissa.
Sie drehte sich wieder zum Fenster um und hielt nach Jennys Auto Ausschau. Im Garten entdeckte sie nichts, was sich bewegte - keinen Ast, keinen Vogel, keinen Grashalm. Für den April war es sehr heiß; eine unerwartete Hitzewelle, die der Vorhersage nach noch mehrere Wochen andauern sollte.
»Was habt ihr Ladys denn überhaupt geplant?«, fragte Lee.
»Nichts Besonderes. Jenny will einen Strandspaziergang machen. Und auf dem Weg holen wir Rachel ab. Ihr fällt die Decke auf den Kopf - irgendwas von wegen Al und was für ein Idiot er ist.«
Lee grinste. »Sie sagt doch immer, dass Al ein Idiot ist.«
»Ach, meinst du?«
Und zwar deswegen, weil Al ein Idiot ist. Aber sie sprach den Gedanken nicht aus.
»Also, stellt keinen Unsinn an«, sagte Lee, nahm seinen Papierkram von der Küchenanrichte und klemmte sich den Stapel unter den Arm. »Bis später dann.«
»Viel Spaß«, wünschte sie ihm und schaute ihm hinterher, wie er den Raum verließ. Sein Gang war so leicht und locker, als stünde er unter weniger Zwängen als andere Menschen. Er schien auch nicht sonderlich zu altern.
Die ewige Jugend - die Illusion davon aufrechtzuerhalten - war sicherlich einer der Vorteile davon, seine Jugendliebe zu heiraten. Die damit verbundenen Erinnerungen sollte man nicht unterschätzen. Die meisten Menschen hielten jung zu heiraten für ein garantiertes Fiasko, aber für sie und Lee hatte es gut funktioniert. Jetzt, da sie beide zweiundvierzig waren und zweiundzwanzig Jahre davon verheiratet, sah Lee für sie immer noch genauso aus und fühlte sich genauso an wie beim ersten Kuss. Da hatte er nach Johannisbeerkaugummi geschmeckt. Selbst heute noch musste sie seufzen, wenn sie Ribena einschenkte.
Eine Art von Behaglichkeit lag darin - viel Behaglichkeit.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und schnalzte mit der Zunge. Nie kam Jenny pünktlich; es war ihr unmöglich. Dafür, dass sie ein so schönes Äußeres hatte, herrschte in ihr ein chronisches Chaos. Im Gegenteil zu Melissa, die die Kunst, den Haushalt und das Geschäft mit vorgetäuschter Entspannung zu führen, schon früh zu beherrschen gelernt hatte.
Wie durch ein Wunder führte auch Jenny in ihrer chaotischen Welt irgendwie ihren Haushalt, die Familie und ihr Geschäft. Es war eine zugegebenermaßen schillernd hübsche Welt; niemand wurde verletzt, und alle wirkten glücklich, also gab es vielleicht nichts, worum man sich Sorgen machen musste.
Für Melissa war die Versuchung, sich einzumischen, trotzdem zu groß. Sie versuchte Jenny ständig - ganz vorsichtig und unauffällig - zu helfen, effizienter zu werden. Seit dem vierten Lebensjahr waren sie beste Freundinnen, und damals hatte sie ihr in der Sandkiste die beste Art gezeigt, ein Schloss zu bauen: Es kam darauf an, dass man den Sand gut festklopfte.
Jetzt im Erwachsenenalter gab sie Jenny bei passenden Gelegenheiten Tipps.
Es gibt da diese neue Handy-App, die deine ganzen To-do-Listen zusammenführt.
Meinst du nicht, ein Aktenschrank wäre praktisch?
Warum bewahrst du im Friseursalon dein Kleingeld nicht in der Kasse auf statt in dieser Strumpfhose hinten in der Schublade?
Melissa lächelte. Die Strumpfhose als Bankkonto zu benutzen war typisch Jenny.
Sie ging vom Fenster weg, setzte sich aufs Sofa und nahm gerade ihr Handy in die Hand, als es piepte. Es war eine SMS von ihrer anderen Freundin, Rachel.
Angeblich ist drei eine verhängnisvolle Zahl für Freundschaften, aber Melissa sah das anders. Sie, Jenny und Rachel waren schon seit Jahren eng miteinander befreundet. Sie waren sich ähnlich genug, um miteinander auszukommen, brachten dazu aber ihre individuellen Eigenschaften mit ein. War es nicht egal, wie viele Menschen einer Gruppe angehörten, solange man niemandem auf die Hühneraugen trat? Es wurde nur dann unangenehm, wenn zwei im gleichen Kleid auf derselben Party erschienen.
Rachel war die Cleverste aus ihrer Clique, und zwar inklusive der drei Ehemänner. Mit ihren kurzen Haaren und der John-Lennon-Brille äußerte sie sich immer ganz bewusst, hielt an jedem einzelnen Wort noch in dem Moment fest, in dem es ihren Mund verließ. Vor Kurzem waren zwei unübersehbare steile Falten zwischen ihren Augen entstanden, anscheinend über Nacht.
Melissa fielen solche Dinge auf. Als inoffizielle Anführerin ihrer Clique war das ihre Pflicht.
Ich muss den Ausflug kurz halten. Tut mir leid. Al stellt sich an. Rach xox
Die arme Rachel. Auf ihren Schultern ruhte viel, nicht buchstäblich, aber sie musste ständig für ihren irgendetwas brauchenden Mann da sein sowie für ihre beiden momentan - momentan - noch etwas weniger Aufmerksamkeit fordernden Söhne.
Melissa legte ihr Handy weg, starrte ins Leere und fragte sich, ob hinter Rachels aktuellen Sorgen mehr als der übliche Ärger mit Al steckte.
Sie würde sie nachher beiseitenehmen und fragen, ob alles in Ordnung sei, ob sie irgendwie helfen könne. Je ernster das Problem, desto unwahrscheinlicher, dass Rachel etwas sagen würde. Es war schon immer schwierig, etwas aus ihr herauszubekommen, wie Melissa bereits in der Grundschule erkannt hatte. Damals war Rachel dafür bekannt gewesen, sogar Papier zu essen, wenn darauf ein Geheimnis stand.
Vielleicht würde ein Glas Wein im Sonnenschein auf dem Heimweg helfen.
Gareth hatte gerade Max beim Rugby abgeliefert und ging zurück zu seinem Auto, als sein Handy klingelte. Normalerweise blieb er da, um seinen sechzehnjährigen Sohn spielen zu sehen. Er mochte es, sich mit den anderen Vätern zu unterhalten, mit denen er lachte und murrte und am frostigen Rand des Spielfelds mit den Füßen aufstampfte, um sich warm zu halten.
Heute bestand keine Erfrierungsgefahr. Es herrschte brutale Hitze, weshalb er wieder fuhr. Heißes Wetter überraschte ihn immer, besonders im April. Er hatte weder Sonnenmilch noch einen Hut dabei. Außer einem muffigen Umkleideraum gab es im Milford Rugby Club keinen Unterstand. Fünf Minuten am Rand des Spielfelds, und er würde röter als ein gerupftes Huhn sein.
Zu schade, das Match zu verpassen. Aber vielleicht konnte er schnell heimfahren, sich schnappen, was er brauchte, und wieder herkommen. Er zog das Handy aus seiner Tasche.
»Hallo.« Es war Jenny. »Wo sind meine Autoschlüssel?«
»Woher soll ich das wissen, Schatz?«
»Na, du hast sie doch zuletzt gehabt.«
»Hab ich das?«, sagte er, blieb neben seinem Wagen stehen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Schon nach diesen paar Schritten war der Rücken seines Hemds feucht. Er sah Max zu, wie er aufs Spielfeld rannte, ein schlanker Teenager, der aussah, als müssten seine Gegner ihn in Grund und Boden stampfen. Aber er würde sie alle mit seiner drahtigen Stärke und Schnelligkeit überraschen.
Gareth, der in Wales geboren und in seiner Kindheit nach Dorset verpflanzt worden war, war stolz darauf, Waliser zu sein, und stolz auf seinen Sohn, das Rugby-Ass. Zweifellos hätte Max lieber wie alle seine Freunde Fußball gespielt, aber Gareth hatte ihm keine Ruhe gelassen. Und, na bitte - jetzt war er Mannschaftskapitän.
Gareth war froh, dass er diese unbezahlbaren Erlebnisse mit seinem Sohn...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.