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Stau an der Grenze
Alles fing mit einer Mail an. Die Diakonie, über die ich an den Ehrenamtsjob bei dem SKFM gekommen bin, schrieb einige Ehrenamtler an, weil sie Fahrer brauchten, die gespendete Mercedes-Sprinter in die Ukraine fahren sollten.
Geplant war die Aktion am Fronleichnam mit Rückkehr am Samstag oder Sonntag, falls jemand zwischendurch übernachten wollte. 11 Sprinter sollten gebracht werden, 2 Begleitfahrzeuge sollten die Fahrer dann wieder zurückbringen.
Ich dachte 6,5 Sekunden nach und schrieb zurück: Bin dabei. Einen Tag später kam eine Mail: danke, freut uns, weitere Infos kommen bald.
Bald ist ein dehnbarer Begriff. Stattdessen kam sonntags eine SMS: bitte Passnummer und Foto vom Führerschein schicken. Infos folgen. Ok, jetzt wurde es ernst.
Dieses Mal hatte man bei den avisierten Infos das "bald" weggelassen. Ich schrieb nach ein paar Tagen eine Mail an den Verantwortlichen und 1 Tag später kam die Info:
Mercedes hatte die Sprinter nicht geliefert, das Ganze verzögert sich. Die Mail war an 14 Leute gerichtet. So konnte ich mir wenigstens die Mailadressen der Mitfahrer mal ansehen. 4 Namen waren in kyrillisch, 1 Frau. Die Hälfte der Kollegen hatte eine Caritas-Adresse, der Rest war eher privat.
Ich war irgendwie davon ausgegangen, dass jedes Auto mit 2 Fahrern besetzt wird, aber nun sah es so aus, als ob pro Auto nur 1 Fahrer geplant ist.
Spannend.
Knapp 1.600 km alleine Fahren mit "eventuell" einer Übernachtung. Als erstes habe ich mir ein 4er-Pack Energy-Drinks gekauft.
Es kam eine neue Mail. Treffpunkt im Kaufhaus Wertvoll um 9 Uhr, dann ein Briefing und Einweisung in die Autos und die Funkgeräte. Start um 11 Uhr. Kolonne fahren und eine voraussichtliche Fahrtzeit von 15 Stunden. Es war ein nicht so stark frequentierter Grenzübergang gewählt worden, und wir sollten mit leeren Fahrzeugen fahren, um die Kontrollen so kurz wie möglich zu halten.
Das hörte sich auch nicht so toll an. Erst um 11 Uhr? Wollen wir die Nacht durchfahren?
Wieder vergingen Tage und der Tag der Abfahrt kam näher.
Dann eine erneute Mail: Treffen um 7 Uhr, Start um 8. Strecke für den Tag: 1.000 km, dann Übernachtung in einem Priesterseminar. Am nächsten Morgen weiter um 6 Uhr bis zur Ukrainischen Grenze. Dort sollen wir mit 5 Stunden Aufenthalt rechnen, bevor wir durch sind.
Von da aus sind es noch 5 km bis Okko in der Ukraine, wo die Fahrzeuge an Caritas Ukraine übergeben werden. Nach der Prozedur soll es dann zurück nach Polen gehen in das ca. 100 km entfernte Kroszienko. Dort sind Hotelzimmer gebucht und nach einer weiteren Nacht starten wir dann wieder um 6 Uhr Richtung Düsseldorf. Entweder in einem Rutsch oder mit noch einer Übernachtung, falls wir unterwegs in einen Stau geraten.
Das hörte sich mehr nach einem Plan an. Sicherlich anstrengend, aber machbar. Warum allerdings nicht mit 2 Fahrern pro Auto gearbeitet wird, blieb mir verschlossen.
Zwischendurch bereitete ich mich vor. Ich machte eine Packliste.
Das sollte reichen.
Der besagte Montag kam.
Es war kalt. Regen! Daggi brachte mich zum Kaufhaus Wertvoll in Wersten. Hier, im Hinterhof, warteten 11 graue, nagelneue Sprinter auf uns. Und eine bunte Truppe von Fahrer:innen. Na ja, es waren 13 Männer und eine Frau.
Wir standen im Hof und sahen uns um. Dann stellten wir uns unter. Wir begannen, Tüten zu verteilen. Eine mit Sandwiches und Getränken, eine mit Süßigkeiten und Obst. Dazu ein Umschlag mit Papieren.
Jeder von uns bekam eine Caritas-Weste; danach sahen wir irgendwie uniformiert aus. War aber praktisch, weil wir nun leicht als Gruppe zu erkennen waren.
Jemand wies uns jeweils "unser" Auto zu. FR 961 A war meiner.
Ein nagelneuer dunkler Sprinter. Am Blinkerhebel hing ein Bund mit 4 Schlüsseln. Die Farbe der Autos: Amazon-Blau. Angeblich waren die Autos im Auftrag von Amazon gefertigt worden, sind aber, weil sie nicht der Bestellung entsprachen, nie abgenommen worden.
Wert eines Fahrzeuges (aus der beigefügten Spendenbescheinigung) 69.000.- ?.
Aus dem Nachbarfahrzeug hörte ich: Scheiße!
Ich ging dem Ausruf nach und fand einen Kollegen schimpfend vor. Es gab keinen USB-Anschluss. Es gab nur eine Zigarettenanzünder-Steckdose und mehrere USB-C - Buchsen. Nicht die alten, auf die wir wohl alle gebaut hatten und die mittlerweile nicht mehr erlaubt waren. Na ja, es waren neue Autos!
Der EDEKA gegenüber machte den Umsatz seines Lebens. 12? kostete ein Adapter: Zigarettenanzünder auf "Alt-USB".
Ich kann mir den Disponenten vorstellen, der aus dem Ereignis: "11 Adapter an einem Tag verkauft" schon mal 330 weitere für den nächsten Monat ordert. Bedarfsgesteuerte Lagerhaltung.
Wir bauten den Adapter ein und testeten: funktioniert. Das Aufladen des Handys war gesichert.
Wir warteten.
Leute gingen hin und her, man unterhielt sich. Die Fahrer schienen sich irgendwie zu kennen. Schnell bekam ich heraus, dass es alles Caritas-Leute waren. Alle so zwischen Ende 30 und Mitte 60. War ich der einzige nicht-Caritas-Mann?
Dann bewegte sich etwas. Ein Typ und eine Frau erschienen. Beide mit Kameras um den Hals. Klar, die Presse war da. Tue Gutes und rede darüber. Der Reporter interviewte einen der Offiziellen und machte sich (wie man das aus alten Filmen kennt) handschriftliche Notizen auf einem Block.
Ja, wir fahren in die Ukraine. Nein, wir transportieren keine Ladung. Ja, der Trip dauert 3 Tage. Und so weiter. Wir standen da und warteten. Um 8 Uhr wollten wir fahren, es war fast 9.
Dann ging es los. Wir sollten losfahren und zur nächsten Tankstelle düsen. Von da aus wollten wir gerne Konvoi fahren, aber der Leiter der Expedition bezweifelte, dass wir das hinbekommen sollten. Wir vereinbarten eine Pause nach ca. 500 km. Der genaue Ort sollte später per WhatsApp folgen.
Es ging los.
Ich startete zum ersten Mal den Sprinter und legte (verdammt, wo ist hier die Schaltung??) den ersten Gang ein. Die Schaltung des Automatik-Fahrzeuges (hurraaa!) war an der Lenksäule. Vorwärts, Rückwärts, Neutral und Parken.
Die Ausfahrt aus dem Hof war ungewohnt mit dem Riesenschiff. Außerdem war es eine hohle Trommel. Es gab keinen Innenausbau, hinter mir war gähnende Leere. Nach 300 m waren wir an der Tankstelle. Einer der Leitenden (ich kannte keinen davon) steckte den Rüssel in die Öffnung. So wurde, ohne den Rüssel wieder zurückzustecken, auf eine Rechnung getankt. Schätzungsweise 13*80 Liter für 1,67 ? machen fast 1.750?. Schnelles Geld für den Tankstellen-Betreiber.
Als ich fertig war, fuhr ich los. Navi brauchte ich erst mal nicht, den ersten Teil der Route kannte ich. A 46, A 1, A 44, dann Richtung Leipzig, Dresden, Görlitz.
Praktischerweise war vor mir ein Kollege und ich setzte auf die Taktik: einfach dranbleiben und hinterhergurken.
Wir gingen in Wersten auf die Autobahn, passierten den Uni-Tunnel und danach setzte mein Vordermann den Blinker. Bei Ikea wollte er raus. Seltsam! Hatte ich irgendwas nicht mitbekommen?
Intuitiv fuhr ich hinterher. Er verließ die Bahn und fuhr wenig später auf den Autohof.
Seltsam!
Ich hielt hinter ihm an und er stieg aus und kam zu mir.
"Ich brauche noch einen USB-Adapter!" meinte er.
"EDEKA hatte keine mehr".
Reingefallen.
Aber egal. Ich wartete, bis er wieder rauskam und blieb hinter ihm. Wahrscheinlich war ich nun nach dieser Aktion das Schlusslicht der Karawane.
Das war unser Start. 11 Autos in die Ukraine bringen. Keine Einweisung, keine Funkgeräte,
nur ein paar Fotos, eine Presseerklärung mit Interviews und dann los. Keine (wie avisiert) Kolonne.
Das Ganze startete irgendwie sehr chaotisch und planlos. Wenn man bedenkt, dass wir mit Autos im Wert von über 700.000 ? unterwegs waren? Plus die beiden Begleitfahrzeuge (9-Sitzer).
Die Autos waren toll. Automatikgetriebe, Bordrechner, Multimedia, Klima. Es gab ein kleines Lenkrad mit der Mercedes-typischen Lenkradschaltung. Das erinnerte mehr an einen PKW als an so einen großen Bus. Der Innenraum war leider unverkleidet, deshalb war es im Auto sehr laut. Ich hatte mir mehrere Hörbücher mitgenommen, um mir die Zeit zu vertreiben, aber das konnte man vergessen. Ging aber auch ohne.
Anfangs regnete es stark und es gab viel Verkehr. Spätestens ab Kassel wurde es weniger Verkehr und die Straßen wurden freier. Dann besserte sich auch das Wetter und der Regen wurde weniger.
Wir fuhren in Richtung Dresden auf ziemlich entspannten Autobahnen und man konnte mit Tempomat fahren. Die Wagen waren auf 125 km/h gedrosselt, aber das reichte auch aus. Teilweise hatten wir starken Seitenwind, da musste man etwas vorsichtiger fahren. Der Aufbau des Sprinters wirkt wie ein...
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