Briefe von Erdmann an Frähn (1818-1820)
10-11
7 29.3.1818 Rostock 20-31 14.6.1818 o.O. 40-41 20.7.1818 Rostock 50-60 9.9.1818 Rostock 70-80 24.11.1818 Rostock 90-91 10.1.1819 Rostock 100-110 27.4.1819 Rostock 120-130 5.8.1819 Moskau 150-160 18.10.1819 Kasan 170-180 3.12.1819 Kasan 190-200 1.3.1820 Kasan 210-220 24.5.1820 Kasan 230-240 20.10.1820 Kasan 250-251 9.12.1820 Kasan
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Wohlgeborener, Hochgelahrter,
Hochzuehrender Herr Hofrath,
Sie haben schon durch mehrere Beweise Ihrer Huld die wohlwollenden Gesinnungen welche Sie gegen mich hegen, beurkundet. Ich dürfte in dieser Hinsicht mich nur auf die mir gütigst ertheilte Erlaubniß berufen, Ihre [das Buch] durch Übersetzung, u. so weit es Zeit und finanzielle Umstände gestatteten, auch durch Commentar dem deutschen damahligen unglücklichen Zeitverhältnisse größtentheils unbekannt geblieben war [zugänglich zu machen]. Durch unsern nunmehr verewigten Tychsen8 zum Studium der
Quellen des Orients angefeuert, war mein zweyjähriger hiesiger academischer Auffenhalt [=Aufenthalt] unter seiner Leitung ganz demselben gewidmet. Geschah nun hier größtentheils in allen Dingen erst der Anfang und mußte noch manches geregelt und gehörigen Orts fixirt werden, so lieh mir in dieser Rücksicht die hülfreiche Hand eines Göttinger Tychsen9 und Eichhorn10 Ausbeute genug, mich auf den Standpunct zu versetzen, von welchem herab ich das noch fehlende
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in der Zeit meiner Muße zu ergänzen, und meinen Überblick zu erweitern vermochte. Zunächst fesselte mich daher das Studium paläologischer und historiographisches Gegenstände; und ich darf dasselbe auch noch jetzt meine Lieblingsbeschäftigung nennen. Würde mich nur nicht die Ausarbeitung eines commentarii perpetui11 zu den Klagliedern Jeremiä, der schon die Zeit seiner Bekanntmachung mit Sehnsucht erwartet, für verflossene Augenblicke in meiner Zeit beschränkt haben, und wäre schon die trefliche Bibliothek unsers verewigten Tychsen ganz, wegen des geringen Interesse, welches man hier zu Lande dem orientalische Studio zollt, ihrer mehr denn zweyjährigen Lethargie entrissen worden, so möchte ich nur vielleicht Gelegenheit nehmen, Ihnen, geehrtester Herr Hofrath, eine schon seit einiger Zeit begonnene Schrift geschichtlichen Inhalts vorzulegen.
Schon seit der Zeit Ihres von unserer Academie Ihnen gewordenen Rufs haben Sie die Gemüther Aller in die größte Spannung versetzt. Mit Sehnsucht harren sie der Zeit entgegen, zu der sie mit Ihrer Ankunft d. [des letzten Propheten, (buchstäbl. Siegel der Propheten)] in ihren Mauern zu erblicken mit Recht hoffen. Dürfte ich bey dieser Gelegenheit einen Wunsch zu äußern wagen, so würde ich Ihre Gewogenheit in Rücksicht der in Casan entledigten Professur in Anspruch nehmen. Sie würden mich sehr verpflichten, wenn Sie ein gutes Wort für meine Beförderung zu dieser Stelle bey der höhern Behörde einzulegen vermöchten, wie Sie es ja vermögen.
Nebst der Erlaubniß, mit der nächsten Gelegenheit Ihnen die schon erwähnte [das Buch] nebst anderweitigen Beweisen meiner Studien vorlegen zu dürfen, bitte ich auch fernerhin die vollkommenste Hochachtung zu genehmigen, in der ich verharre
Ew. Wohlgeboren
ganz gehorsamster Diener
Franz Erdmann
Rostock den 29/3 18.
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[erh. d. 12t. Jun. a. St.]
P. M.12
Meinem Versprechen gemäß theile ich Ihnen, geehrtester Herr Hofrath, in dem heutige Berichte, den Sie nur als solchen anzusehen geneigen wollen, dies und jenes über den Lauf meiner Studien mit. Sie mögen nun aus den Farben, die der Mahler naturgemäß aufzutragen bemüht war, den inneren Gehalt als Kenner bestimmen, und mit Ihrem gemühtvollen Urtheile begleiten. Doch eine Vorrede oder ein Vorwort für das nach folgende trägt wenig an diesem Orte aus, kürzt nur die kostbare Zeit der Muße, - und der Gedanke, schon durch Ihre wohlwollende Gesinnung ohne eigene Rechtfertigung gerechtfertigt zu sehen, heischt mich alsbald die Hand ans Werk legen.
Ihrem Befehle gemäß erhalten Sie von den schediasmate numism.13, so viel Exemplare als hier in der Eile beygeschrieben werden konnten. Eine längere Zeit möchte vielleicht Aufschluß über die momentan angewiesene Stelle des einen oder des anderen Exemplars gegeben und die Möglichkeit ertheilt haben aus Göttingen, woselbst bey dem Buchhändler Dietrich 50 Exemplare niedergelegt wurden, ein Duzend zu verschreiben. Aus meinem eigenen Vorrathe, der durch die wiederhohlten Bitten bis auf ein einziges ausgelehrt ward, theile ich Ihnen nur dies eine aber schon seit Bekanntmachung der Schrift für Sie, den Schöpfer des Werks, bestimmte Exemplar mit. Sie werden in demselben die Hand des Jüngers nicht verkennen, werden aber auch bey Ihrem Adlerblike die Unschuld desjenigen erkennen, dem die Hände gebunden waren, und der bey mäßigem Wechsel die nicht unbedeutende Summe der Druckkosten sich entziehen mußte, weil der Gedanke an einen Verleger der ersten Studienfrüchte nur eine Chimäre war. Manche für das Werkchen daher schon ausgearbeitete Anmerkung, manches Citat, das entweder im Widerspruche Anlaß zu weiteren Erörterungen gegeben, oder das Gesagte nur bestärkt, mußte zurückgenommen, und für die Zukunft aufgespart werden. Das Werkchen ward also natürlich unvollständig, und in diesem Gewande erhalten Sie es leider. Erlauben Sie mir daher, hin und wieder Ihnen einige zwar nur flüchtig hingeworfene Erweiterungen und Citate mitzutheilen, wozu mich das weiter fortgesetzte Studium in Stand setzt.
ad pg. 2 können folgende Schriften verglichen werden, und Anlaß zu
weiterer Erörterung geben, nämlich:
Oelsner's Muhammed14 pg. 158 sq.
v. Murr Übersetzung des Cardonne15 Th. 3 pg. 10. 11.
Langlès voyage d'Abdul Kerym16 pg. 125
Memoires sur diverses antiquités de la Perse par Silv. de Sacy17 pg. 129- 130
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Eichhorns Repertorium18 Th. 9 pg. 238 sqq.
Tychsens Bützowische Nebenstunden19 Th. 3 pg. 54 sqq.
Elmacin [Historia Saracenica qva res gestae Mvslimorum inde a
Mvhammede Arabe, vsqve ad initium imperii Atabacaei explicantur....
Lugd. Bat.: Elzevier 1625] pg. 256
Th[omas] Chr[istian] Tychsen über das Alter d. arab. Vocalpunct. etc. in Paulus Nouem [!] Repertorio20 Th. 2 pg. 247 sqq.
u.a.m.
Wie schon gesagt, werde ich nur das vorzüglichste ausheben, um Sie nicht durch ein Heer von Citaten zu verwunden.
ad. pag. 6. ist besonders zu vergleich. Deguignes Geschichte d. Hunnen v. Dähnert.21 Th. 2 pag. 32. 172
ad pg. 10. die verschiedenen unter den Gelehrten über das Wörtchen obwaltende Meinungen haben mir Anlaß gegeben, unsere Gedanken über dasselbe auszuspinnen, und bey meiner Lectüre eine stete Rücksicht auf dasselbe zu nehmen. So viel in meinen Kräften stand, habe ich die verschiedenen Meinungen der Reihe nach geprüft, aber mich nicht befriedigt gefunden. Sie verzeihen mir, wenn ich hier auch etwa die Controverse gegen Sie ergreifen sollte, und erlauben mir meine Meinung Ihnen offen und treuherzig vorzulegen. Wären nicht Sie es, dessen gemühtvolles Urtheil ich über diesen Gegenstand einzuholen wünschte, so würde ich in jedem anderen Falle mein Unternehmen nur gewagt nennen. Ich würde Sie mit einer Menge von Stellen, welche den gewöhnlichen über diesen Gegenstand geäußerten Meinungen entgegenstehen, belästigen können; dies möchte ich Ihnen aber nicht angemessen seyn, auch mir die gehörige Ordnung derselben bey der Beschränktheit der Zeit (denn schon gestern erfahre ich von Hrn. Dr. Krey22, daß schon früh Alles für Sie ausgefertigt seyn soll, um die Gelegenheit benutzen zu können) nicht zu Gebote stehen. Ältere
Zeugnisse stimmen allerdings sehr für Ihre letzte Entzifferung des ? [Allah], und ich kann sagen, daß ich mich oft zu derselben hingezogen gefühlt habe. Allein der Gedanke "sollte nicht, und steht nicht wirklich die zweyte Area der Münze in genauer Verbindung mit der ersten, sollte ferner nicht das ? aus dem Alcoran nur hergenommen seyn?", wie kann endlich das...