Schweitzer Fachinformationen
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Die Sonne war hinter den Wolken verschwunden. Erste Sturmböen wehten von den Jurassischen Alpen über den See und peitschten das Wasser zu Schaum. Regentropfen stürzten unaufhaltsam aus dem Himmel und explodierten wie Mörsergranaten auf dem Asphalt.
Kaum hatte Hugo Preuß die heranziehende Wetterfront bemerkt, als ihm ein stechender Schmerz durch den Schädel fuhr. Seine Pupillen weiteten sich und seltsame Wörter sprudelten auf einmal aus seinem Mund: Wörter, die sich zu Sätzen, und Sätze, die sich zu Gedanken verbanden. Gedanken, wie er sie noch nie gedacht oder geäußert hatte. »Theophil, geliebter Seelenbruder«, sprach er. »Wach auf! Du lebst in einem Traum.«
Graf Von Felsheim erhob sich und blickte den Wachtmeister verwundert an. Dieser stand wie eine Christusfigur im Regen, die Hände vor der Brust gefaltet, den Kopf leicht nach vorn gebeugt, so als würde er beten.
»Wach auf, Theophil«, wiederholte Hugo Preuß. »Du lebst in einem Traum. Deine Welt ist nichts als Schein.«
»Wie bitte?«
»Schau doch, wie die Elemente toben! Auch in dir tobt ein Kampf: Ihm kannst du nicht entkommen.«
»Was zum Teufel faselst du da?«, sagte der Graf. »Bist du irre?«
»Nicht ich bin wahnsinnig«, fuhr der Prediger fort. »Wach auf, Theo, und erkenne dich selbst.«
Theophil blickte Preuß durchdringend an. Entweder dieser Bursche war nicht ganz bei Sinnen oder er befand sich in der Gewalt eines religiösen Fanatikers.
»Wahrlich, Theo«, fuhr der Prediger fort, »ich sage dir: Wende dich ab von deinen Machenschaften und folge dem Zeichen. Die Zukunft erwartet dich!«
»Jetzt reicht's aber«, polterte der Graf. Seine Angst hatte sich in Zorn verwandelt. »Mach mich los, Bengel! Dann zeige ich dir mit meinen Fäusten, wie die Zukunft aussieht.«
»Sie ist bereits in dir«, fuhr Hugo Preuß unbeirrt fort. »Erkenne dich selbst, und du wirst erhalten, was dir fehlt.«
»Was mir fehlt?«, wiederholte der Graf und lachte höhnisch. »Das soll wohl ein Scherz sein! Weißt du es denn nicht, du armer Teufel, du? Ich besitze alles, wovon man nur träumen kann. Und das ist eine Million Mal mehr, als du jemals haben wirst. Wenn hier etwas fehlt, dann dein Verstand, du Hasenhirn.«
»Hier geht es nicht um Verstand, sondern um Liebe«, erwiderte der Prediger und blickte in den tintenschwarzen Himmel, als ob gleich ein Heer aus Engeln zum Klang von Fanfaren niedersteigen würde. »Spürst du es denn nicht?«
»Idiot! Was soll ich denn spüren außer Handschellen?«
»Spürst du nicht, dass Wahrheit aus dir sprechen und Liebe durch dich walten will?«
»Gut gesagt, Herr Wachtmeister! Wir können dieses Gespräch gern fortsetzen, aber nicht bei Regen und schon gar nicht in Fesseln.«
»Diese Fesseln sind ein Symbol deiner Knechtschaft«, kam es zurück. »Die Freiheit jedoch liegt in dir. Beende die Vergangenheit, Theophil, dann wirst du es spüren.«
»Nein, du Tölpel«, fluchte der Graf angewidert. »Du bist hier der Gefangene. Machst auf Macker und Polizist. Dabei bist du nur ein schäbiger Clown in einem Kostüm!«
Hugo Preuß dachte nicht daran, seine feurige Rede zu beenden. »Ich weiß, du glaubst mir nicht«, sprach er. »Du gehörst zu den Menschen, die an der Vergangenheit festhalten. Doch selbst du wirst über deinen Schatten springen. Und dann bricht ein neues Zeitalter an, ein Zeitalter der Gerechtigkeit.«
»Gerechtigkeit, dass ich nicht lache!«, rief der Graf. »Und wer bitte soll das bezahlen?«
»Niemand«, antwortete Preuß lächelnd. »Es gibt kein Geld mehr. Alle Rechnungen sind beglichen!«
»So ein Schwachsinn!«, brüllte Graf Von Felsheim und rasselte mit den Handschellen. Was Geld anging, da konnte ihm niemand etwas vormachen. Wenn er etwas im Leben gelernt hatte, dann, dass alles etwas kostete, sogar ein Schuldenerlass. Niemand, wirklich niemand konnte sich kein Geld leisten!
Wachtmeister Preuß schien die Wut des Gefangenen zu spüren und fügte sanft hinzu: »Bitte glaube mir, Seelenbruder: Geld existiert nicht mehr.«
»Klar!«, erwiderte der Graf und lachte höhnisch. Dann holte er tief Luft du sprach: »Jetzt hör mir gut zu, du Freizeit-Jesus: Ich verdiene täglich Millionen. Hörst du? Millionen! Vor dir steht kein Geringerer als Graf Theophil Ludwig Bastian Von Felsheim, der mit Abstand erfolgreichste Investor am Zürichsee - und weit darüber hinaus. Ich leite ein globales Unternehmen mit den besten Brokern und Analysten weltweit. Ich stehe mit den reichsten und mächtigsten Männern der Welt in Verbindung. Einmal mit dem Finger geschnippt, und der Swiss Market Index geht auf Talfahrt, ganz wie ich es will. Mein Firmenvermögen geht in die Milliarden. Es wirft stündlich Profit ab. Profit in Form von Zinsen, Dividenden, Kursgewinnen, Provisionen und Mieten - Kapital, das ich dank modernster Software exponentiell vermehre. Von wegen Geld abgeschafft! Dass ich nicht lache! In einer Stunde scheffle ich mehr davon, als du in einem Jahr verdienst .«
Hugo Preuß lächelte mild. »Das mag früher einmal so gewesen sein, als man Geld aus Schulden erschaffen hat. Inzwischen aber haben wir uns davon befreit. Wir verfolgen höhere Werte! Werte wie Vertrauen, Freundschaft, Liebe .«
»Höhere Werte!«, wiederholte der Graf. »So ein Blödsinn! Von Liebe allein kann keiner leben. Die gesamte Wirtschaft beruht auf Geld und Profit. Denn Geld ist Macht, und nur Profit bringt Wachstum.« Theophil kratzte sich an der Stirn. Sein Muttermal war rot angeschwollen und juckte. »Der Mensch ist gierig, hörst du?«, fuhr er fort. »Das war schon immer so und wird immer so sein, du naiver Apostel! Also hör auf mit deinem weltfremden Geschwätz. Die Realität ist knallhart:Menschen sind käuflich, Politiker sind austauschbar, Kriege sind nützlich. Und was das Universum angeht, das ist uns feindlich gesinnt. Da ist gar nichts von Liebe zu spüren. Es wirft mit Asteroiden um sich. Vulkane speien Asche und Feuer. Tsunamis verschlingen ganze Zivilisationen. Tiere zerfetzen sich gegenseitig. Menschen quälen sich oder verrecken an Krankheiten. Von wegen Geld abgeschafft! Das ist doch bloß spiritueller Schwachsinn für Hausfrauen, denen guter Sex fehlt!«
Während Theophil wie der Leibhaftige tobte und mit den Handschellen rasselte, lächelte Hugo Preuß mitfühlend, die Hände gefaltet.
»Grins nicht so blöd, du elender Taugenichts!«, schrie der Graf wie von Sinnen. »Es gibt keine verdammte Alternative zum Kapitalismus. Geld ist die einzig wahre Religion. Glaube mir, ich weiß genau, wovon ich spreche. Ich bin Schweizer Bankier aus Überzeugung! Nicht Liebe, sondern Kapital ist das Maß aller Dinge. Es gibt den Menschen Halt. Es verleiht dem Leben Sinn. Kapital ist Macht. Geld ist Glück. Und Gott, Gott ist längst tot, du naiver Prediger du!«
»Ach, mein lieber Seelenbruder«, hauchte Hugo Preuß und wischte sich Tränen aus den Augen. »Wie sehr musst du gelitten haben, dass du so viel Wut in dir trägst.«
»Jetzt tu mal nicht so scheinheilig«, widersprach der Graf. »Was willst du denn? Es steht doch ausgezeichnet um diesen Planeten. Wer braucht schon Frieden? Kriege halten die Wirtschaft am Laufen. Wer braucht schon Umweltschutz? Klimaerwärmung ist gut für den Tourismus. Wer braucht schon Freunde? Feinde halten dich besser auf Trab. Du glaubst doch nicht ernsthaft, der Mensch sei gut. Was ist schon gut, was böse? Was ist Moral, und wer besitzt die richtige? Schau mich doch an! Schau mich an und sag mir, was du siehst .«
»Einen verlorenen Sohn«, flüsterte Hugo Preuß.
»Blödsinn! Vor dir steht ein Mann, nach dem diese gottverdammte Gemeinde eines Tages benannt werden wird. Deine zurückgebliebenen Kinder werden in meine Schulen gehen und ebenso lausige Polizisten werden wie ihr Vater. Hat's jetzt klick gemacht in deinem behinderten Schrumpfkopf? Ich bin die Nummer eins, verstehst du? Ich bin der, derhier das Sagen hat. Ohne mich geht hier gar nichts! Dieses reiche Land, diese schöne Stadt, diese perfekt gepflasterte Straße, diese Ampel, diese Handschellen, ja sogar deine erbärmliche Uniform, all das gehört mir, wurde von mir finanziert, produziert, transportiert und unterhalten, du Witzbold! Und jetzt, Herr Wachtmeister, wachen Sie gefälligst auf aus Ihrem vergewaltigten Kindertraum und binden Sie mich auf der Stelle los, sonst kannst du etwas erleben, du elender Hund. Noch ein Wort, und ich rufe die Polizei!«
Während Theophil schnaubend darüber...
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