Schweitzer Fachinformationen
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Amkila River Lodge, Simbabwe - September 1989
IAN SMITH WIRD heute Nacht noch rauskommen«, flüsterte Scott und starrte in die Glut. Das Feuer in der flachen Eisenschale hatte die harten Mopani-Scheite in zerklüftete, schwarze Brocken verwandelt, aus denen wie aus kleinen Vulkanen dunkelrote Eruptionen hervorschossen, sobald sich die Glut noch tiefer in den Kern des Holzes fraß.
»Was macht dich so sicher?« Die leise Stimme von Akash klang skeptisch. Er saß dicht neben Scott auf einem Baumstamm und ließ seinen Blick über die mit dichtem Gras bewachsene, sanft abfallende Uferböschung bis zum Fluss wandern. Die Oberfläche des Wassers war dunkel, fast schwarz. Und spiegelglatt.
»Ich kenne ihn.« Die Antwort Scotts kam mit minutenlanger Verspätung.
Und nach einer weiteren Pause, in der nur ein feines Rascheln aus den trockenen Kameldorn-Sträuchern zu hören war, die einige Meter von ihnen entfernt eine graue Wand bildeten, setzte er hinzu: »Ian ist ja schließlich einer von uns.«
Scott lachte leise vor sich hin und ergänzte: »Um genau zu sein, einer von meiner Sippe. Nicht von deiner.«
»Armer weißer Mann«, spottete Akash. »Du tust mir leid. Du kannst ja nichts dafür, dass du weiß bist.«
»Weiß? Kein Hautarzt würde meine sonnenverbrannte Haut als weiß bezeichnen, Akash. Bist du farbenblind?«
»Die Sonne hilft dir nicht, Scott. Du bist ein Ex-Rhodesier. Und damit bist du weiß - egal, wie viele Pigmente die Sonne in deiner Haut aktiviert hat. Es muss schrecklich sein, in einem schwarzafrikanischen Land wie ein Mehlsack herumlaufen zu müssen.«
»Danke für dein Mitgefühl, Akash. Du bist wirklich ein echter Freund. Aber darf ich dich daran erinnern, dass es vor einem Jahrzehnt noch genau anders herum war? Da bist du als Schwarzer aufgefallen! Zumindest, wenn du dich am falschen Ort bewegt hast. Stell dir vor, du wärst vor der Unabhängigkeit mit deiner Schwester zum Nachmittagstee im Royal Salisbury Golf Club aufgetaucht! Ich kann mir die Gesichter der feinen weißen Herrschaften gut vorstellen. Und der dunkelhäutige Ober mit der schwarzen Fliege und den weißen Handschuhen hätte dich entsetzt angeschaut. Auch wenn er dich insgeheim für deinen Mut bewundert hätte.«
Beide mussten sich bei diesem geflüsterten Wortwechsel ein befreites Lachen verkneifen, da sie wussten, dass Ian Smith nicht aus dem Fluss steigen und auf seinen kurzen stämmigen Beinen zum Äsen auf die Grasfläche kommen würde, wenn sie zu viele Geräusche verursachten.
Eine Weile schwiegen sie erneut. Der Sternenhimmel über ihnen wölbte sich wie eine Zirkuskuppel, die mit Millionen silberner Punkte übersät war. Mitten drin hing schief ein weißlich schimmernder Halbmond.
Scott lenkte seinen Blick von der Glut weg und zum Ufer, um seine Augen wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen.
Plötzlich spürte er die Hand von Akash auf seinem Arm, und auch er hatte im selben Moment die kreisförmigen Wellen auf der Wasseroberfläche entdeckt. Das Zentrum der Wellen bewegte sich auf das Ufer zu.
»Könnte auch ein Croc sein«, flüsterte Akash.
Die Wellen wurden stärker. Ein dunkles, unförmiges Gebilde tauchte aus dem Wasser auf, schob sich über den Uferrand, und dann konnten die beiden Männer die Umrisse des Flusspferdes klar erkennen. Seine nasse Haut glänzte im Licht der Gestirne. Es hatte den schweren Kopf tief gesenkt und führte ihn wie einen Staubsauger langsam über die Grasfläche. Offenbar hatte das Tier die Männer nicht wahrgenommen. Oder ignorierte ihre Anwesenheit. Noch lag eine sichere Distanz zwischen ihm und den Rangern und den Gebäuden der Safari-Lodge hinter ihnen.
»Bist du sicher, dass es Ian ist?«, flüsterte Scott.
»Todsicher. Es ist sein Revier. Und als alter, einzelgängerischer Bulle tauscht er unsere gepflegte Böschung auf keinen Fall mit einem seiner männlichen Konkurrenten gegen die ausgedörrten Uferstreifen links und rechts von unserer Lodge ein. Schau dir mal seinen Umfang an. Das muss er sein.«
Akash und Scott kannten sich schon seit acht Jahren. Scott arbeitete vor der Unabhängigkeit Simbabwes im Jahr 1980 als Wildhüter in dem benachbarten Chizarira-Nationalpark. Akash war ein Jahr nach der Machtübernahme durch Mugabe im Zuge der Afrikanisierung des öffentlichen Dienstes als Ranger zu Scotts Team gestoßen. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und arbeiteten eng zusammen.
Vor fünf Jahren entschieden sie sich, gemeinsam dem Angebot eines millionenschweren Ex-Rhodesiers, Godwin Brown, zu fol-gen, der sich auf seinem ausgedehnten Buschland südlich des Karibasees den Traum von einer eigenen Safari-Lodge erfüllt hatte und erfahrenes Personal suchte. Sie hatten die Entscheidung bis heute nicht bereut.
Wieder raschelte es im Unterholz des Dornengebüschs. Aus einem der Mopanebäume hinter den Wirtschaftsgebäuden kam das Krächzen eines Vogels, der aus dem Schlaf geweckt worden sein musste. Eine Fledermaus schoss taumelnd dicht über die Wasseroberfläche.
»Ian kommt näher«, flüsterte Akash. »Sollen wir?«
»Ich glaube nicht, dass er Ärger machen wird«, sagte Scott dicht an Akashs Ohr. Er spürte, wie sich seine Muskeln anspannten. Das Tier würde nur angreifen, wenn es sich bedroht fühlte. Ein absolutes Horrorszenario war, wenn man als Mensch zwischen ein Flusspferd und das Wasser geriet und das Tier das Gefühl hatte, dass ihm der Rückzug in sein Schutzgebiet abgeschnitten wurde. Die schwerfälligen Kolosse drehten dann durch. Und sie griffen mit einer Geschwindigkeit an, die ihnen niemand zugetraut hätte, der sie zuvor friedlich äsend am Ufer beobachten konnte.
Ian bewegte sich jetzt grasend mit lauten Schmatz- und Kaugeräuschen direkt auf sie zu. Ab und zu hob er kurz den Kopf, und dabei waren selbst in der Dunkelheit die Stehohren links und rechts des riesigen Schädels gut zu erkennen.
Ohne etwas zu sprechen erhoben sich die Männer und bewegten sich langsam einige Schritte rückwärts die Böschung hoch. Als das Tier nicht weiter reagierte, drehten sie sich um und liefen die letzten Schritte bis zu der hölzernen Veranda, auf der die Gäste bei gutem Wetter ihre Mahlzeiten einnahmen, wenn sie sich ihre Mahlzeiten nicht direkt in ihre Bungalows bringen ließen.
Durch die angelehnte Tür gelangten die beiden von der Veranda in den Teil der Anlage, der als Empfangsgebäude und Gästelounge diente. Scott schloss die Tür von innen und blieb dann stehen.
»Wir müssen noch mit unserem neuen Boss einen Termin für die Tour durch unser Gelände vereinbaren. Ich habe es so verstanden, dass wir damit warten, bis Godwin alles an ihn übergeben hat.«
»Korrekt«, bestätigte Akash. »Der Mann hat Glück, dass er zum Ende der Trockenzeit kommt und die Savanne noch recht übersichtlich ist. Die Chancen, dass wir ihm viele Tiere zeigen können, sind gut. Wenn mit den ersten kräftigen Regen im November die Belaubung einsetzt, wird es schwieriger, einen Überblick zu bekommen.«
»Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Raubkatzen, die ihre Beute schlechter ausmachen können«, ergänzte Scott, und es klang für Akash, als ob Scott die Tiere bedauern würde.
Die Männer verließen das flache Gebäude durch die Vordertür. Dort trennten sich ihre Wege.
Beide schalteten fast zeitgleich ihre starken Taschenlampen an und berührten sich zum Abschied kurz an den Schultern. Sie hielten sich streng an eine der Verhaltensregeln, die Godwin Brown aufgestellt hatte: sich niemals ohne Taschenlampe bei Nacht über das Gelände der Lodge zu bewegen. Das galt gleichermaßen für die Angestellten wie für die Gäste. So sollte vermieden werden, dass jemand auf eine giftige Schlange oder einen Skorpion trat. Das Licht sollte aber auch wilde Tiere, vor allem Elefanten, abschrecken, die häufig mitten in der Nacht der Lodge einen Besuch abstatteten.
Scott folgte dem schmalen, mit flachen Steinen belegten Weg entlang der vier Gästehäuser, die in größeren Abständen am Flussufer angelegt worden waren und alle über einen eigenen Garten und eine Terrasse mit einem Minipool verfügten. Über den Hauseingängen brannten runde Leuchten, die matte Lichtkegel auf die Pfade warfen, die vom Hauptweg zu den Bungalows führten.
Am Ende der Häuserreihe befand sich linker Hand der Bootsanlegesteg der Lodge. Im Licht des Mondes konnte Scott die Umrisse des kleinen Ausflugsschiffes erkennen, das ein Touristencamp am Karibasee vor Jahren ausgemustert und preiswert an Godwin verkauft hatte, als das Camp zur Sterne-Lodge mutierte und die Ausrüstung nicht mehr den Ansprüchen der Edeltouristen entsprach.
Am Steg bog Scott ab, ließ das Flussufer hinter sich und erreichte nach etwa hundert Metern das Mopanewäldchen, in dessen Mitte sich ein großes Zelt mit Außendusche versteckte. Scott hatte sich bis heute nicht damit anfreunden können, in einem massiv gebauten Haus zu wohnen.
Akash hatte zwischenzeitlich den Pfad in die entgegengesetzte...
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