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Niemand hatte behauptet, dass Sterben einfach war, doch in diesem Moment, in völlige Dunkelheit gehüllt, wünschte sich Kit Sune, ihr Tod würde dieses Mal wenigstens schnell gehen.
Schnell und schmerzlos.
Sie konnte die Nox zwar nicht sehen, denn der Raum, in dem sie sich befand, war stockfinster - so finster, dass sie nicht einmal ihre eigene Hand vor Augen wahrnahm, aber dafür spürte sie ihre Präsenz umso deutlicher. Wie unzählige kleine elektrische Impulse auf der Haut, ein Knistern, das die Angst real werden ließ. Sofort loderte das Fuchsfeuer in ihr auf, schlug wild um sich und drang glühend bis in ihre Fingerspitzen. Ihre Haut spannte, und jeder Muskel schmerzte, als sich das Feuer weiter ausbreitete, getrieben von der Angst.
Kit schnappte nach Luft, als die Hitze wie ein Echo durch ihren Körper wisperte.
Nicht jetzt, schoss ihr durch den Kopf. Sie atmete tief aus, dachte an Schokolade und hoffte, ihrem inneren Daimon nicht nachzugeben.
Sie brauchte ihre Menschengestalt.
Es war ihre einzige Chance, um zu überleben.
Noch waren die Nox kein fester Teil auf dieser Erde, doch sobald sie von der Niemalswelt in die menschliche Welt übergegangen waren, war es zu spät.
Sie fluchte innerlich und konzentrierte sich auf ihre Atmung, versuchte sich den Geschmack von Schokolade auf ihrer Zunge vorzustellen, zartbitter und herb, alles, was sie als Fuchs verabscheuen würde.
Es funktionierte. Schlagartig wich die innere Hitze, als ob man einen Eimer kaltes Wasser darübergekippt hätte, und das Feuer in ihren Venen hinterließ ein Taubheitsgefühl in ihren Fingern.
Der Raum besaß in etwa die Größe eines halben Fußballfeldes. Es gab zwar zwei Ausgänge auf der linken Seite, doch das sanfte Surren, das aus dieser Richtung erklang, ließ sie vermuten, dass sich die Nox zu dicht bei den Türen manifestierten. Außerdem war da noch eine Reihe von Fenstern auf der anderen Seite, die jetzt mit lichtundurchlässigen Vorhängen verschlossen waren und kein Fünkchen Helligkeit hereinließen - aber sie würde den Teufel tun und den Nox den Rücken zudrehen. Nicht, solange sie die Lage nicht vollständig abschätzen konnte.
Kits Herzschlag dröhnte in ihren pelzigen Ohren, und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Im Grunde gab es keinen anderen Ausweg als einen Kampf auf Leben und Tod. Dafür war sie ausgebildet worden.
Sie atmete lautlos aus und versuchte sich ganz auf ihren sechsten Sinn zu verlassen, so wie sie es bereits als kleines Kind gelernt hatte. Die Luft in dem Raum war trocken und stickig, als ob seit Tagen kein Fenster mehr geöffnet worden wäre, und irgendwo in den Schächten über ihr bewegte sich ein kleines Nagetier, vermutlich auf der Suche nach etwas Essbarem.
Kit stutzte. Da war noch etwas anderes. Sie bemerkte es an den Vibrationen der Luft, als ob jemand atmete. Ein Schatten. Eine Gestalt, die sich versteckt hielt, ihre Präsenz vor ihr verbergen wollte. Kit riss die Augen auf, als sie begriff. Sie war nicht allein mit den Nox.
In diesem Augenblick zerbarst die Stille. Ein Stöhnen erklang, als sich die Dunkelheit teilte und für die Schattenwesen öffnete, die sich einen Weg in diese Welt suchten. Obwohl sich die erschaffene Dunkelheit normalerweise deutlich von der natürlichen Finsternis abhob, sah Kit nichts weiter als Schwärze. Sie fluchte, als der Raum bebte.
Dreißig Sekunden.
Kit zog den Dolch aus der Halterung an ihrem Gürtel, schloss die Augen, um sich noch besser konzentrieren zu können, und lauschte in die Schwärze hinein. Dabei versuchte sie sich nicht zu rühren, denn jede Bewegung hätte ein Geräusch zu viel erzeugt, das die Nox, deren Existenz darin bestand, Lebensenergie zu stehlen, um ihr eigenes, jämmerliches Dasein zu verlängern, auf sie aufmerksam machen würde. Jede Bewegung würde die Wahrscheinlichkeit ihres eigenen Todes verdreifachen. Kit war zwar kein Genie, aber ihr gesunder Alias-Verstand reichte, um sich auszurechnen, dass ihre Überlebenschancen drastisch gegen null sanken. Denn die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass sich Wesen, die keine Augen, Mund oder Nase besaßen, auf andere Sinne verließen.
Vorsichtig wandte sich Kit in die Richtung, in der die Schatten am lautesten knisterten, wie eine Feuerstelle, in die man Holz nachgelegt hatte, und einmal mehr dankte sie ihrem Erzeuger für ihr Fuchsgehör, denn sie konnte jede Nuance in der Finsternis unterscheiden.
Absprungbereit harrte sie aus, die Hand fest um den ledernen Griff des Dolches geschlossen, der sich fremd und ungewohnt zwischen ihren Fingern anfühlte. Unerwartet tauchte Artemis' Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Die Qual. Die Angst. Er war ihr Partner gewesen und an ihrer Seite gestorben, das nagte noch immer an ihr.
Konzentrier dich, dachte sie wütend, presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, um sein Gesicht aus ihrer Erinnerung zu verdrängen. Ihr Puls raste. Das hat hier nichts verloren, verdammt!
Irgendwo zu ihrer Linken erklang ein Zischen, wie ein Windhauch, der durch eine Fensterritze kroch. Sofort drehte sie den Kopf in die Richtung. Das Geräusch klang jetzt wie ein leises Stöhnen, als ob der Wind sich verstärkt hätte. Angezogen von dem berauschenden Duft ihrer alten Seele, gierig nach ihrem Leben, nach allem, was sie ausmachte und sie von all den anderen Wesen unterschied.
Kit spitzte die Ohren, versuchte all die anderen Geräusche in ihrer Umgebung auszublenden. Ihr Daumen kratzte über das erkaltete Wachs auf dem Dolchgriff, und sie stieß die Worte des Nachtsiegels in rascher Abfolge aus. Wie durchsichtige Fäden wickelte sich die Magie um die Klinge, für die körperlosen Nox nicht zu sehen.
Sie waren nicht mehr weit, keine drei Schritte von ihr entfernt. Kits Knie zitterten vor Aufregung.
Die Energie näherte sich, sie spürte die unnatürliche Dunkelheit der Schattenwesen, spürte, wie sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufstellten. Wie viele waren es? Zwei?
Die Dunkelheit erhob sich vor ihr, eine Wand aus Finsternis.
Sie wartete noch einen Herzschlag.
Dann machte Kit einen Sprung.
Ein Luftzug rauschte an ihr vorbei, während sie sich rückwärts abrollte und wieder auf die Beine kam. Blind tänzelte sie nach vorne, dorthin, wo sie einen Augenblick zuvor noch gestanden hatte, und verließ sich dabei ganz auf ihr Gehör. Blitzschnell stieß sie zu, ließ die Klinge in der Schwärze verschwinden.
Links unten. Rechts oben. Mitte. Links. Rechts. Links.
Ihr letzter Vorstoß traf auf Widerstand, der Dolch glomm auf, wurde heller und heller, als ob sich Sonnenlicht im Innern verfangen hätte, und ließ die Umrisse des Nox erkennen. Der Schatten zuckte, wand sich unter Schmerzen und blieb doch stumm. Seine Gestalt sah aus, als würde sie aus schwarzem Rauch bestehen, nur wesentlich fester. Lebendiger. Obwohl nichts an dem Wesen an Leben erinnerte.
Abrupt ließ Kit den Dolch los, der tief in der Masse des Nox steckte, und machte einen Salto nach hinten, um wieder sicher auf den Beinen zu landen. Sicherheitsabstand, denn die Berührung eines Nox war tödlich.
Der Nox krümmte sich, sie hörte es an seinen Bewegungen. Sie hatte ihn verwundet. Er würde zu Asche zerfallen.
Kit nahm nicht mehr wahr, wie es geschah, aber das spielte in diesem Moment auch keine Rolle, denn ein gefährliches Brummen erfüllte den Raum. Jemand antwortete in einem tieferen Ton, wie das genüssliche Schmatzen eines Tieres, das gerade seine Beute verspeiste.
Erst jetzt realisierte Kit, dass sie sich getäuscht hatte. Nicht zwei! Sie waren zu dritt!
Sie fluchte lautlos und riss zwei schwarze Perlen von dem dünnen Kettchen, das sich um ihr Handgelenk schlängelte.
»Zwischen Licht und Schatten liegt dein Grab, gefangen in der Zeit, verloren zwischen den Welten«, stieß sie atemlos die alten Worte hervor und hauchte einen Todeskuss auf die glatte Oberfläche, die augenblicklich zu wachsen begann. Die Perlen gewannen rasch an Größe, bis sie wie zwei Tennisbälle in ihrer Hand lagen. Tanzend drehte sich die Magie im Innern der Kugeln, zuckende Blitze, die Kit schon immer an ein eingefangenes Sommergewitter erinnert hatten. Sie packte mit jeder Hand eine Kugel und stürmte auf die allumfassende Dunkelheit zu.
Etwas strich um ihre Beine, Kit keuchte und sprang zur Seite. Dieses Mal landete sie hart auf dem Boden, rollte sich über die Schulter ab, um den Aufprall abzufangen. Schmerz zuckte durch ihren Körper, doch sie schaffte es irgendwie, die beiden Kugeln nicht loszulassen.
In diesem Augenblick spürte sie, wie einer der beiden Nox sich über sie beugte, sich ihr öffnete, um an ihrer Seele zu tasten. Kits Hände zitterten unkontrolliert, als sie eine der Kugeln in der Finsternis versenkte, indem sie die Kugel einen halben Meter vor sich losließ.
Sofort zog sich die Dunkelheit zurück, fast so, als hätte Kit einen tödlichen Schuss abgefeuert. Heftig hob und senkte sich ihr Brustkorb, und der Raum bebte erneut, doch dieses Mal nicht, weil die Nox erschienen, sondern weil die Niemalswelt sie rief.
Kit erstarrte.
Ihr wurde heiß. Dann kalt.
»Nein«, flüsterte sie tonlos, doch es war zu spät.
Sie hatte ihn nicht wahrgenommen. Weder gespürt, noch gehört.
Die Berührung glich einer Liebkosung, so unheimlich sanft und anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war ein vorsichtiges Tasten, wie Fingerspitzen, die über ihre Haut strichen. Sie fühlte die Berührung, die tiefer glitt, ihr Bewusstsein öffnete.
Bebend schloss Kit die Augen, als der letzte Nox bis auf den Grund ihrer Seele vordrang. Licht explodierte, und sie war von einer inneren Ruhe erfüllt. Bilder aus vergangenen Leben zogen in...
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