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Eigentlich wollte Clara Annerson in Kitzbühel nur ein paar erholsame Tage verbringen. Doch selbst im noblen Grandhotel ist ihre Schnüfflernase gefragt: Ein angeblicher Berggeist stiftet Unruhe unter den Gästen. Bloß ein harmloser Scherz? Clara ahnt sofort, dass mehr dahinterstecken muss. Tatsächlich stößt sie bei ihren Ermittlungen auf einen überaus verdächtigen Todesfall. Und schon bald muss sie der Wahrheit ins Gesicht schauen: Der Mörder hat es ganz persönlich auf sie abgesehen ...
Das Schiller Grand Hotel war vor über hundert Jahren von Marions Vorfahren erbaut worden, die zuvor ein Vermögen im Silberbergbau gemacht hatten. Das jedenfalls erzählte sie mir auf der Rückbank ihres Mercedes Jeeps. Gelenkt wurde der Wagen von Marions persönlichem Assistenten, einem gewissen Daniel Crane. Der gute Mann schien den Jeep mit einem Ferrari zu verwechseln und 190 km/h auf der Autobahn als entspannte Reisegeschwindigkeit zu empfinden. Ich klammerte mich an den Türgriff und vermied es, auf die Straße zu sehen, während Daniel Crane lässig mit einem Arm am Fenster lümmelte und mit lediglich drei Fingern der anderen Hand den Wagen steuerte.
Außerdem erfuhr ich, dass Marion auch privat im Hotel wohnte und zahlreiche weitere Hotels besaß. Die Schiller-Grand-Hotel-Kette zählte mittlerweile dreiundvierzig Niederlassungen, die über den gesamten Erdball verstreut waren, von Oslo bis Muskat, von Peking bis Rio de Janeiro.
»Ich fahre übermorgen nach Kitzbühel zurück. Da kann ich Sie doch gleich mitnehmen«, hatte Marion mir in Wien erklärt, nachdem ich ihre Einladung angenommen hatte. »Das ist bequemer als mit dem Zug.«
Während der Fahrt bestätigte sie den ersten Eindruck, den ich von ihr gewonnen hatte: Sie war eine erstaunlich geduldige Zuhörerin. Teilweise fühlte ich mich wie auf der Couch einer Psychiaterin, nur dass die Couch im Höllentempo zwischen LKWs und Touristenbussen über die Autobahn jagte. Marion ließ sich von mir geduldig alles über meine Beziehung zu Raffael erzählen, solange bis ich es selbst nicht mehr hören konnte. Ich an ihrer Stelle hätte mich weinerliches, in Selbstmitleid zerfließendes armes Opfer schon zwanzig Kilometer nach Wien auf dem Pannenstreifen ausgesetzt.
Kurz vor Salzburg gelang es mir endlich, mich zusammenzureißen und das Thema zu wechseln. Ab da sprachen wir über aktuelle Thriller und persönliche Lieblingsautoren - worüber ich zum Glück in jeder Gemütslage plaudern konnte.
Marion Schiller war eine belesene und sehr kluge Frau, das wurde mir rasch klar. Ich mochte sie. Vielleicht hatte mir der Verlust meines Geliebten zumindest eine neue Freundin eingebracht. Kein Tausch, den ich freiwillig gemacht hätte. Aber auf lange Sicht war eine gute Freundin wertvoller als jeder Mann - das behaupten zumindest die Frauenzeitschriften.
Das Schiller Grand Hotel lag südlich von Kitzbühel. Es thronte hoch oben auf einem bewaldeten Hang und bot einen spektakulären Blick über die Stadt tief unten im Tal und die schneebedeckten Berggipfel in der Ferne.
Ich hatte einen pompösen Kasten im Alpenschick erwartet, aber das Haus entpuppte sich als architektonische Kühnheit allererster Güte: ein gut hundertfünfzig Meter langes, dreistöckiges Ensemble mit viel dunklem Holz und tiefhängenden Dächern, wie sie bei Tiroler Bauernhäusern üblich waren - aber das war es dann auch schon mit den traditionellen Anklängen. Zwischen den Holzelementen funkelten Stahl und Glas, die wie aus einem Science-Fiction-Film anmuteten, und über Teile des Erdgeschosses rankte sich Efeu. Eine postmoderne Zurück-zur-Natur-Idylle. Vor dem Hotel erstreckte sich eine Panoramaterrasse mit Lounge-Möbeln und weißen Sonnensegeln, die Rückseite des Hauses bildete die Felswand, in die es hineingebaut war.
»Ich kümmere mich um Ihre Suite und lasse Ihren Koffer auspacken«, sagte Daniel Crane im vollendeten Kammerdiener-Tonfall und griff nach meinem Gepäckstück, einem gut fünfzehn Jahre alten Lederkoffer, der mir mit seinen abgewetzten Ecken und Kanten auf einmal sehr schäbig vorkam. Ich hatte nicht damit gerechnet, hier wie ein Staatsgast empfangen zu werden. In meinem ganzen Leben hatte noch niemand zu mir gesagt, er lasse meinen Koffer auspacken.
Für einen Sekretär besaß Daniel Crane bemerkenswert muskulöse Arme, aber sein gut sitzender Anzug und der perfekte Scheitel verliehen ihm eine gewisse Eleganz. »Sie möchten bestimmt erst einmal in Ruhe zu Mittag essen«, sagte er. Sein Deutsch war fehlerfrei, aber er sprach mit einem Akzent, der eine amerikanische Herkunft vermuten ließ.
Marion hakte sich bei mir unter und führte mich auf die Panoramaterrasse, die zu der frühen Nachmittagsstunde fast verlassen dalag. Eine russische Familie war mit ihren temperamentvollen Kindern beschäftigt, und am hinteren Ende der Terrasse blätterte eine ältere Dame in einer Illustrierten. Ihre blonde Löwenmähne war so augenscheinlich eine Perücke, dass ich den Blick rasch abwandte.
Ein auffallend attraktiver Mann mit teurer Sonnenbrille hob die Hand zum Gruß, als er Marion erblickte. Sie nickte etwas steif zurück und führte mich zu einem Tisch ganz am Rand der Terrasse, der im Schatten einiger gewaltiger Fichten lag. Die Baumwipfel schaukelten sanft in der warmen Luft.
»Ein beeindruckendes Anwesen«, sagte ich, nachdem eine Kellnerin in Tiroler Tracht meine Bestellung aufgenommen hatte. Marion ließ sich nur ein Mineralwasser bringen.
»Nicht mein Verdienst«, sagte sie mit einem bescheidenen Lächeln, aber doch unüberhörbarem Stolz in der Stimme. »Ich habe es nur geerbt . und ein wenig modernisiert. Erwin führt jetzt die Geschäfte. Mein Mann. Er ist gerade in der Hohen Tatra, wo wir nächstes Jahr ein Schiller Mountain Resort eröffnen werden. Er ist ein sehr fähiger Manager.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Deswegen habe ich ihn geheiratet. Ich selbst widme mich ganz meiner Stiftung, die .«
Weiter kam sie nicht. »Mum!«, kreischte eine Sopranstimme hinter uns, die mich vor Schreck beinahe aufspringen ließ.
Ich fuhr herum. Eine junge Frau war es, die da angestürmt kam. Noch keine zwanzig und das gleiche platinblonde Haar wie Marion. Nur war es wesentlich länger und so perfekt geglättet, dass es ihre Schultern wie Quecksilber umfloss. Nicht einmal mein fürstlich entlohnter Friseur konnte eine solche Prachtmähne zaubern.
Das Mädchen hatte einen seidenen Morgenmantel an, auf dem sich tropische Blumen rankten. Er war so lose gebunden, dass man ihre Brüste mehr als nur erahnen konnte. Einen BH trug sie nicht. Dafür bühnenreifes Make-up. Dahinter aber war ihr Gesicht zart, und sie strahlte trotz ihrer Aufmachung eine Art von Unschuld aus. Beinahe wie eine Elfe, die sich aus dem dichten Wald, der das Hotel umgab, hierher ins Sonnenlicht verirrt hatte.
Eine verdammt wütende Elfe allerdings. »Er war in meinem Zimmer, Mum!«, rief sie und knallte einen Steinbrocken vor Marion auf den Tisch. »In meinem Zimmer!«
Direkt hinter mir zerbarst mit lautem Klirren ein Glas. Erneut wirbelte ich herum. Eine der Kellnerinnen stand da wie vom Blitz getroffen, das silberne Serviertablett, das eben noch das Glas getragen haben musste, wie einen Schild vor die Brust gepresst. »Der Bergmann!«, stieß sie hervor. »Er ist zurück!« Die Wangen der jungen Angestellten hatten sämtliche Farbe verloren.
Die Augen aller Anwesenden waren auf sie gerichtet. Sogar die tobenden russischen Kinder verstummten einen Augenblick und gafften zu uns herüber. Stille. Nichts außer dem sanften Rascheln der Baumwipfel in der warmen Brise des Nachmittags.
»Entschuldigung, Frau Chefin! Ich .« Die Kellnerin kniete sich hin und klaubte mit zitternden Fingern die Scherben zusammen. »Wie ungeschickt von mir. Ich werde das sofort .«
»Schon gut, Alice«, sagte Marion und lächelte bemüht.
Das Mädchen im Morgenmantel ließ sich indessen unaufgefordert in den freien Stuhl an unserem Tisch fallen und stöhnte. Anklagend deutete sie auf den Steinbrocken, den sie Marion vor die Nase geknallt hatte. Er war faustgroß und von unauffälligem Grau. »Ich hab 'nen Scheißschrecken gekriegt. Ich .«
»Leonore, du vergisst dich«, zischte Marion ihr zu. Sie blickte über ihre Schulter, doch die anderen Gäste hatten das Interesse bereits wieder verloren. Bis auf den attraktiven Mann mit der Sonnenbrille, der ungeniert zu uns herüberstarrte. Als er meinen Blick auffing, lächelte er, nickte mir zu und wandte sich dann wieder dem gewaltigen Eisbecher zu, an dem er schon seit unserer Ankunft löffelte.
Marion seufzte. »Darf ich vorstellen: meine Tochter Leonore. Leo, das ist Clara Annerson, mein Gast.« So wie sie die beiden letzten Worte betonte und Leonore dabei mit verengten Augen fixierte, war offensichtlich, dass ihr das Betragen ihrer Tochter in höchstem Maße peinlich war.
Leonore jedoch schien das entweder nicht zu bemerken oder - was ich für wahrscheinlicher hielt - nicht zu kümmern. Sie gab mir zwar artig die Hand, ein lascher und kaum spürbarer Händedruck, aber dann setzte sie ihren Zornesausbruch auch schon fort. Nicht ganz so lautstark immerhin, aber mit einer Vehemenz, die man einem so zarten Geschöpf kaum zugetraut hätte.
»Das ist alles deine Schuld, Mum! Es reden schon alle drüber, das ganze Personal und so! Du holst die Toten aus ihren Gräbern. Das sagen sie! Echt toll, wenn man so 'ne Mutter hat.«
»Leonore! Es reicht! Ruf Daniel an, er soll sich das ansehen. Stellt fest, ob etwas fehlt, und dann lass dein Zimmer aufräumen. Du .«
»Daniel, Daniel. Immer nur Daniel. Er wird's schon richten, nicht wahr! Kannst du dir vorstellen .«
Was Marion sich vorstellen sollte, erfuhr ich nie, denn in diesem Augenblick trat besagter Daniel an unseren Tisch. Es handelte sich um Marions Sekretär, wie ich bereits vermutet hatte. Er warf Leonore einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte, wandte sich dann aber sofort Marion zu. »Frau Schiller, ich muss Sie dringend sprechen.« In seiner Rechten...
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