Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die erzählende, dramatische und lehrhafte Dichtung des Mittelalters ist wesentlich, in Teilen sogar ausschließlich, durch den Endreim bestimmt, den gegen Ende des 9. Jahrhunderts erstmals Otfried von Weißenburg in einem Werk größeren Umfangs durchgehend verwendet. Als Vorbild haben wahrscheinlich die binnengereimten () Hexameter der frühchristlichen Epik gedient. Nachdem dann eine ganze Weile lang (soweit wir wissen) vor allem lateinisch geschrieben worden ist, setzt gegen Ende des 11. Jahrhunderts das Dichten in Reimpaaren aufs neue ein. Die zunächst noch ziemlich ungefügen Verse gewinnen mit der Zeit beträchtlich an Glätte und Eleganz - bis hin zu den streckenweise geradezu jambischen Vierhebern im Spätwerk Konrads von Würzburg.
Die Prosodie der altdeutschen Endreimdichtung faßt einen Teil des Wortmaterials in Reimgruppen zusammen, zu deren Bildung zunächst schon eine ungefähre Übereinstimmung der Schlußsilben genügt. Entsprechend reimen im Evangelienbuch Otfrieds von Weißenburg etwa «fram» auf «arm», «hant» auf «gizalt», «ander» auf «mêr», «got» auf «nôt» - und zum Beispiel «alle» nicht nur auf «falle», sondern ebenso auf «snelle», «wille», «wolle», ja auf «thanne» und «giwerre» sowie auf sich selbst. Im Hinblick auf die Versbildung kommt es außer auf Anzahl und Lage der Tonsilben auch auf deren Länge oder Kürze an - weshalb zum Beispiel «singen» und «sagen» nicht von vornherein äquivalent sind. Dabei gelten als nur die auf kurzen Vokal ausgehenden () Silben: «sagen». Eine Silbe kann entweder sein, durch langen Vokal oder Diphthong: «lägen», «laogen», oder , wenn einem kurzen Vokal mindestens ein Konsonant folgt: «man», «hant».
Dem Dichten in Reimpaaren liegt, aufs Ganze gesehen, nur eine Regel zugrunde: daß je zwei aufeinanderfolgende Segmente des Textes (die eben dadurch als Verse zu erkennen sind) durch Endreim miteinander verbunden werden. Das Reimgeschlecht des Paares (einsilbig oder zweisilbig, männlich oder weiblich) spielt keine Rolle; zunächst sind auch weder Reinheit des Reims noch gleiche Länge der Verse verlangt. Insofern ähneln die Reimpaare des frühen Mittelalters großenteils dem sogenannten Freien Knittelvers der frühen Neuzeit.
Aus dem 'Leben Jesu' der Frau Ava (um 1100):
Do er do zwene tage
gerowet in dem grabe,
in der friste
do zestorte er die helle ueste.
er uùr mit levven chreften,
die grintel mùsen bresten.
Als er da zwei Tage
in dem Grab geruht hatte,
in dieser Zeit
zerstörte er die Höllenfestung.
Er fuhr [hinein] mit Löwenkraft,
die Riegel mußten bersten.
Aus dem des Pfaffen Konrad (um 1170):
do gedachte der haiden:
«unter disen uir stainen
da erstirbet Rolant.
Durndarten nim ich ze miner hant
unt Oliuantem.
so sage ich dem lante,
daz wir gesiget haben
unt ich habe Rolanten erslagen.
des frùt sich imer mere
elliu arabiskiu erde.»
Dieser Heide dachte:
«Zwischen diesen vier Steinen
wird Roland sterben.
Dann nehme ich Dumdart
und Olifant
und melde zuhause,
daß wir gesiegt haben
und ich es war, der Roland erschlug.
Das wird alle arabischen Länder
mit nicht endendem Jubel erfüllen.»
Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts bildet sich das Ideal des Reims und der Verse heraus, und erst um 1300 gibt Heinrich von Hesler auch die Regeln an, nach denen sich (wie er meint) die «meister» gerichtet haben. Ausdrücklich verboten wird der vokalisch unreine Reim. Ein korrekter Vers soll mindestens sechs und höchstens zehn Silben umfassen, im Regelfall aber sieben bis neun - enthält also gewöhnlich nicht weniger und nicht mehr als drei oder vier Haupt- oder Nebentonsilben. Der Grundsatz dieses Dichtens, den man aber nirgends ausgesprochen findet, scheint zu lauten: Im Vers sind Anzahl und Gewicht der Silben einander umgekehrt proportional. Also: Je länger der Vers, desto leichter, im Durchschnitt, die Silben - und umgekehrt. Die mediävistische Verslehre (seit Lachmann) verfährt da etwas anders. Sie orientiert sich statt am feststellbaren Bau am mutmaßlichen Vortrag der Verse und faßt in der Annahme, daß auch eine unbetonte Silbe werden kann, wenn sie auf eine lange betonte Silbe folgt, die Reimpaarverse schon in Otfrieds Evangelienbuch, erst recht aber in den Dichtungen der Periode als viertaktig (Heusler) oder doch wenigstens als vierhebig auf. Im folgenden werden diese Hebungsstellen durch Unterstreichnung bezeichnet.
Aus der Heinrichs von Veldeke:
Du der kamp gelovet was,
des Turnus ende Eneas
beide kume erbeidden
ende sich dar tu bereidden
bit manliken sinne,
du was die koninginne
eines avundes spade
in here kemenaden.
Aus dem Hartmanns von Aue:
Ein ritter so geleret was
daz er an den buochen las
swaz er dar an geschriben vant;
der was Hartman genant,
dienstman was er ze Ouwe.
er nam ime manege schouwe
an mislichen buochen.
Kennzeichen dieser Versgestaltung sind neben der Hebung («sage») insbesondere die im Versinnern («manliken», Hartman») und die am Versende («sinne», «Ouwe») - Erscheinungen, die vorzugsweise dann bemerkt werden, wenn sich bei sprachgerechter Messung nur drei Hebungen ergäben. Reichen selbst diese Mittel nicht aus, wird bisweilen auch oder angenommen:
was zobel ? vil guot ?
Nicht selten erlauben die Verse mehr als eine Skansion - zumal in der Behandlung des Auftakts: der auch eine Haupttonsilbe enthalten kann, sowie bei der Bestimmung des Schlusses: weil zwischen zweisilbig klingender («singen») und weiblich voller Kadenz («singen») sprachlich kein Unterschied besteht. Darum bleibt zum Beispiel offen, ob man «gote unde der werlt beworen» oder (mit ) «got? unde der werlt beworen» zu messen hat.
In der Epik der klassischen Zeit stehen vor der ersten Hebung (im ) höchstens zwei Silben («eines avundes»); auslautendes e wird vor vokalischem Anlaut in der Regel («ze Ouwe»). Die bei Gottfried von Straßburg, dann bei Konrad von Würzburg streckenweise auftretende von je einsilbiger Hebung und Senkung regiert jedoch noch in keinem Fall das Ganze eines Werks.
Aus dem Gottfrieds von Straßburg:
daz ich nie
ze keinem manne muot gewan
und hiut? und iemer alle man
von minem herzen sint verspart
niwan der eine, dem da wart
der erste rosebluome
von minem magetuome.
Aus dem Konrads von Würzburg:
Was sol nu sprechen unde sanc?
man seit ir beider cleinen danc,
und ist ir zware doch unvil,
die mit getihte fröuden spil
den liuten bringen unde geben.
man siht der meister wenic leben,
die singen oder sprechen wol.
da von mich wunder nehmen sol,
daz beide rich? und arme sint
an eren worden also blint,
daz si die wisen ringe wegent,
die wol gebluomter rede pflegent,
die schoene ist und waehe.
Gern gebrauchte Kunstmittel sind die : wenn ein Satzschluß genau in die Mitte des Reimpaars...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: PDFKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat PDF zeigt auf jeder Hardware eine Buchseite stets identisch an. Daher ist eine PDF auch für ein komplexes Layout geeignet, wie es bei Lehr- und Fachbüchern verwendet wird (Bilder, Tabellen, Spalten, Fußnoten). Bei kleinen Displays von E-Readern oder Smartphones sind PDF leider eher nervig, weil zu viel Scrollen notwendig ist. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.