Sie waren wie Schlangen, nur noch leiser, aber genauso tödlich. Nicht einmal das spärliche Gras am Rand der Dragoon Mountains raschelte, als sie das letzte Stück bis zu den Pferden krochen. Dort stand der Posten, fast nur ein Schatten, der langsam hin und her schritt. Feuerschein flackerte von den zu einem Viereck aufgefahrenen Wagen bis zu dem Hügel empor, an dessen Fluss die Wagen in der Nacht standen.
Willis, der Posten, machte noch genau vier Schritte. Dass die Herangeschlichenen zwischen den Hufen der Pferde lagen und einer schon sein Messer zwischen den Zähnen hatte, sah er nicht. Willis ging vorbei, hörte Glennock am Feuer lachen. Er machte den letzten Schritt in seinem Leben, als ein Indianer jäh unter dem Pferd hervorflog. Nun hörte er etwas, der Frachtwagenfahrer Don Willis. Es war nur ein Rascheln, das im Prusten der Pferde fast unterging. Der Apache hinter ihm jagte die Faust herunter. Ein einziger Hieb nur, der Don Willis traf und ihn ein Feuer sehen ließ. Es war ein Feuer, das Willis verbrannte und jedes Leben in ihm zerstörte.
Don Willis knickte ein. Aber die Arme des Apachen waren bereits vorgeschnellt und umklammerten ihn. Sie hielten Willis fest, pressten das Gewehr an den jäh erschlaffenden Körper.
Dann sank der Apache wieder in das spärliche Gras zurück. Mit ihm verschwand Willis am Boden.
Drüben am Feuer lachten sie über einen Spaß, den Glennock machte. Ihr Gelächter brandete gegen die Wagenplanen, über Pferde, Apachen und den toten Willis hinweg.
Sogar der kleine Wyatt Poodrey lachte, er hatte Wache und patrouillierte regelmäßig um die Wagen. Poodrey schritt gerade um das Endbrett des letzten Wagens in der langen Reihe. Er war am Hinterrad vorbei, als sich ein Apache aus dem satten Dunkel schob. Der Indianer hatte zwischen den Rädern gelegen. Mit ihrem Schatten verschmolzen war er nichts als ein dunkler Fleck in der Finsternis gewesen. Nun schnellte er in die Höhe.
Im selben Moment blieb Poodrey stehen. Er sah nichts von Willis, der bei den Pferden sein musste.
»Willis?«, rief Poodrey halblaut, voller Misstrauen. »He, Willis, was .«
Dann schwieg er. Der Arm schnellte von hinten über Poodreys Schulter hinweg und fuhr angewinkelt zurück. Er presste sich gegen Poodreys Kehle.
Kläglich, voller Entsetzen, riss Poodrey den Mund auf. Er wollte schreien. Da durchzuckte ein heftiger, stechender Schmerz seinen Hinterkopf. Jäh gaben Poodreys Knie nach.
Im gleichen Augenblick sah Glennock, dass sich irgendetwas an den Pferden bewegte. Schatten tauchten hoch, Pferde wieherten grell los.
»Vorsicht!«, brüllte Glennock. »Indianer!«
Er machte einen Schritt nach vorn und trat gegen das Gestell. Der Kessel daran kippte, Wasser klatschte in die Flammen. Es zischte, Dampf wallte hoch.
Was dann passierte, erschien Glennock wie ein höllischer Traum. Männer schrien, Schüsse krachten. Eine Kugel fuhr Glennock durch den Stiefelschaft und am Bein entlang. Es war sein Glück, dass er sich wegrollte, denn die Schüsse peitschten nun vom Hang herab in die noch glimmenden, glühenden Kistenbretter der Feuerstelle. Funken flogen wirbelnd hoch, Geschosse jagten in den Boden. Dann war nichts mehr da außer dem grellen, schmetterndem Gewieher der Wagenpferde und dem rasenden Trommeln von Hufen.
»Schießt«, schrie Glennock. »Die Pferde gehen durch! Vorsicht an den Wagen!«
Irgendwer vor ihm war unter seinem Wagen gelandet und begann schon zu feuern. Glennock sprang auf. Im Zickzacklauf erreichte er irgendeinen Wagen. Fluchend riss er seinen Revolver hoch.
Staub vor ihm, nichts als düsterer, alles verdeckender Staub, hinter dem sich das Trommeln der Hufe rasend schnell entfernte. Es war sinnlos, durch den Staub zu schießen. Dennoch feuerte Glennock zwei-, dreimal.
Hinter ihm, auf dem steilen Hang schrie eine kehlige Stimme irgendwelche Befehle im Apachendialekt. Die Stimme war so laut und durchdringend, dass sie selbst das Krachen der Schüsse übertönte.
Glennock starrte den Hang hinauf und sah für den Bruchteil einer Sekunde einen großen Indianer, er war aber ganz plötzlich wieder verschwunden, als hätte ihn der Erdboden verschluckt. Dann schoss niemand mehr von der Hanghöhe herab. Das Feuer endete so schlagartig, wie es eingesetzt hatte. Nur das abklingende Trommeln der Hufe war noch wenige Sekunden zu hören.
»Glennock, Glennock, mein Bein .«
Einer von Glennocks Männern wälzte sich hin und her. Der Mann umklammerte den Oberschenkel und schrie.
»Quince!«, knurrte Glennock. Einen Moment fehlte ihm sogar die Kraft zu fluchen. »Quince, kümmere dich um Jake, schnell. Und ihr anderen seht nach, ob sie alle Pferde mitgenommen haben.«
Glennock hatte das Gefühl, einen Hieb über den Kopf erhalten zu haben, als er sich aufstemmte. Siebzehn Frachtwagen ohne Pferde. Es waren seine Wagen, seine Pferde. Der Verlust kostete ihn ein halbes Jahr Arbeit.
»Boss, Willis liegt hier.«
Die Stimme kam von rechts. Glennock ging mit müden, schlaffen Gliedern los, er wusste, was er finden würde, er kannte das zu gut. Sie machten immer ganze Arbeit, wenn sie angriffen.
»Diese verdammten Apachenhunde!«, fluchte jemand außerhalb der Wagen. »Man sollte sie alle aufhängen.«
»Halt dein Maul!«, knurrte Glennock finster. »Wirf sie nicht alle in einen Topf, Fred, verstanden? Das war Sakawa, dieser verdammte Renegat, den sein eigener Stamm in die Wüste gejagt hat.«
»Sakawa?«, fragte einer der Männer entsetzt und fasste nach seinen Haaren. »Boss, bist du sicher? Wenn es Sakawa war, dann .«
»Dann hast du Glück, dass du noch lebst, yeah«, sagte Glennock bissig. »Das waren keine zwanzig Apachen von Sakawas wilder Horde, sonst hätten sie uns die Hälse durch- und die Haare abgeschnitten, wette ich.«
»Hölle und Pest, wo ist denn da ein Unterschied?«, fragte Grossman, der mit Willis auf einem Wagen gesessen hatte. »Apachen sind Apachen - oder?«
»No«, fuhr ihn Glennock scharf an. »Ohne Apachen lebte ich längst nicht mehr, Grossman, merke dir das. Vor zehn Jahren lag ich in der Gila-Wüste fest, die Achse war gebrochen und die Pferde waren verreckt ohne Wasser. Nach vier Tagen fanden mich ein paar umherstreifende Apachen. Ohne sie wäre ich längst tot, klar? Das hier war Sakawa. Ich lass mich hängen, wenn ich mich geirrt habe. Er schrie, ihr habt es doch gehört, oder? So wie der brüllt keiner. He, was ist? Doch noch Pferde?«
»Fünf«, rief einer der Männer und kam hastig angerannt. »Sie haben nicht alle erwischt, diese geborenen Pferdediebe. Boss, was machen wir jetzt?«
Glennock setzte sich auf eine Wassertonne und starrte vor sich hin in den Sand.
Er wusste, die Apachen waren davongejagt, aber niemand konnte sicher sein, dass sie nicht irgendwo einige Späher zurückgelassen hatten, die nur darauf warteten, dass jemand die Wagen verließ, um die Meldung vom Überfall nach Fort Apache zu bringen.
Sakawa, dachte Glennock, ausgerechnet der verdammte Renegat, der nie aufgeben wird, gegen die Armee und jeden Weißen zu kämpfen. Wie lange ist die Armee nun schon hinter diesem riesenhaften Schurken her? Den schnappte bisher noch keiner. Vielleicht hat Joe Torlan, der Scout, eine Chance. Der könnte Sakawa erwischen, wenn der Strolch lange genug in Arizona bleiben und nicht nach jedem Überfall gleich wieder über die mexikanische Grenze türmen würde.
»Sind sie tot?«, fragte Glennock, als seine Männer stumm und düster zu ihm kamen. Er sah sich gar nicht erst um, er wusste, was mit Willis und Poodrey passiert war. »Nun gut, begrabt sie.«
»Boss, willst du etwa keine Nachricht nach Fort Apache schicken?«, fragte Grossman. »Zwei Tote, drei Verwundete, fast alle Pferde gestohlen. Wir fahren schließlich Nachschub für die Armee. Die müssen es doch erfahren.«
»Nicht jetzt, in ein paar Stunden reiten zwei Mann los«, erwiderte Glennock gepresst. »Kannst ja gleich reiten, Grossman, wenn du deine Haare verlieren willst. Irgendwo lauern noch einige Späher, Mister, verlass dich darauf. Tim, willst du reiten?«
»Yeah«, gab Timothy Evens zurück. »Mike, ich reite und halte die Augen offen. Hoffentlich ist Joe Torlan im Fort.«
»Der Scout?«, fragte Grossman mürrisch. »Der ist doch 'n Indianerfreund. Verlasst euch bloß auf den, der will Sakawa vielleicht gar nicht erwischen.«
Glennock stand mit einem Ruck auf. Seine Faust schoss vor und packte Grossman an der Hemdbrust.
»Pass auf«, fauchte Glennock grimmig. »Wenn du was gegen mich sagst, du Neuling in diesem Land, schlucke ich das manchmal, klar? Aber rede nicht über Joe Torlan. Wenn du wüsstest, was Torlan für dieses Land getan hat, hieltest du dein großes Maul und würdest deinen schmutzigen Hut vor ihm ziehen.
Kann schon stimmen, dass Torlan ein Indianerfreund ist. Jedenfalls vertrauen sie ihm mehr als jedem anderen Mann in dieser Gegend. Wenn es einer geschafft hat, die Indianer davon zu überzeugen, dass dieses verdammte, gegenseitige Umbringen ein Ende haben muss, dann er, verstanden? Es gibt auch unter den Weißen Banditen, oder nicht?«
»Yeah, sicher«, erwiderte Grossman erschrocken. »Boss, ich meinte ja auch nur .«
Doch Glennock schüttelte ihn und fuhr grimmig fort: »Dieses Land verdankt Torlan und seinem Vater, dass wir seit Jahren mit den Apachen Frieden haben. Warum soll es unter Apachen nicht so etwas wie Banditen geben, wenn es die bei uns haufenweise gibt? Sawaka ist ein Bandit, ein indianischer Bandit, wenn du so willst. Schlimm an der Sache ist nur, dass er andere Apachen immer wieder verrückt macht und ihnen einbläst, sie könnten die Armee besiegen.
Sage nie wieder, dass Torlan diese...