Schweitzer Fachinformationen
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Ein Märchen wie aus Tausendundeiner Nacht - nach einer wahren Geschichte
Sansibar, Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Luft erfüllt vom Duft der Blüten und Gewürze, endlose Tage in herrlichen Gärten und prunkvollen Gemächern, umsorgt und geliebt von der Familie - Salimas Leben im Palast könnte schöner nicht sein. Doch die unbeschwerten Jahre der Tochter des Sultans von Sansibar finden ein jähes Ende, als ihre Eltern sterben und Salima umziehen muss - in die direkte Nachbarschaft des deutschen Kaufmanns Heinrich.
Die beiden verlieben sich, und schon bald wird die junge Frau schwanger. Für eine muslimische Prinzessin ist ein uneheliches Kind undenkbar, einen Ungläubigen zu heiraten kommt allerdings auch nicht infrage. So bleibt als Ausweg nur die Flucht nach Hamburg, in Heinrichs Heimat. Doch was erwartet Salima in dem kalten, fremden Land?
Dieser farbenprächtige Roman erzählt das außergewöhnliche Leben von Salima bint Said (der späteren Emily Ruete) und spannt den Bogen von einer sorglosen Kindheit auf der Gewürzinsel Sansibar bis in die Hansestadt Hamburg - und darüber hinaus. Ein wechselvolles Leben, mal abenteuerlich, oft tragisch und im Spannungsfeld von zwei Kulturen, zwei Religionen, zwei Welten.
Eine Geschichte über die Bedeutung von Heimat und Herkunft, über Entwurzelung und den Machtkampf kolonialer Interessen - und mit einer unvergesslichen Heldin.
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»Salima! Wirst du wohl hierbleiben! Salima!!«
Salimas bloße Füßchen prasselten in schnellem Lauf über den Steinboden. In ihren Armen und Beinen kribbelte es wohlig; ihr ganzer siebenjähriger Leib jauchzte vor Freude, dem Stillsitzen entronnen zu sein.
»Salima!«
Sie flitzte zwischen den verwitterten Säulen hindurch, hinein in das Gras, das noch feucht war vom morgendlichen Regenguss. Ihr Herz schlug im gleichen übersprudelnden Takt wie die Goldmünzen an den Enden der zahllosen Flechtzöpfchen, die aneinanderklimperten und munter über ihren Rücken tanzten. Leicht und hell schlug es wie die Glöckchen an den Säumen der schmalen Hosen und des knöchellangen Gewandes darüber. Du-kriegst-mich-nicht, sang es in ihr im Rhythmus ihres Atems, du-kriegst-mich-nicht.
»Salima!« Die Stimme der Lehrerin hinter ihr kippte von zorniger Strenge in eine hilflose Klage. »Metle? Ralub .«
Ein rascher Blick über die Schulter verriet ihr, dass ihre Halbschwester Metle sie auf ihren längeren Beinen schon fast eingeholt hatte, während deren Bruder Ralub auf seinen kurzen, stämmigen Beinchen Mühe hatte, mit den beiden Mädchen mitzuhalten. Unverdrossen jedoch trommelte er damit über die Erde, die kahler wurde, je weiter sie rannten, hart gebacken von der Sonne und heiß unter ihren Sohlen. Auf Salimas Gesichtchen breitete sich ein Strahlen aus, das mit der Sonne über ihr wetteiferte; aufs Köstliche mischte sich in ihr der Triumph über die Lehrerin mit überbordender Zuneigung für ihre treuen Geschwister und gipfelte in einem Gefühl der Unbesiegbarkeit.
Wir. Zusammen. Sie kann uns nichts. Keiner kann uns was!
Ein kurzer Augenblick - kaum mehr als ein Wimpernschlag -, in dem die drei Kinder sich ansahen und dann wie auf Geheiß in Gelächter ausbrachen, übermütig und voller Schabernack. Ihr Lachen sprudelte über die Ebene hinweg, flog zum blauen Himmel hinauf und verlieh ihnen Flügel.
Eine Pfauenhenne plusterte ihr braunes Gefieder auf und scheuchte mit aufgeregten Trippelschritten ihre Küken vor sich her, um ihre flaumige Brut vor den heranstürmenden, lärmenden Kindern zu schützen. Salima, Metle und Ralub jedoch rannten unbeirrt auf die Badehäuser zu, die das äußerste Ende der Palastanlage von Beit il Mtoni bildeten. Die Orangenbäume, die die aschrosa Fassaden unter ihren staubbraunen Walmdächern in dichten Reihen säumten, waren ihr Ziel.
Eingehüllt in den honigsüßen Duft der weißen Blüten und außer Atem, schlängelten sie sich zwischen den glattborkigen Stämmen hindurch, bis sie ihren Lieblingsbaum erreicht hatten: ein besonders altes, ausladendes Exemplar, dessen unterste Zweige unter ihrer goldkugeligen Last beinahe den Boden berührten. Wie üblich war es Salima, die als Erste den Fuß in die Gabelung des Stammes setzte und sich behände wie ein Äffchen im schattigen Geäst emporhangelte, dicht gefolgt von Metle, die immer wieder innehielt, um Ralub eine helfende Hand entgegenzustrecken.
»Dafür bekommen wir bestimmt doppelt Haue«, schnaufte Metle, als sie rittlings auf einem Ast zu sitzen kam.
»Nicht wir«, widersprach Ralub in der ihm so eigenen Gemütsruhe. Sein rundliches Hinterteil hatte er bequem in einer Astgabel platziert; er baumelte mit den nackten Beinen unter dem bis an die Knie hochgezogenen Gewand und war schon dabei, die erste Orange zu schälen. »Nur Salima. Die Hiebe, die sie fürs Schwatzen hätte kriegen sollen, und noch welche fürs Weglaufen. Wir höchstens ein, zwei dafür, dass wir ihr nach sind.« Die Schalenstücke ließ er achtlos fallen, bohrte den Daumen in die safttriefende Frucht, um sie in grobe Stücke zu reißen, und stopfte sich den Mund voll.
»Pah«, machte Salima auf ihrem Ast, verschränkte die Arme und blies sich die Ponyfransen aus der erhitzten Stirn. »Das wagt sie nicht! Sonst sag ich's Vater!«
»Vater besteht darauf, dass wir Lehrerinnen, Erziehern und allen Dienern stets Gehorsam und Respekt zollen.« Metles Worte klangen, als zitiere sie aus einem Lehrbuch.
»Genauso wichtig findet er Gerechtigkeit - und das war einfach nicht gerecht von ihr«, sagte Salima trotzig. »Wenn mich Azina was fragt - soll ich dann so tun, als wär ich taub und stumm? Und die Lehrerin weiß doch, dass ich diese Sure auswendig kann; viermal hat sie uns die schon hersagen lassen. Mich dann trotzdem nach vorn zu befehlen und den Stock zu erheben - das ist so ungerecht! Immer hat sie's auf mich abgesehen .« Salima redete sich immer weiter in Wut, bis ihre Wangen sich röteten und ihre dunklen Augen funkelten.
Die Schule, in die sie seit dem vergangenen Jahr ging, war ihr zutiefst verhasst. Den ganzen Vormittag mit untergeschlagenen Beinen auszuharren, wie auf den weißen Bodenmatten festgewachsen, schweigend zuzuhören und nur zu reden, wenn sie dazu aufgefordert wurde, das bedeutete für Salima ungleich größere Pein als der Stock. Die paar Streiche mit dem Bambusrohr gingen schnell vorüber, doch was danach kam, versprach doppelte Folter: auf dem brennenden Hinterteil den Rest der Schulstunde weiterhin reglos abzusitzen. Und weil Salima keine halben Sachen machte, hatte sie einmal mehr die Gelegenheit beim Schopf gepackt und einfach die Beine in die Hand genommen.
»Wenn Vater hört, dass sie uns nicht im Zaum hat, schickt er sie bestimmt zurück in den Oman.« Metles feine Züge verzogen sich kummervoll. »Dann entlässt er sie womöglich ganz aus seinen Diensten, und dann weiß sie nicht, wie sie ihr Brot verdienen soll. Und wir sind schuld.«
»Geschieht ihr recht!«, grollte Salima und pendelte zornig mit den Beinen. »Deshalb ist sie bestimmt auch so gemein. Sie hält sich für was Besseres, weil sie aus dem Oman kommt und von rein arabischem Blut ist.« Sie schnaufte wütend auf und kickte so heftig in das Blattwerk, dass sich eine Orange von ihrem Stängel löste, durch das ledrige Laub rauschte und mit einem satten Thunk! auf dem Boden aufschlug.
Ralubs Augen, die während dieses Wortwechsels beständig zwischen Salima und Metle hin und her gewandert waren, folgten betrübt der verschwundenen Orange, bevor er sich kurz über die klebrigen Finger leckte und dann die nächste abzupfte, wobei er sich sichtlich unwillig danach strecken musste.
»Nachher hast du wieder Bauchweh«, schalt Metle ihn, doch Ralub zuckte nur die Achseln, pellte die Frucht und schob sich den nächsten Brocken tropfenden Fruchtfleisches in den Mund. Erst dann setzte er zu einer Erwiderung an, doch Metle kam ihm zuvor.
»Ssschtt«, machte sie mit großen Augen. »Da kommt wer!«
Die drei spitzten die Ohren. Ralub vergaß für einen Augenblick sogar das Kauen. Von den Badehäusern drangen Laute herüber, vergnügtes Geplansche und Gelächter, eifriges Geschnatter und Gekicher, andächtiges Gebetsgemurmel. Bruchstücke dumpfer Trommelschläge und das dünne Schellengeklingel eines Tamburins, durchwoben von einem mehrstimmigen Frauengesang. Satzfetzen und Wortmelodien in Suaheli, Nubisch, Abessinisch, Türkisch, Persisch, Arabisch, Tscherkessisch, den Sprachen des Palastes und der übrigen Insel. Eine Vielfalt, die sich in den Gesichtern der Menschen spiegelte, die das fein abgestufte Farbenspiel von Sahne und Karamell über Gold- und Olivtöne, Zimt und Kaffeebraun bis hin zum tiefsten Ebenholzschwarz zeigten. Allein wenn der Sultan zugegen war, durfte nur Arabisch gesprochen werden; dies verlangte die stolze Tradition seiner Ahnen.
Das befürchtete Keifen ihrer Lehrerin blieb aus; ebenso das beharrliche Locken eines Leibdieners, vom Vater ausgeschickt, seinen ungehorsamen Nachwuchs aufzuspüren und ihnen die verdiente Standpauke zu halten.
»Da ist keiner«, bekundete Ralub daher auch, spuckte geräuschvoll einen Orangenkern hinab und gleich darauf noch einen.
»He, ihr da oben!«, ertönte eine tiefe Männerstimme unmittelbar unter ihnen.
Die Geschwister sahen sich erschrocken an und machten sich in der Baumkrone so klein wie möglich. Es knackste und raschelte, als kräftige Hände in die Äste griffen und sie auseinanderbogen. Dazwischen erschien erst ein safranfarbener Turban, dann das flächige Gesicht eines grobknochigen, noch sehr jungen Mannes, die Pockennarben auf seinen Wangen nur unzureichend von einem eben erst sprießenden Bart bedeckt. Weiß hoben sich die Zähne gegen seine nussbraune Haut ab, als er breit grinste. »Ich dachte schon, die Stummelaffen hätten über Nacht sprechen gelernt. Wie ich jedoch sehe, sind es nur die Kinder des Sultans, die die Schule schwänzen!«
»Majiiid«, quiekte Salima und konnte nicht schnell genug aus ihrer luftigen Höhe hinabsteigen, bemerkte nicht einmal das Aufjammern Ralubs, als sie ihm dabei unbeabsichtigt einen Tritt versetzte. Das letzte Stück ließ sie sich einfach in die ausgebreiteten Arme ihres älteren Halbbruders fallen und umschlang ihn mit aller Kraft.
Mit einem betont heftigen Keuchen setzte Majid sie ab. »Du bist ja richtig schwer geworden! Ich könnte schwören, du bist seit letzter Woche ein ganzes Stück gewachsen.«
Salima errötete voller Stolz und reckte sich gleich noch ein wenig mehr, während Majid nach Ralubs heldenhaftem Sprung, dessen Landung etwas wacklig geriet, auch Metle Hilfestellung leistete.
»Seit letzter Woche ist noch was passiert - guck!«, rief Salima, bleckte die Zähne und entblößte dabei eine gähnende Lücke in der Mitte ihres Oberkiefers, die ihr ein überaus kesses Aussehen verlieh. Majid bewunderte den ersten ausgefallenen Zahn seiner kleinen Halbschwester...
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