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Eine junge Frau kämpft gegen den Untergang ihrer Heimat - ein spannender Historischer Roman über die Küstenstadt Rungholt, das »deutsche Atlantis«
Rungholt, 1361. Gelegen auf den weitläufigen Salzwiesen der nordfriesischen Küste, ist Rungholt durch den Abbau von Salz, durch Fischerei und internationalen Handel reich geworden. Zwei verfeindete Familien teilen sich die Macht: die von Tammo Jaspers, dem die meisten Salzwiesen gehören, und die von Ove Barwegen, der im Besitz der Fischereiflotte ist. Tammos Tochter Fenna und Oves Sohn Jorik lieben sich, doch das darf niemand erfahren, sonst käme es zur blutigen Fehde. Und nicht nur ihr Glück ist bedroht: Der Salzabbau schädigt die Küste. Fenna warnt seit Langem, dass der nächste Sturm zu Rungholts Untergang führen kann, aber niemand will auf sie hören. Wird es ihr dennoch gelingen, die Stadt und ihre Liebe zu retten?
»Gott hat seine Hand über uns gehalten!« Adalrich, der Bischof von Rungholt, thronte auf einem Podest auf dem Marktplatz und streckte die Arme gen Himmel, der in der Mittagssonne blau leuchtete und nur von einzelnen dicken grauen Wolken durchbrochen wurde, die sich in wilder Hatz zu jagen schienen.
Auf dem Marktplatz drängten sich die Menschen, jeder versuchte, einen Platz zu ergattern, möglichst nahe an dem Podest, um zu hören, was Adalrich sagte. Denn nur wenige Meter entfernt verwehte der auffrischende Wind die Worte.
Fenna stand auf einem Schemel unterhalb des Podests in der ersten Reihe und hörte gespannt zu. Sie liebte es, wenn viele Menschen um sie herum waren. Es gab immer etwas zu sehen und zu hören, immer etwas Neues und Interessantes. Ihr Vater hatte einmal gesagt, dass sie ihm Löcher in den Bauch fragte. Fenna war erschrocken und hätte fast geweint, weil sie geglaubt hatte, Vater wehgetan zu haben. Doch der hatte ihr schnell erklärt, dies sei nur eine Redensart und sein Bauch unversehrt und er sei froh, dass sie mit ihren fünf Jahren so wissbegierig sei, und dass sie ihn immer alles fragen dürfe.
Vater war der Redjeve von Rungholt, der Bürgermeister und erster Richter, deshalb gebührte ihr, seiner Tochter, ein besonderer Platz. Darauf war sie stolz, ebenso wie Mutter, die an der Seite des Schemels stand und sie festhielt. Vater hatte sich neben Adalrich gestellt. Er sah prächtig aus in seinem grünen Samtwams und der goldenen Amtskette. Er hatte eine ernste Miene aufgesetzt. Die passte so gar nicht zu ihm, denn wenn er zu Hause war, lachte und scherzte er oft, warf Fenna in die Höhe und fing sie wieder auf. Es war wie fliegen. Fenna schaute in den Himmel und stellte sich vor, Vater würde sie so hoch in die Luft werfen, dass sie sich auf eine Wolke setzen konnte.
Adalrichs Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah sich um, und für einen Moment schaute sie Ove Barwegen in die Augen, dem Amtsmeister der Fischer. Sein grimmiger Blick erschreckte sie, schnell schaute sie wieder Vater an, der in die Ferne zu sehen schien.
Der Bischof fuhr fort, seine Stimme klang schrill. »Der Herr hat unsere Gebete erhört und uns verschont, obwohl es noch immer viele gibt, die den alten Göttern anhängen. Nur wenige sind in Rungholt und auf den Uthlanden dem Schwarzen Tod zum Opfer gefallen. Gottes Gnade ist unermesslich.« Mit einer Holzkelle nahm er Salz aus dem Fass vor sich und verstreute es in den Wind, der es sofort mit sich forttrug. »Nimm dieses Opfer, o Herr, als Dank für deinen Schutz.«
Ein Teil des Salzes landete auf Fennas Kleid. Sie befeuchtete einen Finger, stippte einige Krumen auf und leckte sie ab. Es schmeckte wunderbar, doch sie war ärgerlich, weil Adalrich das Salz einfach wegwarf. »Mutter, warum verschwendet der Priester das gute Salz?« Fenna hatte bereits gelernt, dass man es nicht verschütten durfte, denn es war zu wertvoll.
»Das ist keine Verschwendung. Er dankt Gott dafür, dass der Schwarze Tod unsere Stadt verschont hat und auch das ganze Bistum. Das hat er doch gesagt, nicht wahr?«
»Ja, das hat er. Ich habe ihn gehört. Wenn Gott aber so mächtig ist, warum will er dann, dass wir Salz verschwenden?«
Mutter sah Fenna ernst an. »Das kannst du noch nicht verstehen mit deinen fünf Jahren, mein Kind. Die Götter tun so vieles, dessen Gründe uns Sterblichen verborgen bleiben.«
Fenna wusste genau, wann Mutter nicht weiter über etwas reden wollte. Jetzt war so ein Moment, und deshalb schwieg sie, obwohl sie gerne erfahren hätte, warum die Menschen irgendwann sterben mussten und die Götter nicht.
Ein kräftiger Windstoß ließ ihre Mutter wanken. Ein Raunen ging durch die Menge, die Menschen bogen sich wie Halme auf einem Weizenfeld. Fenna hob den Blick erneut zum Himmel. Wo vor wenigen Augenblicken noch blauer Himmel zu sehen gewesen war, türmten sich nun schwarze Wolken, die immer dichter wurden. Es würde Regen geben, da war sich Fenna sicher. Regen war gut, denn sie brauchten das Wasser für das Vieh und zum Trinken, sie sammelten es in Brunnen. Dennoch wollte sie nicht nass werden. Nur gut, dass es bis zu ihrem Haus lediglich ein paar Schritte waren.
Aber es waren so viele Menschen da, dass man sich kaum rühren konnte. Obwohl Fenna auf dem Schemel stand, um besser zu hören und zu sehen, konnte sie die Menge nicht überblicken. Sie füllte den gesamten Marktplatz aus, und sogar in den angrenzenden Gassen waren noch Leute und versuchten, ein Wort des Bischofs zu erhaschen. Einige, die Adalrich hören konnten, gaben seine Worte nach hinten weiter. Aber manchmal kam bei den letzten Leuten etwas ganz anderes an als das, was anfangs gesagt worden war. Das war Vater einmal passiert. Er hatte von neuen Prahmen gesprochen, Schiffen, die zum Fischen benutzt wurden, und viele hatten sich gefragt, wozu sie Rahmen bräuchten.
Nun ergriff Vater das Wort, Fenna sah ihn voller Bewunderung an. Sie konnte sich nicht vorstellen, vor so vielen Leuten zu sprechen.
»Seit Menschengedenken ist keine so große Not mehr über die Menschen gekommen. Die Pestilenz ist durch alle Länder gerast und hat ungeachtet Alter und Stand und Glaube nichts als Tod hinterlassen. Auf dem Festland sind ganze Dörfer verwaist, in den Städten weiß man nicht mehr, wohin mit den Toten, Geisterschiffe treiben auf der See, der Handel ist fast zum Erliegen gekommen. Doch nun geht es wieder aufwärts. Die Plage ist von uns genommen. Wir rüsten Schiffe aus, um Hering zu fangen und auszuliefern. Wir heizen die Siedekessel an, um das Salz des Meeres zu gewinnen, das in den Wiesen auf uns wartet und das uns geschenkt wurde zu unserem Nutzen. Wir müssen hart arbeiten und schnell, denn überall herrscht noch immer große Not. Viele Menschen, die dem Schwarzen Tod entkommen sind, leiden furchtbaren Hunger. Wir können dazu beitragen, ihn zu lindern.«
Ein Donnerschlag ließ alle zusammenzucken. Fenna duckte sich und spürte die Unruhe in der Menschenmenge. Eyk, der Schamane, hatte ihr erzählt, dass es der Donnergott Thor war, der ihn mit seinem Hammer Mjöllnir erklingen ließ, wenn er den auf den Amboss schlug, und damit auch die Blitze entfachte, die den Himmel durchzuckten. Doch sie brauche keine Angst zu haben, denn Thor träfe nur die bösen Menschen und sie sei ein gutes Mädchen, das der Gott sicherlich ins Herz geschlossen habe. Wieder donnerte es, eine Böe riss die Fahne mit dem Wappen von Rungholt vom Mast. Ohne Vorwarnung brach der Regen los. Es war, als hätte jemand einen Eimer Wasser über Fenna ausgeschüttet. Innerhalb weniger Augenblicke war sie vollkommen durchnässt, da half ihr auch der dichte Filzumhang nichts. Vater sprang vom Podest, packte Fenna, hob sie hoch, drängte sich mit ihr zum Haus und drückte sie Frauke, der Kellerin, in die Hand, die dem Gesinde vorstand und schon vor Fennas Geburt bei den Jaspers gearbeitet hatte.
»Ein Sturm zieht auf. Schneller als erwartet. Ich muss hinauf auf den Deich. Gib gut auf sie acht.« Er drückte Fenna an sich, Wasser spritzte, so nass waren beide. »Du machst, was Frauke sagt, verstanden? Als Erstes ziehst du dir trockene Sachen an.«
Er wandte sich an die Magd. »Behalte die Gasse im Blick. Wenn die Flut kommen sollte, dann steig mit Fenna hinauf auf den Dachboden. Ich nehme die Knechte mit. Wir brauchen jede Hand, die Deiche sind an vielen Stellen schwach, denn sie sind lange nicht ausgebessert worden. Mögen die Götter uns behüten.« Wie als Antwort krachte ein Donner über dem Haus, das erbebte, ebenso wie Fenna. So nah und so laut hatte sie noch nie Thors Hammer gehört.
Frauke wurde blass, Fenna bekam Angst, aber nicht wegen des Donners, sondern weil Vater nicht weggehen sollte. »Vater, bitte bleib hier. Geh nicht weg. Wo ist Mutter?«
Sie klammerte sich an seinen Arm, doch er machte sich los. »Ich komme wieder. Hab keine Angst.«
Sein Gesicht war ernst und furchtsam zugleich. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich und stürmte aus dem Haus. Der Wind riss ihm die Tür aus der Hand, nur mit Mühe konnte er sie wieder schließen.
Frauke nahm Fenna an der Hand, die nicht vor Kälte, sondern vor Angst zitterte. Sie zog ihr trockene Sachen an und setzte sie an den Ofen. Zwar war Fenna todmüde, doch sie konnte nicht schlafen. Wo war Mutter? Wo Vater? Was, wenn die Flut ganz Rungholt verschlang? Der Sturm heulte immer lauter, Fenna hielt sich die Ohren zu. Frauke wiegte sie in ihren Armen. Die Lider wurden ihr schwer, schließlich schlief sie ein.
Ein Krachen riss Fenna aus dem Schlaf. Die Tür war aufgeflogen. Ihr Herz raste. Wurde sie jetzt von der Flut verschluckt? Musste sie elendiglich ertrinken?
Doch es war nicht die Flut, sondern Vater, Eyk und drei Knechte, die durch die Tür kamen. Sie trugen ein großes Bündel und legten es auf den Tisch. Fenna sprang auf, stürzte zum Tisch, stieß einen schrillen Schrei aus. Es war Mutter.
Frauke zog Fenna weg, doch sie schlug um sich, die Magd musste sie loslassen. Fenna warf sich auf ihre Mutter, die nass war und kalt wie Eis. Schmerz schoss durch ihre Brust, ihr Herz schien zerspringen zu wollen.
»Fenna!« Wie durch eine Wand hindurch hörte sie die Stimme ihres Vaters. »Fenna, du musst jetzt stark sein.«
Er strich ihr übers Haar, Fenna vergrub ihr Gesicht in den nassen Kleidern ihrer Mutter. »Wach auf, Mutter!«, schluchzte sie. »Wach doch auf.«
Sie spürte Vaters starke Arme, die sie von Mutter wegzogen. Er presste sie an seine Brust, sie hörte ihn schluchzen, spürte seine heißen Tränen an ihrer Wange. Sie hatte Vater noch nie weinen sehen. »Sie wird nie mehr aufwachen, mein Kind. Sie ist jetzt bei unseren...
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