Schweitzer Fachinformationen
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Im Folgenden wird ein grober Rahmen mit wichtigen Basisinformationen über das Sexuelle abgesteckt, um im weiteren Verlauf schon die explizit sexualpädagogischen Inhalte darauf gründen zu können. Reflektiert werden Fragen zu Sexualität und sexueller Gesundheit an sich, um anschließend Aspekte gesellschaftlicher Veränderungen, gerade im Hinblick auf die Anerkennung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, zu skizzieren.
Eine verbreitete Definition von Sexualität
»Sexualität ist ein existenzielles Grundbedürfnis des Menschen und ein zentraler Bestandteil seiner Identität und Persönlichkeitsentwicklung. Sexualität umfasst sowohl biologische als auch psychosoziale und emotionale Dimensionen. Die Ausgestaltung von Sexualität deckt ein breites Spektrum von positiven Aspekten ab, wie beispielsweise Zärtlichkeit, Geborgenheit, Lustempfinden und Befriedigung. Menschen leben und erleben Sexualität unterschiedlich, je nach Lebensalter und Umständen« (BZgA 2016 [1994]: 5).
»Sexualität ist ein existenzielles Grundbedürfnis des Menschen« - heißt es oft. Gemeint ist damit dann in der Regel der sexuelle Umgang mit anderen Menschen. Sexualität muss sich aber nicht auf eine*n Partner*in beziehen. Es gibt auch Menschen, die kein Bedürfnis nach sexuellem Kontakt zu anderen Menschen oder nach partnerschaftlicher Sexualität empfinden, ggf. aber Solosex (Masturbation, Selbstbefriedigung, Autosexualität) haben, und es gibt Menschen, die, trotz des nicht vorhandenen Bedürfnisses, Sex mit anderen praktizieren. Wieder andere Menschen mögen zwar Sex, verspüren aber kein Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Nähe (vgl. Profus 2016; Schlag 2016; DeWinter 2021; Baumgart & Kroschel 2022). Das Spektrum sexueller Bedürfnisse ist also weit gespannt, und es ist wichtig, dass sich jeder Mensch so entwickeln kann, wie er möchte, sofern er nicht die Grenzen anderer verletzt: Es geht um sexuelle Selbstbestimmung.
Sexualität ist vielschichtig. Sie umfasst emotionale, psychosoziale und biologische Dimensionen. Darüber hinaus kommen ihr identitätsstiftende und persönlichkeitsbildende Funktionen zu:
Intimität
Kommunikation
Lustempfinden
Zärtlichkeit
Geborgenheit
Fortpflanzung
Befriedigung.
Menschen leben und erleben ihre Sexualität unterschiedlich, abhängig von ihrem Lebensalter und individuellen Lebensumständen. Sexualität ist in diesem Sinn transkulturell und ein sinnstiftendes Phänomen.
Asexualität ist eine Variante des Sexuellen. Asexuelle Personen verspüren meist kein Bedürfnis nach sexuellem Kontakt zu anderen Menschen. Aromantische Menschen verspüren zudem oder hingegen kein Bedürfnis nach intimer Geborgenheit. Auch in Bezug auf asexuelle und aromantische Menschen gilt, dass sie ihre (A)Sexualität unterschiedlich und abhängig vom Lebensalter und ihren individuellen Lebensumständen praktizieren (vgl. Profus 2016; Schlag 2016; DeWinter 2021; Baumgart & Kroschel 2022).
Definition der Weltgesundheitsorganisation zu Sexueller Gesundheit
»Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Sie ist ein Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen oder Gebrechen. Sexuelle Gesundheit setzt eine positive und respektvolle Haltung zu Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, und zwar frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt. Sexuelle Gesundheit lässt sich nur erlangen und erhalten, wenn die sexuellen Rechte aller Menschen geachtet, geschützt und erfüllt werden. Es bleibt noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass Gesundheitspolitik und -praxis dies anerkennen und widerspiegeln« (WHO 2006; Hervorhebungen HV).
Aus dem fundamentalen Menschenrecht auf Gesundheit, festgelegt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1946, ergibt sich:
Jeder Mensch hat das Recht, frei von Diskriminierung, Gewalt und Zwang die eigene Sexualität zu leben.
Jeder Mensch hat das Recht, den bestmöglichen Stand sexueller Gesundheit zu erreichen.
Das schließt einen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung und Sexueller Bildung ein.
Sexuelle und reproduktive Rechte sind das Recht
auf körperliche Unversehrtheit,
auf ein lustvolles, sicheres und befriedigendes Sexualleben,
auf sexuelle Aufklärung und Bildung,
auf freie Partnerwahl,
auf freie Wahl des sexuellen Aktivseins,
auf freie Wahl der Familienplanung und von deren Methoden (inklusive das Recht auf Abbruch einer Schwangerschaft),
auf eine Einvernehmlichkeit bezüglich sexueller Beziehungen und Eheschließungen,
auf die Möglichkeit, Zugang zu Informationen über Sexualität zu erhalten.
»Freie Wahl« heißt auch, nicht sexuell aktiv sein zu müssen. Gerade die sexuellen und reproduktiven Rechte sichern die Wahlmöglichkeiten von Menschen in hohem Maß ab. Nach und nach kommen auch gesellschaftliche Normen ins Wanken, die nahelegen, dass Menschen sexuell aktiv sein sollen oder nur auf eine bestimmte Art - z. B. heterosexuell, reproduktiv - aktiv sein sollen (vgl. Böhm & Timmermanns 2020; entwicklungspsychologisch: Watzlawik 2020).
Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung leitet sich aus dem 1. Artikel des Grundgesetzes (GG) ab und basiert auf dem Menschenrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG).
Es garantiert das Recht auf eine ungestörte sexuelle Entwicklung und den Schutz vor sexueller Fremdbestimmung. Um dieses Recht selbst nutzen zu können, muss man wissen, dass man es hat. Auch dazu braucht es Sexualpädagogik und Sexuelle Bildung.
Die historische Entwicklung sexueller und reproduktiver Rechte
Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte basieren auf dem Gesundheitsbegriff der WHO aus dem Jahr 1946: »Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen« (WHO 1946). Hierauf aufbauend wurde 1975 der Begriff der »Sexuellen Gesundheit« erarbeitet. Sie bedeute »die Integration der somatischen, emotionalen, intellektuellen und sozialen Aspekte sexuellen Seins auf eine Weise, die positiv bereichert und Persönlichkeit, Kommunikation und Liebe stärkt« (WHO 1975).
In Bezug auf reproduktive Rechte ist die UN-Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung 1994 in Kairo das initiale Ereignis. In Kairo wurden weitreichende Festlegungen getroffen und Forderungen formuliert, die das Recht auf Verhütung, die Entscheidung sich fortzupflanzen und die Gesundheitsversorgung auf reproduktivem Gebiet betreffen. Nach Wichterich (2015: 12) wurden in Kairo die Grundlagen gelegt, sexuelle und reproduktive Rechte als Menschenrechte zu betrachten. Die Menschenrechte bilden seitdem den internationalen Rechtsrahmen (WHO 2010). 1995 wurden die Kairoer Festlegungen von der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking bestätigt. Damit waren die UN-Mitgliedstaaten verpflichtet, die sexuellen und reproduktiven Rechte im Rahmen der Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und umzusetzen (vgl. Wichterich 2015: 14).
Bedeutsam für die europäischen Länder war die im Jahr 2001 in Kopenhagen beschlossene WHO-Regionalstrategie für sexuelle und reproduktive Gesundheit (WHO 2001). Sie ist die zentrale strategische Grundlage für die Umsetzung sexueller und reproduktiver Rechte in Europa. 2008 wurde in der Europäischen Union das Kairoer Programm erneut bestätigt. Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die Akzeptanz der Entscheidung der Frau und die Sicherung des Rechts auf Sexualaufklärung und auf unbeschränkten Zugang zu Kontrazeptiva wurden damals als Ziele formuliert (vgl. Busch 2020: 133). Die oben angeführte Definition...
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