Schweitzer Fachinformationen
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Der Mann hatte etwas aus dem Rucksack gezogen. Er ging von Tisch zu Tisch und prügelte damit auf die Gäste ein. Pflügte sich regelrecht durch die Leute und schlug sich den Weg frei. Der Gegenstand in seiner Hand sah aus wie ein Knüppel. Ein Metallrohr. Nein, eher wie ein kurzes Schwert. Wie eine Machete.
Nick sprang auf, schlug mit dem Knie gegen den Tisch und fiel beinahe hin, fing sich aber wieder. Er lief über den Platz auf das Café zu und begriff mit jedem Schritt mehr, dass vor seinen Augen gerade ein Massaker geschah.
Die Menschen stoben auseinander, schrien, brüllten. Viele stürzten. Der Angreifer schlug und stach wahllos auf die Leute ein, traf Köpfe, Arme, Beine, Hände, Oberkörper . Eine scharfe Machete konnte eine fürchterliche Waffe sein. Und das war sie, kein Zweifel.
Nick erreichte die Tische und Stühle auf der gegenüberliegenden Seite. Überall waren Blut und Menschen, die sich klaffende Wunden hielten. Wenn es eine Hölle gab, dann war hier und in diesem Moment ihr Epizentrum. Aber den Mann sah Nick in dem grauenvollen Chaos zwischen all den umherlaufenden, gestürzten und aufspringenden Menschen nicht mehr. Nick wollte sich gerade zu einer Frau beugen, die vor ihm auf dem Boden kniete und sich den Oberarm hielt. Blut sprudelte zwischen ihren Fingern hindurch. Sie starrte den Strahl ungläubig an, nicht in der Lage, die Situation damit übereinzubringen, dass sie noch eine Minute zuvor in aller Ruhe mit ihrer Freundin in der Sonne gesessen hatte, die nun neben ihr hockte, den Gürtel aus ihrer Jeans riss, um damit den Arm abzubinden. Offensichtlich kannte sie sich mit Erster Hilfe aus.
Nick blickte wieder auf, als er ein lautes Schreien hörte.
». alle! Alle, ich bringe euch alle um! Weil ihr es verdient habt!«
Am Rande der Bestuhlung sah er den Mann mit der Machete. Jetzt war sein weißes Hemd sehr deutlich rot besprenkelt. Definitiv nicht mit Wein. Vielleicht war es auch vorher schon keiner gewesen. Die Machete, mit der er auf die Menschen deutete, troff vor Blut. Er ging rückwärts, entfernte sich vom Ort des Geschehens. Dann drehte er sich um und rannte los.
Nick hatte zwei Optionen: bleiben und helfen oder noch Schlimmeres verhindern. Helfen konnten hier manche. Den Amokläufer stoppen nur einer.
»Ziehen Sie den Gürtel, so fest es geht, zu«, sagte Nick zu der Frau, die ihre Freundin verarztete. Auch weitere Gäste kümmerten sich nun um Verletzte. Zwei Kellner standen inmitten des Schlachtfeldes und telefonierten bereits, riefen Hilfe. Das taten auch Passanten, die am Rande des Geschehens standen.
»Ich bin Arzthelferin«, keuchte eine Frau zitternd.
»Ich bin Polizist«, sagte Nick.
»Halten Sie den Mann auf, um Gottes willen!«
»Ja«, sagte Nick.
Er sprintete los, dem Kerl hinterher. Im Laufen zog er sein Handy aus der Hosentasche und suchte seine eigene Dienstnummer aus dem Speicher, die während seiner Mittagspause auf die Zentrale im Hamburger LKA geschaltet war. Es war die Mordkommission. Im Moment nicht gerade die erste Adresse für diesen Fall, aber die am schnellsten verfügbare. Zwei Sekunden später ging jemand dran. Eine weibliche Stimme. Nick verstand den Namen nicht. Aber egal.
»KHK Beck«, keuchte er ins Handy. »Amoklage vor dem Fleethaus, Angreifer mit Stichwaffe, zahlreiche Verletzte, vielleicht Tote, verfolge bewaffnete Zielperson, sofortige Hilfe und Verstärkung benötigt. Notärzte, schickt alles raus, was Beine hat!«
»Shit«, fluchte die Stimme am anderen Ende. »Wir haben zahlreiche eingehende Meldungen. Der Täter hat vorher bereits in einem Geschäftshaus an der Binnenalster um sich geschlagen und viele Menschen verletzt. SEK und Scharfschützengruppe sind bereits draußen, Hubschrauber, es gibt einen Terroralarm.«
Fuck, dachte Nick. Und er mittendrin und ohne Waffe. Was sollte das für ein Terror sein? Der Kerl wirkte eher wie ein Bürotyp, dem eine Sicherung durchgebrannt war, und nicht wie ein Islamist. Aber man konnte sich nie sicher sein.
Die Zentrale fragte: »Wohin flieht er?«
Der Mann rannte über die mehrspurige Stadthausbrücke und kümmerte sich nicht um den Verkehr. Autos hupten, bremsten scharf. Zwei fuhren laut krachend aufeinander. Im nächsten Augenblick war Nick ebenfalls auf der Straße, wich einem Transporter aus, der wiederum ihm auswich und dann mit kreischenden Bremsen gegen einen Pfosten fuhr.
»Richtung neuer Wall«, rief Nick, »und er .«
Nick sah das große Schild mit einem »S« auf grünem Grund. Rolltreppen und Stufen, die nach unten führten. Der Mann hastete um ein Geländer herum, fuchtelte schreiend mit der Machete. Menschen wichen ihm aus. Dann verschwand er im Eingang der S-Bahn-Station Stadthausbrücke, als ob ihn der Erdboden verschluckt hätte.
Die S-Bahn zur Mittagszeit.
Absolut nicht gut, dachte Nick.
». S-Bahn-Station Stadthausbrücke .«, rief Nick. »Ich stecke jetzt das Telefon weg, brauche beide Hände, halte Kontakt aufrecht .«
»Okay, ich schicke dich auf Lautsprecher in den Lage- und Besprechungsraum.«
Was auch immer, dachte Nick, steckte das Handy in die Brusttasche seiner Jacke, ohne das Gespräch zu beenden, rannte ebenfalls um das Geländer herum und dann die Stufen hinab. Wenige Sekunden später erreichte er den Bahnsteig. Weiße Fliesen auf dem Boden, jede Menge Deckenpfeiler, blaue Paneele mit einem Muster aus schwarzen Strichen an den Wänden neben den Gleisen, Neonlicht. Mit den Linien S1, S2 und S3 konnte man von hier aus jeden Ort der Stadt erreichen.
Nick orientierte sich, blickte nach links, nach rechts. Mit einem Rauschen kündigte sich ein eintreffender Zug an. Er hörte einen Schrei von rechts.
Nick sah dorthin und erkannte den Mann mit der Machete, der direkt neben dem Gleis auf- und abstolzierte. Vor einer Bank lag jemand in seinem Blut und kroch über den Boden, rückwärts von dem Mann weg. Gleichzeitig hielt ein anderer das Opfer an den Schultern gepackt, unterstützte es und zerrte es in Sicherheit. Andere Menschen flohen.
»Das habt ihr davon, oder?«, blaffte der Machetenmann mit Stolz geschwellter Brust und fuchtelte mit der Waffe rum. »Ihr könnt mich alle mal! Das hättet ihr euch vorher überlegen sollen, hört ihr? Aber jetzt mache ich Schluss mit euch Schweinen, mit allen!«
Seine Worte vermischten sich mit dem Quäken der Stimme aus den Lautsprechern und dem Sirren, Sausen und Quietschen, als der Zug wie eine rote Schlange heranrauschte.
Nick lief los.
»Polizei!«, rief er. »Weg mit der Waffe!«
Der Mann wirbelte herum und starrte Nick an, der sein Tempo verlangsamte, die Hände anhob, um zu verdeutlichen, dass er unbewaffnet war und außerdem beschwichtigen wollte. Der Zug verlangsamte ebenfalls das Tempo. Gleich würde er stoppen.
Der Mann deutete mit der Machete auf Nick. »Ihr könnt mir nichts anhaben! Keiner kann das!«
Nick ging noch einige Schritte auf ihn zu. Dann blieb er stehen. Nick war früher bei der Bundespolizei gewesen und beim SEK. Er war in Nahkampftechniken trainiert und hatte eine semi-militärische Ausbildung, weswegen man mit ihm besser keine körperliche Auseinandersetzung suchte. Trotzdem wusste er, dass man als Unbewaffneter kein Handgemenge mit jemandem riskieren sollte, der außer Kontrolle und bewaffnet war sowie bereits bewiesen hatte, dass er seine Waffe auch benutzen würde. Vor allem, wenn dieser Jemand eine Stichwaffe in der Hand hielt, blieb man besser auf Abstand. Es gab so gut wie keine Chance, aus einer solchen Konfrontation unverletzt hervorzugehen. Mit einem Messer konnte einem auch der Ungeübteste tödliche Wunden oder schwere Verletzungen zufügen, wenn man den waghalsigen Versuch unternahm, ihn zu entwaffnen, und mit ihm rang - insbesondere dann, wenn es der Angreifer sowieso darauf anlegte zu töten. Messer waren miese kleine Dinger. Erst recht eine Machete. In Ruanda hatten die Hutu und Tutsi Hunderttausende mit den Dingern abgeschlachtet.
»Niemand will Ihnen etwas anhaben«, sagte Nick, während der Zug anhielt und sich die Türen öffneten. Es war die Linie S1. Der nächste Stopp wäre an den Landungsbrücken, dachte Nick - an einem Tag wie heute rappelvoll mit Menschen, Massen von Touristen. »Sie sollten die Waffe hinlegen - und dann reden wir.«
»Bullshit«, fauchte der Mann und sah sich um. Die Tür an dem Waggon in seinem Rücken stand weit offen. Er musste nur drei Schritte machen und wäre drin. Genau das tat er dann, ohne dabei Nick aus den Augen zu lassen.
Nick rief: »Alle raus aus dem Waggon! Polizei! Alle! Raus da! Der Mann hat eine Waffe!«
Vereinzelt stockten die aus- und einsteigenden Fahrgäste. Andere erkannten die Situation sofort, duckten und entfernten sich schnell. Aus den Augenwinkeln sah Nick, dass zwei uniformierte Polizisten die Treppe heruntergelaufen kamen.
Der Kerl mit der Machete stand nun im Waggon. Die Tür vor ihm würde sich jeden Moment schließen.
»Bleib mir vom Hals, Bulle! Ich hacke dich in Stücke!«, schrie er.
Nick ignorierte die Drohung. Er blickte zur Seite. Die zweite Waggontür war zum Greifen nah. Er lief dorthin, sprang hinein, bevor sie sich einen Wimpernschlag später schloss und der Zug wieder losfuhr. Es gab einen Ruck. Nick schwankte für einen Moment. Dann verschwand die Bahn in einem der Tunnel, mit denen Hamburgs Untergrund durchzogen war wie ein Termitenbau.
Das Abteil war bis auf Nick und den Mann leer. Zum Glück. Nick sah den blauen Bildschirm, der den kommenden Stopp anzeigte. Er hatte recht: nächster Halt Landungsbrücken, in etwa zwei Minuten.
Nick behielt den Mann im Blick, der...
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