Schweitzer Fachinformationen
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César Huppendorfer hatte nach der Rückkehr der Kollegen die Auswertung der beschlagnahmten Handys übernommen und war dabei, sie zu durchleuchten. Irgendwie hatte er gehofft, dass einer der Altenheimbewohner vielleicht diese ominöse Frau und ihren Servierwagen gefilmt hatte, von der ihm Franz Haderlein bei der Übergabe erzählt hatte. Aber es war einfach zum Haareraufen. Keiner der Senioren hatte auch nur ansatzweise Interesse am Geschehen im Foyer, Aufzug oder im oberen Stockwerk gehabt, alle nahmen nur das Essen beziehungsweise die lobhudelnden Geburtstagsreden anderer Gäste auf. Am Ende der Festlichkeiten war dieser Renatus auf sein Zimmer verschwunden und mit ihm offenbar auch das Interesse der Senioren an weiteren Ton- oder Bildaufnahmen.
Die Herren Leib, alt wie jung, waren eine Zeit lang häufig zu sehen, dann plötzlich nicht mehr. Der Grund dafür war ja inzwischen bekannt, nur die gesuchte Frau hatte es nicht aufs Bildmaterial irgendeines Mobiltelefons geschafft.
Aber der dunkelhäutige Halbbrasilianer war nicht der Typ, der so schnell aufgab. Er hatte heute sowieso Nachtdienst, also konnte er die Dateien gleich noch einmal durchgehen. Digitale Ermittlung war sowieso sein Spezialgebiet, und diesmal würde er die Sache von einer anderen Seite angehen. Statt die Aufnahmen jedes Handys noch mal einzeln zu sichten, übertrug er die Bilddateien der Geräte komplett auf die Festplatte seines Computers. So hatte er das ganze Bildmaterial an einem Fleck versammelt und konnte es mit einem speziellen Programm aufrufen, außerdem war auf einem Computerbildschirm einfach mehr zu erkennen als auf den teilweise winzigen Bildschirmchen so mancher Rentnerhandys. Eine der Seniorinnen besaß tatsächlich noch ein altes Siemens-Handy. Für César Huppendorfer war das kein Mobiltelefon mehr, sondern erinnerte an eine altägyptische Grabbeilage.
Es vergingen einige Stunden, bis er die Daten von den Geräten mit den oft altertümlichen Anschlüssen heruntergeladen hatte, aber irgendwann spät in der Nacht hatte er es geschafft. Nun ging es allerdings erst richtig los. Jetzt musste er sich erneut durch die Bilder und Filmchen der wilden Rentnerorgie wühlen, in der vagen Hoffnung, doch noch einen Blick auf die mutmaßliche Mörderin zu erhaschen. Wie hatten Franz und Kira die Frau laut den Zeugen noch mal beschrieben? Lange, dunkle Haare, relativ groß, eine grau karierte Hose und eine weiße Jacke, Klamotten, wie sie von Köchen getragen wurden. Also gut, los ging's.
Wieder hangelte er sich von Aufnahme zu Aufnahme, diesmal allerdings in angenehmer Monitorgröße, was das Betrachten des manchmal doch arg verwackelten Materials erheblich erleichterte. Zuallererst nahm er sich die Videodateien zur Brust, was sehr aufwendig war, jedoch ergebnislos blieb. Auch in größerem Maßstab kreierte das Betrachten keinen Erkenntnisgewinn. Dafür wurde dem Kommissar jetzt in aller Deutlichkeit das Ausmaß der teuren Festlichkeit vor Augen geführt. Da hatte sich jemand aber überhaupt nicht lumpen lassen, das Essen war zweifelsohne vom Feinsten. Serviert wurde es von ein paar ziemlich rüstigen Seniorinnen, die mit leuchtenden Augen und hocherhobenen, blank polierten Silbertabletts an den Tischen und der eigenen Herzinfarktgrenze entlangtanzten. Ein hochinteressanter Anblick, trotzdem schloss Huppendorfer das Kapitel Film bald wieder ab und wechselte in das Genre der Fotografie.
Bilder zu betrachten, war weitaus entspannter als das Sichten von Amateuraufnahmen. So eine unbewegte Fotografie war einfach besser für eine optische Inspektion geeignet. Dafür dauerte der Vorgang signifikant länger, weswegen sich Huppendorfer eine ausgedehnte Nachtruhe für heute aus dem Kopf schlug. Die Greisenorgie strahlte auf den Fotos ungefähr den gleichen morbiden Charme aus wie im Bewegtbild zuvor, jedoch weit weniger gefahrenintensiv, was das womöglich abrupte gesundheitliche Ende der einen oder anderen Tanzübung anging. Trotzdem wollte Huppendorfer sich nicht vorstellen, wie aufwendig die Reha zur Erholung der klapprigen Tanzfeen am kommenden Tag ausfallen mochte.
Stunde um Stunde ging ins Land, während der Kommissar geduldig eine Fotografie nach der anderen studierte. Solcherlei Tätigkeiten hatten es an sich, dass der Ausübende aufgrund der sich stupide wiederholenden Vorgänge leicht in eine Art melancholische Trägheit verfiel. Dagegen war auch der Halbbrasilianer nicht immun, vor allem nicht um diese unchristliche Uhrzeit. Langsam klickte er sich durch die Bilder, als er plötzlich aufmerksam wurde, seine Routine stoppte und ein Bild zurückscrollte. Dort stand eine der von ihm so bestaunten Dancing Queens mit hocherhobenem Serviertablett. Nichts, was Huppendorfer momentan noch vom Stuhl gerissen hätte, sein Interesse galt vielmehr dem Tablett, in dem sich etwas spiegelte. Er zoomte etwas näher heran, und sein erster Eindruck verfestigte sich. In dem Tablett spiegelte sich ein Servierwagen, der gerade oben im ersten Stock aus dem Aufzug geschoben wurde. Auch die behandschuhte Hand, welche den Servierwagen steuerte, war zu sehen. Leider war die dazugehörige Person nicht zu erkennen. César Huppendorfer überprüfte sofort die Fotografien vor und nach diesem Bild, das Ergebnis war leider immer dasselbe. Die Spiegelung war das Produkt eines grandiosen Zufalls gewesen und, wie zu erwarten, nicht reproduziert worden. Frustriert betrachtete er das nur teilweise befriedigende Foto, dann starrte er in das Halbdunkel im Büro. Es war ehrlich gesagt zum Wahnsinnigwerden. Solche kurzzeitigen Scheinerfolge waren ihm zutiefst zuwider, eine Art Coitus interruptus für Schreibtischermittler. Aber er hatte nicht die Absicht, sich um sein Ermittlungsergebnis bringen zu lassen. Wenn es nicht auf direktem Wege zum Höhepunkt reichte, dann vielleicht über Umwege. Andere Mütter hatten schließlich auch schöne Töchter.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte César und klickte sich zurück zu seinen Videodateien. Von genau dieser wilden Tanzmumie gab es ja auch ein kleines Filmchen, wenn er sich nicht irrte. Vielleicht war dort von der Spiegelung im Tablett ebenfalls was zu erkennen. Nach einigem Hin und Her hatte er die Filmdatei wiedergefunden und studierte sie erneut auf seinem Computer, dieses Mal aber mit einem ganz anderen Fokus. Sein Blick war statt auf die engagierten Verrenkungen des Tanzvortrages nur noch auf das hoch in die Luft gehaltene Tablett gerichtet. Dann sah er eine gespiegelte Bewegung, der Finger des Kommissars zuckte nach unten auf die Pause-Taste, und die Tanzende erstarrte in ihrer Bewegung.
Trotz seiner blitzschnellen Reaktion hatte er die richtige Stelle verpasst und ließ die Aufnahme nun Bild für Bild rückwärtslaufen. Was er sah, ließ ihn vor Aufregung leicht erschauern, was bei dem smarten Halbbrasilianer äußerst selten vorkam. Ruckelnd bewegte sich eine Frau zurück ins Bild, bis sie und der Servierwagen, den sie durch das Rückwärtsspulen zu ziehen schien, genau zu erkennen war. Die Frau tat Huppendorfer sogar den Gefallen und blickte kurz über das Geländer im ersten Stock nach unten und damit über die spiegelnde Silberfläche genau in die Kamera. Die Gesichtszüge waren durch die Bewegung in der Aufnahme ziemlich verwaschen, trotzdem konnte César genau erkennen, wen er vor sich hatte. Eine große, schlanke Frau mit sportlicher Figur und langen dunkelbraunen Haaren, die sie zu einem Zopf gebunden hatte. Sie trug dunkle Handschuhe an den Händen.
»Bingo, hab dich«, murmelte Hupperdorfer halblaut. Er machte einen Screenshot, erstellte also eine Bilddatei der fraglichen Filmsequenz und sicherte diese auf der Festplatte seines Computers. Jetzt wäre eigentlich der nächste Schritt die Bildbearbeitung gewesen, um die Qualität des Fotos zu verbessern, doch das Telefon auf seinem Schreibtisch begann zu klingeln. Als er abhob und sich meldete, erfuhr sein Arbeitstag eine weitere Verschiebung in den verrückten Bereich: Ein Jäger hatte bei der morgendlichen Jagd auf einem Feld im Itzgrund einen Körper ohne Kopf entdeckt.
Ohne sich allzu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, hegte César Huppendorfer den starken Verdacht, dass der Anrufer den Missing Link zu ihrem geköpften Rentner gefunden hatte, und sah auf die Uhr. Fünf Uhr fünfzehn, der Sonnenaufgang war nicht mehr weit. Er teilte dem Jäger mit, dass er bleiben solle, wo er war, er werde sich umgehend auf den Weg machen. Aber wo zum Geier lag eigentlich Herreth? Nun, sein Navi würde ihm es sicher gleich zeigen.
Er nahm seinen modischen Übergangsmantel vom Stuhl und eilte nach draußen zum neuen elektrischen Dienstfahrzeug auf dem Parkplatz der Bamberger Dienststelle.
Als Bernd Schmitt und Kira Sünkel die Dienststelle betraten, waren sie an diesem Tag ausnahmsweise fast die Ersten, die zur Arbeit erschienen. Lediglich die Dienststellensekretärin Marina Hoffmann war schon anwesend und beobachtete sie sogleich mit Argusaugen. Das hatte durchaus seinen Grund, denn nach Honeypennys Überzeugung war dieses aberwitzige Gespann aus dem lebenslässigen Lagerfeld und der eisenbereiften Neukommissarin Kira Sünkel tief in irgendeine amouröse Machenschaft verstrickt, was die beiden aber bereits mehrfach entschieden von sich gewiesen hatten. In ihren Augen war Leugnen zwar absolut lächerlich, aber früher oder später würde sie schon noch...
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