Schweitzer Fachinformationen
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In Unternehmen und Organisationen werden täglich tausende Entscheidungen getroffen. Viele Managerinnen und Manager versuchen sich und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Unsicherheit der Entscheidungsfindung durch umfangreiche Regelsets zu "befreien". Doch heraus kommen häufig Regelsets, die Arbeit eher belasten, als befähigen. Simple Rules sind Entscheidungsverfahren, die besonders in Situationen der Unsicherheit helfen, Entscheidungen zu treffen, ohne in eine Überregulierung zu verfallen.
Das Buch erläutert anhand von Fallbeispielen was Simple Rules eigentlich sind, wie und wann sie einsetzbar und warum sie überbordenden Regelwerken überlegen sind. Darüber hinaus werden Simple Rules im Managementkontext und agile Projektmanagementtools nach dem Prinzip der Simple Rules beleuchtet.
Das Schweitzer Vademecum ist ein renommierter Fachkatalog, der speziell die relevanten Angebote für juristisch und steuerrechtlich Interessierte sortiert, aufbereitet und seit über 100 Jahren der Orientierung dient. Das Schweitzer Vademecum beinhaltet Bücher, Zeitschriften, Datenbanken, Loseblattwerke aus dem deutschsprachigen In- und Ausland und ist seit 1997 wichtiger Bestandteil des Schweitzer Webshops.
Dr. Marcel F. Volland ist Unternehmensberater, insbesondere auf den Gebieten der Reorganisation technischer Entwicklungsprozesse und von Changemanagement-Prozessen und der Einführung agiler Frameworks in Großorganisationen. Zu seinen Kunden gehören namhafte Vertreter der deutschen und europäischen Industrie. Promoviert wurde er in Unternehmensführung an der Universität Hamburg (Lehrstuhl Prof. Dr. Jetta Frost). Einer seiner Hauptanliegen in seinen Publikationen ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse für Praktikerinnen und Praktiker der Wirtschaft greifbar und anwendbar zu machen.
In Unternehmen und Organisationen werden täglich Tausende und Abertausende Entscheidungen getroffen. Dieser »dispositive Faktor« (Gutenberg 1963) der Unternehmung wird in einer Welt, die zunehmend komplexer wird und gleichzeitig mehr Handlungsoptionen bietet, für viele Managerinnen und Manager unübersichtlicher. Aus einer Flut an Chancen und Optionen fällt es schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. In der Organisationsforschung wird diese Vielzahl an Optionen Kontingenz genannt. Der Systemtheoretiker Luhmann bezeichnete Kontingenz einmal als »Midas-Gold der Moderne«: Wir leben in einer Zeit, in der wir scheinbar noch nie so viele Möglichkeiten hatten, über unsere eigenen Taten zu entscheiden. Weder Grenzen des Standes, der Sprache noch der Nationalität oder gar der Ökonomie hegen unsere Entscheidungsoptionen auf eine natürliche Weise ein. Die beträchtliche Menge an Informationen könnte uns zu den weisesten Entscheidungen führen; aber Midas-gleich scheinen wir an dieser Entscheidungsfreiheit eher zu leiden, als Glück davon zu empfangen. Wie der phrygische König fast an seinem Gold erstickte, so wird Kontingenz in unserem modernen Leben auf ähnliche Weise zu einer Bürde.
Viele Managerinnen und Manager empfinden ganz ähnlich in ihrem täglichen Arbeiten. Sie versuchen sich und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Unsicherheit der Entscheidungsfindung durch umfangreiche Regelsets und Planungen zu »befreien«. Gibt es für jede Situation eine feste Regel, die detailliert vorschreibt, wie gehandelt werden sollte, so vermindert sich scheinbar die Kontingenz. Doch häufig entstehen Regelsets, welche die Arbeit eher belasten, als diese zu befähigen. Bald beginnen die Mitglieder einer Organisation eine Überregulierung zu beklagen.
Ein Gegenmodell dazu stellen Simple Rules dar - auch im Managementkontext. Zunächst soll daher das grundsätzliche Konzept der Simple Rules vorgestellt werden. Simple Rules sind Entscheidungsverfahren, die besonders in Situationen der Unsicherheit helfen, Entscheidungen zu treffen, ohne in eine Überregulierung zu geraten. Sie sind genau das, was Organisationen brauchen, um eben nicht am Midas-Gold der Moderne zu leiden. Wie und wann sie einsetzbar sind, wird in den folgenden Kapiteln geschildert.
Begonnen wird mit der grundsätzlichen Darstellung, was Simple Rules sind. Illustriert wird das durch einige Fallbeispiele. Die sich anschließenden Kapitel widmen sich Simple Rules besonders im Managementkontext. Abschließend werden vor allem agile Projektmanagementtools nach dem Prinzip der Simple Rules durchleuchtet und praktische Hinweise für die Anwendung von Simple Rules gegeben.
»Heuristics are shortcut strategies that save time and effort by focusing our attention and simplifying the way we process information.«
Donald N. Sull und Kathleen M. Eisenhardt, 2015, S. 5.
Reden wir über das Konzept Simple Rules, reden wir über Verfahren der Entscheidung. In einer Organisation - gleich, ob agil oder starr - werden tagtäglich Entscheidungen getroffen. Die Entscheidungen können Managerinnen und Manager auf zwei Weisen treffen: einerseits durch Vorplanungen bzw. Kalkulationen und andererseits mittels Heuristiken. Ersteres nennen wir die Entscheidung by thinking, Zweiteres Entscheidung by doing (Gigerenzer 2008).
Unter einer Entscheidung by thinking versteht man planerisches Entscheiden, in dem alle verfügbaren Informationen ausgewertet und in einen bewussten Entscheidungsbzw. Planungsprozess einfließen. Das regelmäßige »Aufplanen« von Projekten jeder Größenordnung ist ein geläufiger Begriff; hierbei sollen die Entscheidungen bereits bei Beginn eines Projektes determiniert werden. Dafür werden engmaschige Regelwerke entworfen unter der Annahme, dass jede Reaktion auf eine Aktion vorher bestimmbar ist. Die extreme Form von Entscheidung by thinking findet sich in Mammut-Prozessen in Großorganisationen, wie zum Beispiel in den Produktentwicklungsplänen von Automobilen, in denen ein Meilensteinplan von 48 Monaten vorab entworfen wird und in dem es detaillierteste Regeln für die Entwicklungsarbeit gibt.
Simple Rules sind das Gegenteil davon. Sie sind Regeln, die gleichfalls Entscheidungen leiten, aber auf der Einsicht beruhen, dass ein menschlicher Akteur nicht alle Informationen, selbst wenn er sie ermittelt hat, auswerten sollte (oder kann), um eine gute Entscheidung herbeizuführen. Die Stärke von Simple Rules ist - gemäß ihrer Bezeichnung - Einfachheit. Zum Vorteil wird sie in Situationen der Unsicherheit, in der jegliche Planung nicht mehr standhalten kann, weil die Umstände, in der eine Entscheidung getroffen werden muss, unübersichtlich (geworden) sind. In solchen Situationen der Unsicherheit verändern sich enorm schnell die Fakten. Fixe Fakten sind aber der Grundbaustein einer jeden Planung. Fallen diese weg, entfällt auch ihre Wirkung. Diese Einsicht hatte bereits der bekannte preußische Generalfeldmarschall Helmut Graf von Moltke (1800-1891), der in seinem Werk »Über Strategie« seinem Generalstab folgende Worte mit auf dem Weg gab: »Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus« (Moltke 1900).
Selbstverständlich sind im organisationalen Kontext beide Entscheidungsformen - Planungen und Heuristiken - vorhanden. Hier geht es aber darum, herauszustellen, wann im Managementkontext Simple Rules komplexen Regelwerken überlegen sind. Hierfür wird auf die Erkenntnisse der kognitiven Psychologie zurückgegriffen. Diese werden ins Feld der Unternehmung übertragen und so für Managerinnen und Manager fruchtbar gemacht.
Das Konzept von Simple Rules stammte aus der kognitiven Psychologie, bevor es in den Managementkontext übertragen wurde. Simple Rules werden in der kognitiven Psychologie auch als Heuristiken bezeichnet. Damit Heuristiken auf den Managementkontext übertragen werden können, muss vorab der kognitionspsychologische Kontext erläutert werden. Eine geläufige Definition von Heuristiken ist:
Heuristiken sind Verfahren der Entscheidung, die unter begrenzter Information, begrenzter Zeit sowie geringer Bearbeitungskapazität angewendet werden.
Heuristikkonzepte haben eine lange Geschichte. Bereits in der Antike war das Wort »heuriskein« (finden) im Altgriechischen zu finden (Gigerenzer/Gaissmaier 2011). Albert Einstein verwendete den Begriff dann in einem Aufsatz von 1905, um zugleich die Begrenztheit sowie Nützlichkeit seiner Erkenntnisse zu bezeichnen. Der Aspekt der Begrenztheit wurde in der späteren Psychologie zu einem Streitpunkt: Sind Heuristiken gute Verfahren der Entscheidung oder eben wegen dieser Begrenztheit nicht? Das muss auch hier erörtert werden, denn diese Frage stellen sich Managerinnen und Manager, aber auch alle weiteren Mitglieder einer Organisation, wenn es um die täglichen Entscheidungen geht. Kann ich auf einfache Regeln setzen, wenn daneben doch die Möglichkeit einer ausgefeilten Planung steht? Wenn es Methodiken gibt, vorab geplante Meilenstein- oder Wasserfallpläne zu verwenden, bei denen ich alle möglichen Informationen mit einbeziehe? Auf die Grundfrage hinter diesen Überlegungen haben Kognitionsforscher des 20. und 21. Jahrhunderts verschiedene Antworten gegeben.
Die Eigenheit von Heuristiken ist, dass sie Verfahren der Entscheidungen sind, die auf begrenzten Informationen, begrenzter Zeit und begrenzter Bearbeitungskapazität beruhen. Treffen die Agierenden Entscheidungen in komplexen, d. h. unsicheren Situationen, können sie nicht alle denkbaren Alternativen durch Planung oder Vorkalkulation ermitteln, sondern müssen sich auf kognitive Verkürzungen verlassen. Voraussetzung für die Effektivität von Heuristiken ist, dass Akteure einen Teil der verfügbaren Informationen ignorieren bzw. sich auf nur einige bekannte Merkmale eines Objektes oder ihrer Umwelt bei Entscheidungsfindungen verlassen: »Heuristics can be used to predict the properties of parts of the space not yet visited from the properties of those already searched« (Newell/Simon 1972). Die an sich bereits eingeschränkte Informationslage in Unsicherheitssituationen wird damit - bewusst oder unbewusst - nochmals begrenzt. Trotzdem werden Heuristiken von den Vertretern des sog. Fast-and-frugal-heuristics-Ansatzes nicht als kognitive Einschränkungen, sondern als wirksame Mechanismen im Umgang mit unsicheren Situationen betrachtet (Gigerenzer 2008; Gigerenzer/Gaissmaier 2011).
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