Typgerechte Hundeerziehung

Wir Menschen unterscheiden uns voneinander, genauso wie auch unsere Hunde sich voneinander unterscheiden. Menschen und Hunde sind verschieden aufgrund einer Kombination von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen, aber auch von Erziehung, Bildung und persönlichen Erfahrungen. Jedes Lebewesen hat eine einzigartige Kombination dieser Faktoren, die dazu führt, dass wir alle individuell sind. Es ist diese Vielfalt, die unsere Welt so interessant und bunt macht.

Bei Hunden haben wir mal mehr und mal weniger Einwirkungsmöglichkeiten darauf, welche der verschiedenen Faktoren besonderen Einfluss auf sie ausüben. Je nachdem, in welchem Alter wir unseren Vierbeiner bekommen, welche Vorerfahrungen er bereits gemacht hat und in welchem Umfeld wir uns bewegen, können wir seinen Charakter mitformen.

Die genetische Veranlagung, die Lebenserfahrung, die Erziehung, die Umgebung und die Entscheidungen, die getroffen werden, formen im Lauf der Zeit die Persönlichkeit unseres Hundes und beeinflussen, wie er sich in den unterschiedlichsten Situationen verhält. Es ist eine komplexe Mischung aus biologischen, psychologischen und sozialen Einflüssen, die dazu führen, dass sein Charakter so ist, wie er ist. Tierschutzhunde mit unbekannter Vergangenheit stellen ihre Besitzer daher oft vor Rätsel.

DIE VERSCHIEDENEN HUNDETYPEN

Wir unterscheiden in diesem Ratgeber, wie auch schon in André Vogts Bestseller »Typgerechtes Welpentraining«, zwischen vier gängigen Hundetypen: dem Draufgänger, dem Sensiblen, dem Sturen und dem Gemütlichen. Doch natürlich ist nicht alles schwarz oder weiß. Die wenigsten Vierbeiner sind nur gemütlich oder nur draufgängerisch. Auch ein Wechsel vom Sensibelchen zum Draufgänger ist im Laufe der Entwicklung eines Hundes durchaus möglich.

Schauen wir uns nun zunächst die charakteristischen Wesensmerkmale der vier Hundetypen im Detail an.

Der Draufgänger

Diesen Typ Hund sollten Sie stark fordern und fördern. Gehen Sie mit ihm ins Unterholz, stellen Sie ihm Mutproben und beziehen Sie ihn vom Welpenalter an stark auf sich. Sie müssen dem Draufgänger beweisen, dass Sie die Dinge im Griff haben und ihn anleiten können. Vielfach bringt er sich selbst in Gefahr und überschätzt seine Fähigkeiten und Möglichkeiten. Durch seinen Mut gerät er häufig in prekäre Situationen.

Mit dem Draufgänger haben Sie einen sehr sicheren Vierbeiner, der vor nichts Angst hat und deshalb alles mitmacht. Beim Training sind diese Hunde oft äußerst motiviert und begeisterungsfähig. Wenn man ihr Interesse geweckt hat, arbeiten sie gern mit, doch leider lassen sie sich auch schnell ablenken. Die Konsequenz ist, dass man sich als Besitzer immer wieder interessant für den Hund machen muss. Je abwechslungsreicher und variabler mit ihm gearbeitet wird, umso lieber wird er mitmachen.

Ein Draufgänger hat vor nichts Angst. Er will am liebsten alles und sofort. Dieser Hund ist sehr aktiv und hat große Freude am Rennen.

Mit einem hohen Anspruch und genug Förderung sind diese Hunde leicht zu erziehen. Langweilen sie sich allerdings, so suchen sie sich auch schnell mal eigene Beschäftigungen und zeigen scheinbar keine Bereitschaft, sich für ihren Besitzer zu engagieren.

Der Draufgänger ist nicht selten auch halsbrecherisch unterwegs. Daher sollte man als Mensch ebenso in der Lage sein, eine ausbremsende Funktion einzunehmen, und es leisten können, einen Draufgänger im Energielevel herunterzuregulieren.

Der Sensible

Dieser Typ Hund ist vor allem sehr empfindlich und feinfühlig, und er verhält sich in der Regel vorsichtig, manchmal auch unsicher. Er braucht Zeit, Dinge zu untersuchen und als ungefährlich abzuspeichern. Dieser feinfühlige Vertreter der Hundegesellschaft ist meist sehr anhänglich. Er kennt stets Ihre momentane Stimmung. Stärker noch als andere Hunde wird er sie spiegeln. Im Training wird er versuchen, Ihnen alles recht zu machen. Versteht er Sie nicht, wird er, statt es auszuprobieren, lieber gar nichts mehr versuchen. Zu groß ist seine Sorge, sich falsch zu verhalten. Obwohl er sich so konträr zum Draufgänger verhält, tun auch einem sensiblen Hund Mutproben durchaus gut. Denn sie stärken sein Selbstbewusstsein und nehmen ihm vielleicht auch den einen oder anderen Angstmoment.

Der Sensible ist vorsichtig und braucht häufig etwas länger, Neues zu akzeptieren. Nimmt man darauf Rücksicht, dankt er dies mit besonders großer Anhänglichkeit.

Von allein macht der sensible Hund nicht viel. Er braucht die Animation seines Menschen, um die Welt zu entdecken und daran Spaß zu entwickeln. Bei Spaziergängen wird er seinen Radius nicht vergrößern, sondern lieber an Ihrer Seite bleiben. Er hat Sorge, seine Menschen zu verlieren, und findet vieles gruselig. Alles in allem ist er sehr vorsichtig, doch das ist absolut in Ordnung, denn jeder Vierbeiner hat sein eigenes Tempo. Hunde vom Typ Sensibelchen brauchen von ihrem Halter viel Einfühlungsvermögen und einen ruhigen Umgang mit ihm.

Der Sturkopf

In diesem Zusammenhang muss man sich zunächst einmal fragen: Sind Hunde im menschlichen Sinne stur? Wir hören es häufig von Hundehaltern, aber sind deren Vierbeiner wirklich stur? Sicher nicht. Trotzdem bleiben wir in diesem Buch bei der Charakterbeschreibung des Sturkopfs, erklären aber, was wir darunter verstehen. Sogenannte Sturköpfe sind in der Regel besonders selbstständige Hunde, die sehr gern ihre eigenen Entscheidungen treffen. Sie glauben oft, sie kämen auch ohne Menschen wunderbar zurecht.

Der Sturkopf ist sehr selbstständig und recht eigensinnig. Er testet gern seine Grenzen aus. Doch wer ihn überzeugt, hat in ihm einen zuverlässigen und klugen Begleiter.

Der Sturkopf fragt gern nach, ob etwas, das Sie von ihm wollen, nötig und sinnvoll ist. Und er testet, mehr noch als andere Charaktere, seine Grenzen aus. Dadurch wirkt dieser Vierbeiner im landläufigen Sinne stur. Einen Sturkopf zu trainieren ist anspruchsvoll - aber genau deshalb auch sehr spannend. Denn sein Halter muss immer ein wenig mehr tun, um ihn zu überzeugen, mitzumachen. Dafür ist es sehr praktisch, ihn gut zu beobachten. Was bereitet ihm besonders viel Spaß? Und wie kann man diese Freude nutzen, um den Sturkopf in einer anderen Lage zu besiegen? Ja, ganz schön herausfordernd! Aber deshalb ist es auch so schön und wichtig, direkt früh zu starten. Denn ein vermeintlich sturer Hund kann sich auch zu einem sehr klugen Weggefährten entwickeln. Hunde von diesem Typus brauchen einen Menschen, der noch ein bisschen beharrlicher ist als sie selbst. Klare Vorgaben für das gemeinsame Zusammenleben und ein starkes Durchsetzungsvermögen des Halters zahlen sich beim Sturkopf besonders aus.

Der Gemütliche

Dieser Hundetyp liegt gern auf einem angenehmen Ruheplatz und beobachtet seine Welt von dort aus. Oft bemerkt man ihn gar nicht, weil er sich so ruhig verhält. Die Gemütlichen haben am liebsten ein Gelände, das sie gut überschauen und auf diese Weise auch überwachen können.

Der Gemütliche entdeckt die Welt am liebsten von seinem Ruheplatz aus. Er braucht geduldige Menschen, die ihn zum Mitmachen bewegen.

Dieser Typ Hund ist gern an Ihrer Seite und nicht sehr anfällig für entgegenkommende Reize wie Jogger, Radfahrer oder andere Mensch-Hund-Teams. Denn darauf einzugehen, bedeutet Bewegung und das Aufbringen von Energie. Mit einem gemütlichen Hund haben Sie eher weniger Probleme, aber auch eine große Herausforderung: und zwar die, ihn aus sich herauszulocken, ihn zu Kommunikation und zum Spiel anzuregen. Denn dann merkt auch der Gemütliche, dass ein bisschen toben doch viel Spaß bereiten kann. Alles, was der Gemütliche tut, macht er mit Bedacht. Er scheint oft nachzudenken. Hat er etwas sicher verstanden, wird er es ein Leben lang nicht vergessen. Er hat in allem sein eigenes Tempo. Im Training kann es passieren, dass man denkt, dieser Vierbeiner lernt das nie! Aber drei Tage später führt er die Übung aus, als hätte er zuvor nie etwas anderes getan. Diese Hunde brauchen viel Zeit und vor allem geduldige Menschen.

Sich gegen Widerstände durchzusetzen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Hundehalters.

DIE VERSCHIEDENEN MENSCHENTYPEN

Es gibt viele verschiedene Wege zur Klassifizierung von Persönlichkeitstypen. Vom A- und B-Typen-Modell bis hin zu einem Modell mit 16 verschiedenen Persönlichkeitstypen existieren unterschiedlichste Verfahren, um die mannigfachen Charaktere von uns Menschen zu identifizieren. Letztendlich gibt es unendlich viele Möglichkeiten, Persönlichkeiten zu klassifizieren, da jeder Mensch einzigartig ist.

In den vergangenen Jahren bemerkten wir in unserem Hundetraineralltag jedoch auch immer wiederkehrende Charakterzüge bei unterschiedlichsten Menschen, die wir in unserem Ratgeber in vier Kategorien einteilen. Wir unterscheiden den Manager, den Chaoten, den Empathen und den Strukturierten. Bevor wir in die Beschreibungen der einzelnen Hundebesitzertypen einsteigen, möchten wir ein paar grundlegende Charaktereigenschaften beschreiben, die wir an Hundehaltern besonders schätzen.

Die richtige Einstellung zum Hund und seinem Verhalten macht aus Mensch und Hund ein gutes Team.

1. Konsequenz, Verbindlichkeit und Konstanz

»Ein Hund? Oh, da musst du aber konsequent sein!« Dieser Ausruf ist uns beiden mehr oder weniger häufig entgegnet worden, als wir Freunden und Bekannten von dem Plan des ersten eigenen Hundes berichteten. Aber was heißt das überhaupt,...