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Eine Frau, die sich in der Nachkriegszeit einen Platz im Leben erkämpft, ein Mann, der gegen das Unrecht kämpft und ein historischer Kriminalfall, der auf Tatsachen beruht.
Ruhrgebiet, 1948. Der Kriminalbeamte Carl Bruns arbeitet für die Abteilung Kapitalverbrechen im Essener Polizeipräsidium, nachdem er während der Nazizeit seinen Beruf nicht ausüben konnte. Im Zuge von Mordermittlungen erfährt er von einer grauenvollen Bluttat, die sich drei Jahre zuvor gegen Kriegsende ereignet hat. Während er dem flüchtigen Täter von damals nachspürt, geschehen weitere Morde. Erst allmählich erkennt Carl Bruns, dass sie Teile eines tödlichen Puzzles sind. Nicht nur er selbst gerät dabei ins Fadenkreuz des Mörders, sondern auch die Frau, die er liebt – die verwitwete Krankenschwester Anne, die verzweifelt an eine bessere Zukunft für sich und ihre Schwestern glaubt. Doch Anne hütet ein düsteres Geheimnis, von dem auch Carl nichts ahnt .
Der erste große Spannungsroman der SPIEGEL-Bestsellerautorin Eva Völler – authentisch, aufwühlend und packend.
Ein historischer Kriminalfall mit einem charismatischen Ermittler vor dem Hintergrund des in Trümmern liegenden Ruhrgebiets. Der Krimi spielt im Jahr 1948 zu einer Zeit, als die Verantwortung für Polizei und Justiz langsam wieder in die Hände der deutschen Behörden zurückgelangt. Doch entnazifiziert sind diese noch lange nicht.
"Nach dem zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Ämter in Justiz und Verwaltung wieder mit ehemaligen Nazis besetzt. Als Juristin wollte ich wissen, wie es dazu kommen konnte; noch mehr aber, wie davon Betroffene – sowohl Täter als auch Opfer – einander später in ihrem Alltag begegnet sind." Eva Völler über Helle Tage, dunkle Schuld
Der Spannungsroman beruht in Teilen auf einem wahren Fall und ist der Auftakt zu einer Krimi-Reihe.
Carl ging mehrmals um die Tote herum und betrachtete sie aus jedem nur möglichen Blickwinkel. Zwischendurch begab er sich auch in die Hocke, um manche Stellen näher in Augenschein nehmen zu können. Der Polizeifotograf machte auf seine Anweisung hin einige Fotos.
Die Frau hieß Adelheid Hoffmann. Weibliche Leiche, hatte Carl in den ihm eigenen unleserlichen Kürzeln in sein abgewetztes Notizbuch gekritzelt. Alter zwischen 60 und 70. Fenstersturz.
Sie war in der Nacht von Mietern ihres Hauses gefunden worden, offenbar kurz nachdem sie gestorben war. Die Leichenstarre war mittlerweile weit fortgeschritten, das Blut auf den Steinen fast vollständig getrocknet. Der Polizeiarzt war bereits vor Ort gewesen und hatte Carls vorläufige Einschätzung bestätigt. Carl wartete nur noch auf den Bestatter, der die Tote abholen sollte.
Das Grundstück der Verstorbenen lag in Essen-Rüttenscheid. Das Haus, hinter dem man ihre Leiche entdeckt hatte, ragte in seltsamer Unversehrtheit als einziges der näheren Umgebung aus einer Trümmerlandschaft hervor, mit drei intakten Stockwerken und einem unbeschädigten Dach. Die benachbarte Umgebung war verwüstet, nur dieses Haus hatte den Sturm der Vernichtung überstanden. Lediglich der hinterm Haus befindliche Garten war zerstört; er lag immer noch unter einem Berg von Schutt begraben - den Hinterlassenschaften eines Gebäudes in der dahinter verlaufenden Parallelstraße.
Die Fenster des Hauses waren wohl bei einer der vielen Bombardierungen zersprungen; die Scheiben sahen noch ziemlich neu aus. Der Rest des Hauses wirkte dagegen verwittert und teilweise verwahrlost, mit abgeplatztem Putz und dunklen Einfärbungen vom allgegenwärtigen Essener Kohlenstaub. Auch der Schriftzug auf dem großen Schild über der Eingangstür war stark in die Jahre gekommen.
Zur grünen Linde stand dort; früher war hier eine Kneipe betrieben worden, doch die war inzwischen geschlossen. Das Haus war bis in den letzten Winkel belegt, teilweise mit regulären Mietern, teilweise mit ehemaligen Zwangsarbeitern, Vertriebenen aus dem Osten und anderen Displaced Persons, darunter auch Kinder.
Ein gutes Dutzend der Bewohner hatte sich in der Nähe der Toten versammelt, und Carl hatte den deutlichen Eindruck, dass keiner der Anwesenden der alten Frau auch nur eine Träne nachweinte. Im Gegenteil, der eine oder andere schien es ganz in Ordnung zu finden, wie sie da lag, mit geborstenem Schädel und in einer Lache aus gestocktem Blut.
Carl blickte zu dem offenen Fenster im ersten Obergeschoss hoch. Wäre sie auf einer Wiese gelandet, hätte sie den Sturz mit einigem Glück überleben können, aber sie war mit dem Hinterkopf direkt auf einem großen, kantigen Mauerbrocken aufgeschlagen.
Carls Kollege Werner gesellte sich zu ihm. Wie Carl war er achtunddreißig, wirkte aber um einiges älter und erschöpfter. Das Leben hatte ihm übel mitgespielt, er hatte in den letzten Wochen des Krieges seine ganze Familie bei einem Bombenangriff verloren. Frau und zwei Kinder, alle in derselben Nacht gestorben. Damals war sein Haar in nur wenigen Tagen so grau geworden wie Asche. Heute, über drei Jahre später, litt er immer noch wie ein Hund. Die Arbeit war das Einzige in seinem Leben, das ihn aufrecht hielt. Seine Gesundheit war ihm gleichgültig. Er betrank sich regelmäßig und rauchte zu viel; in ihrer Abteilung argwöhnte man hinter vorgehaltener Hand, dass Werner sich zur Befriedigung seiner Sucht ab und zu bei den beschlagnahmten Asservaten aus den Schwarzmarktrazzien bediente. Auf legalem Weg kam heutzutage niemand mehr an Alkohol und Zigaretten, jedenfalls nicht in solchen Mengen, wie Werner sie verbrauchte.
An diesem Tag wirkte er besonders mitgenommen. Die Jacke schlotterte um seine mageren Schultern, die Augen lagen tief in den Höhlen. Seine rechte Wange war dick geschwollen, ein entzündeter Weisheitszahn, der ihm schon seit Wochen zu schaffen machte.
»Wolltest du heute nicht endlich zum Zahnarzt?«, fragte Carl ihn.
»Vorhin erledigt. Das Biest ist draußen.«
»Du siehst fertig aus.« Carl betrachtete ihn besorgt. »Wieso hast du dich nicht krankschreiben lassen?«
»Hab ich ja.«
»Und weshalb kommst du dann her?«
»Weil ich die Frau kenne.«
Carl sah ihn erstaunt an. »Du kennst sie?«
»Ja. Das heißt, nicht persönlich. Aber dafür ihren Sohn. Sie ist - war - die Mutter von Arnold Hoffmann.«
Arnold Hoffmann. Carl durchforstete sein Gedächtnis, bis er das passende Bild vor sich hatte. Ein großer, gut aussehender Bursche, vielleicht sechs oder sieben Jahre jünger als er. Sie waren sich im Präsidium in der Büscherstraße nur sporadisch über den Weg gelaufen, weil sie in unterschiedlichen Abteilungen gearbeitet hatten.
»Ich entsinne mich dunkel«, sagte er. »Der hat vierunddreißig angefangen, oder? Muss ein paar Monate vor meinem Rausschmiss gewesen sein.«
Wie immer, wenn er darüber sprach, musste er gegen den alten Groll ankämpfen. Elf Jahre seines Lebens. So viel hatte ihn dieser beschissene Ariernachweis gekostet, den er nicht hatte liefern können. Elf verfluchte Jahre unter Tage auf dem Pütt. Bis die Alliierten ihn wieder eingestellt und gleichzeitig viele andere rausgeworfen hatten, die zu braun für einen Persilschein gewesen waren.
Carl vermutete, dass auch Arnold Hoffmann dieses Schicksal widerfahren war. »Was ist aus dem Kerl geworden?«, erkundigte er sich bei Werner.
»Der hat Karriere bei der SS gemacht und ist kurz vor Kriegsende untergetaucht. Wurde später von einem britischen Militärgericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt.«
»Was hat er angestellt?«
»Drei Dutzend Zwangsarbeiter umgebracht, bei einer Gestapo-Sonderaktion. Das war im März fünfundvierzig, kurz vor dem Einmarsch der Alliierten. Das Massengrab wurde ein paar Wochen später entdeckt, von Polen und anderen Ostarbeitern. Die haben dann wahllos ein paar Deutsche auf der Straße aufgegriffen und sie gezwungen, die Leichen auszubuddeln. Stand damals in allen Zeitungen, hast du nicht davon gehört? Kam sogar im Radio.«
»Natürlich hab ich davon gehört. Aber Arnold Hoffmanns Name wurde dabei nicht erwähnt.«
»Dass er bei der Ausführung der eigentliche Haupttäter war, kam ja auch erst später raus, durch die Zeugenaussagen im Prozess. Der Kerl wird von den Tommys immer noch mit Hochdruck gesucht. Und von uns auch. Auf den Revieren hängt sogar ein Steckbrief von ihm.« Werner grinste ein bisschen schief. »Es ist eine Belohnung für seine Ergreifung ausgesetzt. Fünftausend Mark.«
Das kommentierte Carl nicht weiter. Die Wände aller Essener Reviere waren deckenhoch mit Steckbriefen tapeziert, doch die Belohnungen lockten keinen mehr hinterm Ofen hervor. Es existierte praktisch nur noch eine einzige solide und überall akzeptierte Währung: Zigaretten, vorzugsweise amerikanische.
»Und das ist also Arnold Hoffmanns Mutter?« Carl blickte auf die Tote, die hingestreckt in den Trümmern lag. Eine unscheinbare, schmale Person mit faltigem Gesicht und spitzem Kinn, doch sogar die vom Alter verkniffenen Züge ließen noch erahnen, dass sie in jungen Jahren wohl eine Schönheit gewesen war. Das nun fahle Haar einst glänzend blond, die im Tod gebrochenen Augen von einem klaren Blau, die Gestalt angenehm proportioniert. Ihre Kleidung wirkte solide, jedenfalls weit hochwertiger als die ihrer zahlreichen Mitbewohner. Sie war auch nicht so abgemagert wie alle Übrigen hier. Es schien, als hätte sie trotz der elenden Umstände in den letzten paar Jahren ihr Auskommen gehabt.
Werner musterte die Leiche. »Ich frage mich, ob Arnold es schon weiß.«
»Das würde voraussetzen, dass er wiederaufgetaucht ist.«
»Das trifft anscheinend zu.«
Carl nahm es überrascht zur Kenntnis. »Woher weißt du das?«
»Er wurde hier in der Gegend gesichtet. Irgendwer war gestern wohl auf der Wache und hat's erzählt. Hab davon erfahren, als ich vorhin meine Krankmeldung abgegeben habe. Deshalb bin ich ja auch gleich hergekommen, statt nach Hause zu gehen.« Werner warf einen Blick auf den Polizeifotografen, dann deutete er auf die Leiche. »Wieso sieht es eigentlich für dich nach Mord aus? Könnte es nicht auch ein Unfall gewesen sein? Beim Fensterputzen? Kommt häufig vor. Gerade bei älteren Frauen.«
»Ich war oben in ihrer Wohnung. Kein Putzeimer am Fenster, kein Stuhl zum Draufsteigen, nichts von dem, was man zum Fensterputzen so braucht. Und sieh dir an, was sie in der Hand hat. Es ist kein Wischlappen, falls du das angenommen hast.«
Werner beugte sich über die Leiche. »Ein Kartoffelsack«, stellte er fest. »Ist aber nur noch eine Kartoffel drin. Wo der Rest wohl ist?« Er blickte zu Carl hoch. »Ein Raubmord? Manche Leute bringen sich ja für weniger als ein paar Kartoffeln gegenseitig um.« Er hielt inne und dachte kurz nach. »Vielleicht wurde die eine Kartoffel auch nur übersehen«, mutmaßte er. »Von denen, die die Frau als Erste entdeckt und die restlichen Kartoffeln eingesammelt haben.«
»Verdenken könnte man's sicher niemandem.« Carl sah zu den Schaulustigen hinüber, von denen keiner den Eindruck machte, als hätte er genug zu essen.
Einige tuschelten miteinander. Zwei Kinder kletterten voller Neugier auf eine benachbarte Schutthalde, um die Tote besser betrachten zu können. Eine Frau unter den Zuschauern rief sie mit scharfen Worten in schlesischer Mundart zurück. Die Leute, die dort herumstanden, stammten aus den unterschiedlichsten...
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