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Unwillkürlich denken wir an die bahnbrechende These von DE SAUSSURE: Jedes Wort ist wie ein Geldstück. Es hat zwei Seiten: Bild/Bedeutung/Sinn/Lesen und Laut/Aussprache/Sound/Hören. Das ist die Grundregel, die grundlegende Erkenntnis, mit der wie mit einem Werkzeug, wie mit Hammer, Meißel oder Schere, immer wieder bei der Analyse der Geschichte der Schrift gearbeitet werden muss. Das ist das zentrale Analyse-Instrument.
Die Menschen beginnen mit dem Bild, verstehen es oft nicht, danach geht es mit dem Laut weiter. Doch sie wollen das alte Bild ein Stück weit behalten, es bleibt in ihrem Gedächtnis vorhanden. Aber das fast vergessene Bild ergibt keinen Sinn mehr. Wie soll der Laut dann behalten werden? Es gibt ein ständiges Drehen in der Geschichte der Schrift, vom Bild zum Laut (s. Abb. 3: Das Rebus-Prinzip), vom Laut zum Bild. Zwischendurch werden Bildelemente vergessen, Laute verschoben. Das ist der Weg der Logik, die sich ganz nach HEGEL in der realen Geschichte entfaltet.
An dieser Stelle beginnt dann endgültig die Enttäuschung mit Harald HAARMANNs »Universalgeschichte«. Die Hoffnung auf eine globale Analyse der Schriftgeschichte, sie wird weitgehend enttäuscht. Die Argumentation in der »Universalgeschichte« erfolgt nicht strikt entlang den linguistischen Erkenntnissen, sondern versinkt ein Stück weit in der Beschreibung der jeweiligen Schrift. Vieles ist richtig, manches wieder falsch, schief oder unvollständig. Im Grunde genommen kann sich der Leser nicht wirklich auf die Darstellung verlassen.
Auch weitere Argumente aus der Linguistik erhalten nur fallweise oder in nicht systematischer Form Platz in der »Universalgeschichte«. Die versprochene Darstellung der Übergänge funktioniert jedoch nicht ohne diese Gedanken-Tools. Warum wurde wie, wann und wo welche Schriftvariante übernommen? Hat sich diese Variante aus einer fremden Sprache mit der eigenen vertragen? Kam es zu Fehlern oder relevanten Anpassungen bei diesem Kulturimport? Der Kulturexport Schrift der Phönizier wurde von den alten Griechen anders importiert als er angeboten wurde. Cultural clash.
Genau diese Momente der realen Geschichte der Schrift kommen in der »Universalgeschichte« deutlich zu kurz, gehen in der Vielzahl der Argumente, der ausgewerteten unterschiedlichen Quellen unter. ????? ?????? ??? ?????. Ich hoffe, ich habe das von meinen Russisch-Lehrgängen in Bochum von vor fast 40 Jahren richtig behalten, als es noch keine Computer mit allen Schriften der Menschheit gab: LIEBER WENIGER, ABER BESSER. Oder wie es im Deutschen heißt: Lieber den Spatz einer »Kleinen Geschichte der Schrift« in der Hand, mit Logik und Belegen, als eine weiße Taube auf dem Dach der Wissenschaften namens »Universalgeschichte«, die in der Vielzahl der Informationen den roten Faden der Geschichte nicht findet.
Bei den Schrift-Übernahmen spielen die Materialien, auf denen geschrieben wird, oft eine formgebende Rolle: Getrockneter Lehm, Stein, Papyrus, Papier. Die Schreibwerkzeuge, Tuschestift mit Lederspitze oder Haarbüschel, Reetgrasstift, Steinspitze, Kugelschreiber, Druckmaschine usw. formen mit. Unter welchen Bedingungen hat wer wo warum geschrieben? Offiziell in der Schreibstube des Kaisers oder Pharaos, inoffiziell die feinen japanischen Damen, die eigentlich vom Lernen der Schrift ausgeschlossen waren usw.
Die Analyse erfordert also eine ganzheitliche konkrete Betrachtung einer jeden Schreibsituation, wenn die Geschichte verstanden werden soll. Mit einer begrenzten, jedoch überlegten Auswahl von Argumenten kann die Geschichte der Schrift erklärt werden. Doch diese Argumente müssen vollständig und mit System eingesetzt werden, nicht hier und da verstreut.
Die »Universalgeschichte« ist der Versuch das Thema SCHRIFT vollständig, weltweit und von Anfang an bis heute zu präsentieren. Akademischer Fleiß und Präzision in der Darstellung glänzen. Doch es kommt zu einer weitgehenden Enttäuschung, da die Ferne von der konkreten Sprachrealität sowie die Ferne von der Linguistik deutlich hervortreten. Hierdurch werden mehrere Darstellungen unzutreffend. Das Kapitel »Die Schrifttradition Chinas« sollte besser nicht gelesen werden. Auch ich werde weiter unten nur ein wenig zitieren und diskutieren. Das wird dann genügen um den Nachweis zu erbringen, sich besser nicht mit jedem Detail dieses Fehlwurfs aufzuhalten.
In der »Universalgeschichte« tritt die bekannte Schwäche der akademischen Methode leider allzu deutlich hervor: Lücken, Praxisferne. Um es mit einem Alltagsbeispiel zu sagen: Erklären Sie mal ihrem Enkel oder ihrer Enkelin, wie Schuhe zu schnüren sind. Sie werden fast wahnsinnig, wenn dies nur mit Worten erfolgen soll. Spätestens beim zweiten Satz werden Sie sagen: Nimm mal diesen Schuh. Jetzt nehmen wir beide mal diese beiden Schnüre. So drehen, so ziehen, dann hier herum. So, jetzt mach' es mal selbst. Erst die Praxis erklärt das Verfahren.
Die rein akademische Methode, die intensive Literaturrecherche und Systematisierung allein funktionieren nicht. Viel zu oft werden falsche, überholte Darstellungen mit neuen vermischt. Es braucht den frischen Wind der Realität, des Sprachesprechens, des Lesens der fremden Schriften, des Selbst-Tuns, um mit den Unterschieden, den Entwicklungen völlig vertraut zu werden. Selbst danach passieren Fehler, jedoch erfahrungsgemäß deutlich weniger. Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit.
Das gilt natürlich vorrangig bei den Naturwissenschaften, bei Physik, Chemie, Biologie usw. mit ihrer bevorzugten Methode der Experimente. Doch auch im Bereich der Gesellschaftswissenschaften kann der frische Wind der Realität überall weiterhelfen. Wir haben doch bei Darwin gesehen, dass die Evolutionstheorie zuerst einmal ein plausibler, der Kirche nicht genehmer, theoretischer Ansatz ist. Doch auf seinen berühmten Schiffsreisen konnte er dann die >missing links< finden, die Knochen im Sand, die seine Theorie mit überzeugender Realität unterlegten.
Ähnlich ist es auch bei den Sprachen und Schriften der Welt. Sie können lange beschrieben werden. Es ist nützlich und unabdingbar viele Abbildungen einzusetzen. Doch besser ist es, wenn der Autor, die Forscherin diese Sprachen und Schriften zum Teil selbst spricht und schreibt und im Anschluß die neu erlernten Sprachen und Schriften mit Worten, Bildern oder Tonaufnahmen erklärt. Erst das Tun bringt die Perfektion in der Analyse. Das ist bei mehr als 6000 Sprachen und fast 300 Schriften nicht möglich. Dann jedoch sollte der Forscher und die Autorin Schwerpunkte setzen: Z.B. zwei Lateinschriften, Kyrillisch, Arabisch, eine indische Schrift, Chinesisch, Japanisch, eine ausgestorbene Schrift.
Zugegeben, gerade die Übergänge herauszuarbeiten, ist desöfteren einfach nicht machbar. Es fehlen häufig Belege, die vielleicht der Wüstensand zugeschüttet hat. Doch dann sind zumindest wohl begründete Hypothesen aufzustellen. Die Vorgehensweise von Charles Darwin bei seiner Erarbeitung der Evolutionstheorie in der Biologie soll uns als Modell dienen. Dabei wird manchmal die Suche nach einem >missing link< um so wichtiger sein. Das Thema meiner Schrift besteht nicht darin, eine neue Gesamtdarstellung zu präsentieren. Angesichts der schnellen und umfangreichen Forschungsentwicklung, des Umfangs der Erkenntnisse heute ist die Präsentation der Details Aufgabe der Fachliteratur. Hier geht es um das >big picture<, den >roten Faden<, soweit er heute aufgefunden werden kann.
Hinzu kommt, dass ich als Master-Sinologe die deutlichen Schwächen und Fehler in der HAARMANN-Darstellung herausarbeiten kann und muss. Indem ich im Detail das »Alternativsystem« der chinesischen Zeichen kenne, sehe ich sowohl Mängel bei der »Standarddarstellung« der westlichen Schriften als auch bei der Darstellung der chinesischen Schriften. Dass ist kein »Spezialthema China«, denn, wie bereits oben diskutiert, gibt es grundsätzlich zwei generelle Schriftsysteme: (Fast-)alphabet und Bilderschrift. Also wieder DE SAUSSURE: Zwei Seiten eines Geldstücks, Bild und Laut, nun als Basis aller Schriften der Menschheit! Wir müssen unbedingt den eurozentrischen Standpunkt verlassen, das lateinische Alphabet als Zentrum der Welt zu sehen, alle anderen als rückständig oder Ausnahme oder obskur!
Genauso zeigt sich die Welt heute: Alle Völker verwenden mehr oder weniger (Fast-)Alphabetschriften - bis auf die chinesische Schrift. Sie ist die einzige heute noch im Gebrauch befindliche Bilderschrift. Das ist kein Ausrutscher, kein Sonderfall, keine Ausnahme von der Regel, kein Mangel, keine Rückständigkeit, keine Exotik, keine Kuriosität - sondern Offenlegung der Logik des Wortes: Laut und Bild. Wenn jedes Wort zwei Seiten hat, dann kann jede Seite für sich verschriftlicht werden. Im Laufe der Geschichte zeigt sich dann des Öfteren, dass das Geldstück gedreht...
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