Schweitzer Fachinformationen
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Freitag, 14. Februar, 19:34 Uhr
Ort: Ich befinde mich in einer echt schrecklichen Bar, deren einziger Zweck es ist, Leuten das Gefühl zu geben, dass sie es niemals im Leben zu etwas bringen werden. Von der Wand glotzt mir ein vergoldeter Elch entgegen, es gibt goldene Kronleuchter, überall hängen Spiegel, und das Licht strahlt von unten die Decke an. Was für ein Unmensch lässt sich eigentlich eine derartige Beleuchtung einfallen?
Vollkommen reglos sitze ich an der Theke. Wie festgefroren. Ich habe eine lässig wirkende Pose eingenommen, die meine Vorzüge zur Geltung bringt und bei der meine bessere Seite, die rechte, der Tür zugewandt ist. Es ist nicht wirklich bequem, aber es ist okay, denn DKDDESK - der Kerl, der der eine sein könnte - sollte jeden Augenblick zur Tür hereinkommen. Und wenn mir zahllose Kinofilme eines beigebracht haben, dann die folgende Erkenntnis: dass die Liebe auf den ersten Blick der alleinige Schlüssel zu einem Und-sie-lebten-glücklich-bis-ans-Ende-aller-Tage-Happy-End ist.
Einige Minuten vergehen, und ich sitze immer noch unbeweglich da, registriere nur am Rande, dass die Barkeeperin mein Madame-Tussaud-Wachsfiguren-Gesicht neugierig mustert.
»Alles okay bei dir?«, fragt sie mich schließlich und lächelt mitleidig, während sie die Theke um mich herum sauber wischt.
Ist denn wirklich alles okay bei mir?
Na ja, das ist eine gute Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Heute ist Valentinstag, und ich sitze alleine auf einem Barhocker und warte auf mein Blind Date, das vermutlich nicht auftauchen wird.
Abgesehen davon werden Barhocker irgendwann mein Untergang sein. Mal ehrlich, kann mir vielleicht irgendjemand zeigen, wie man elegant von einem Barhocker steigt und sich danach elegant wieder hinaufschwingt? Geht nicht, ganz ausgeschlossen.
Also muss ich wohl oder übel den ganzen Abend auf dem dämlichen Hocker sitzen und kann nicht mal auf die Toilette gehen. Dabei müsste ich dringend mein glänzendes und gerötetes Gesicht, von dem so langsam vor lauter Nervosität der Schweiß rinnt, etwas abpudern. Da ich allerdings annehme, dass die Barkeeperin das alles nicht wirklich hören will, mache ich stattdessen auf vergnügt und bitte um mehr Alkohol - wenn ich schon versetzt werde, kann ich mich genauso gut gleich zuschütten.
»Wäre ein Glas Weißwein okay?«, fragt sie und gießt mir auf mein Nicken hin nach. »Du siehst übrigens echt nett aus«, fügt sie hinzu.
Ich bedenke sie mit einem strahlenden Lächeln, das sich jedoch auf das randvolle Glas und nicht auf »echt nett« bezieht, da erwarte ich etwas mehr. Vorsichtig balanciere ich auf einer Pobacke, ziehe meinen Rock ein wenig nach oben und mein Top ein wenig nach unten, denn niemand will schließlich bloß »echt nett« aussehen.
Es ist, als hätten Schlampen tatsächlich mehr Glück, denke ich, denn in diesem Moment vibriert mein Telefon.
Das ist er!
Irrtum, ist er nicht, es ist Sophie, die mir schreibt.
Alles okay bei dir? Küsschen.
Ich verdrehe die Augen. Alle machen sich Sorgen um mich und fragen mich andauernd, ob alles in Ordnung sei. Allein heute habe ich ganze elf Nachrichten von Freunden und Familienmitgliedern bekommen, die wissen wollten, ob alles okay ist, und die mir liebe Grüße schickten. Selbst meine Arbeitskollegin Jackie hat Mitleid mit mir. Dabei müsste es umgekehrt sein. Immerhin ist Jackie verdammte zweiundfünfzig Jahre alt, und niemand im Büro mag sie. Außerdem sitzt ihre beste Freundin im Knast, weil sie die Bingorunde beklaut hat.
Es ist weiß Gott nicht toll, wenn alle rundum der Meinung sind, den Valentinstag alleine zu verbringen, obwohl man sich der Dreißig nähert, sei schlimmer als der Tod. Ich sehe dem goldenen Elch tief in die Augen. Was, wenn es wirklich stimmt?
Meine Schwester Jennifer hat mir zu diesem Date verholfen. Sie meinte wörtlich: Wenn ich dir die Sache überlasse, dann stirbst du einsam und allein. Und ich komme sicher nicht rüber, um deine Katzen davon abzuhalten, dich aufzufressen. Ich habe genug eigene Sorgen. Deshalb hat sie das heutige Date mit Martin arrangiert, der laut Jen nicht gerade umwerfend aussieht, jedoch, wieder wörtliches Zitat, für dich allemal reichen wird.
Offenbar nicht gerade das, was man einen Knaller nennen würde. Er ist Steueranwalt - klingt sexy, oder? -, hat mit Jens Mann Andrew zusammengearbeitet und ist erst seit ein paar Monaten Single. Das sei genau der richtige Zeitpunkt, um zuzuschlagen, argumentiert sie. Wenn ich länger warte, meint sie, schnappt mir eine andere womöglich diesen großartigen Fang vor der Nase weg. Martin und ich haben einige sehr formelle, eines Steueranwalts würdige Nachrichten ausgetauscht - einmal, kein Witz, hatte ich tatsächlich das Gefühl, er werde mich nach meiner Versicherungsnummer fragen, bevor er einen weiteren Kontakt überhaupt in Erwägung zieht.
Er war es auch, der Ort und Tag ausgesucht hat. Die Depressivbude hier passt zu dem Eindruck, den ich von ihm habe. Hinsichtlich des Termins hätte ich selbst aufpassen müssen. Niemand, der alle Sinne beisammen hat, lässt sich am Valentinstag auf ein Blind Date ein.
Jetzt ist es zu spät. Ich kann nicht einmal mehr so tun, als wüsste ich es nicht. Überall stolpert man über verliebte Pärchen. Gleich als ich zu Hause aus der Tür getreten bin, war da eines mit einem rosafarbenen Luftballonherz. Und sie schämten sich nicht mal. Es gibt lediglich einen Tag im Jahr, an dem man sich so unanständig glücklich zeigen und mit seinem Glück die weniger Glücklichen provozieren darf - und dieser Tag ist heute. Die Leute sind wie die Hexen an Halloween, außer dass ihre magische Fähigkeit darin besteht, alle um sie herum zum Kotzen zu bringen.
Ich lasse noch ein paar Minuten verstreichen, dann schicke ich meinem DKDDESK eine Nachricht.
Ich hoffe, du hast dich nicht irgendwo in der Wüste verirrt. Ich sitze hier an der Theke und lasse mich alleine volllaufen! Und ich sehe echt cool aus!!!
Von sechs Ausrufezeichen lösche ich die Hälfte wieder, füge als Ersatz ein zwinkerndes Emoji hinzu, damit er die Selbstironie erkennt - bei einem Steueranwalt schließlich nicht selbstverständlich -, drücke auf Senden und werfe einen Blick auf die Uhr. Mittlerweile ist mein toller Hecht beinahe dreißig Minuten überfällig, und das ist extrem untypisch für einen korrekten Juristen. Wenn er die Sache mit der Pünktlichkeit so locker sieht, wage ich sogar zu hoffen, dass er gar kein typischer Steueranwalt ist.
Trotzdem: Wie lange soll ich noch warten, bevor ich aufgebe, frage ich mich und seufze. Mein Gott, nicht dass er längst hier ist und mich heimlich beobachtet. Oder sein Telefon ist hinüber, und er denkt, dass ich ihn versetzt habe. Schließlich habe ich keine Ahnung, wie er aussieht. Ich habe es mir nämlich selbst verboten, ihn auf Facebook zu stalken. Um die Spannung zu bewahren, mir die Überraschung nicht zu verderben. Jetzt, wo der Schuss nach hinten loszugehen droht, könnte ich mich dafür in den Hintern beißen.
Eine knifflige Situation.
Soll ich ihn tatsächlich anrufen? Nein, das wäre noch peinlicher, als auf einen Barhocker zu klettern. So regelt meine Generation diese Dinge einfach nicht. Wir unterhalten uns via Textnachrichten und Emojis. Wenn ich könnte, würde ich ausnahmslos mittels Links zu Buzzfeed-Artikeln kommunizieren. Na ja, eigentlich tue ich das ohnehin mehr oder weniger.
Ich warte weitere fünf Minuten, dann schicke ich ihm eine WhatsApp-Nachricht, eine SMS und - bitte nicht lachen - ein einigermaßen witziges Snapchat, um ihn zu fragen, wo er steckt.
Und als nichts davon nützt, nehme ich allen Mut zusammen und wähle seine Nummer, lande aber direkt auf der Sprachbox. Ein verdammt schlechtes Zeichen. Soll ich ihm eine Nachricht hinterlassen? Während ich noch schwanke und abwäge, schaltet sie sich schon ein.
»O hallo! Äh ., hier spricht Ellie. Eleanor Knight. Jennifers Schwester. Die Schwester von Andrews Frau. Andrew, mit dem du bis 2010 zusammengearbeitet hast und mit dem du weiter über Facebook Kontakt hältst. Und dessen Frau dir geschrieben hat, um dich zu fragen, ob du mit ihrer verzweifelten Schwester ausgehen willst. Das bin ich! Ich sitze seit einiger Zeit in der Bar, die du vorgeschlagen hast, und wenn ich mich recht erinnere, waren wir für halb acht verabredet. Oder? Ich bin mittlerweile beim dritten Glas. Klingt viel, ich weiß, doch sie waren klein. Ziemlich klein sogar. Ich hoffe, es geht dir gut. Ruf mich an oder schreib mir, wenn du .«
Seine Sprachbox lässt mich gar nicht erst ausreden, was durchaus nachvollziehbar ist, da ich mich selbst auch am liebsten zum Schweigen gebracht hätte. Überhaupt diese Unsitte, auf solche Blechautomaten zu sprechen. Es kommt mir vor, als würden es die Hersteller geradezu darauf anlegen, dass man sich damit das Leben ruiniert.
Vielleicht ist er tot, denke ich mit einem Anflug von Erleichterung. Vielleicht wurde er auf dem Weg hierher von einem Auto überfahren, weil er eines dieser verdammten rosafarbenen Luftballonherzen dabeihatte und es seine Sicht dermaßen einschränkte, dass er den Mini Cooper übersah, der auf ihn zugerast kam. Ich sehe es deutlich vor mir, wie der Ballon traurig in den schwarzen Himmel steigt und der blutige, leblose Körper einsam auf der Straße zurückbleibt.
Dieses Szenario würde bedeuten, dass er mich nicht versetzt hat und dass Jennifer nicht wütend auf mich sein kann, weil ich es wieder einmal vermasselt habe.
Die Barkeeperin ist zurück. Sie hält...
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