Schweitzer Fachinformationen
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Zu Anfang hatte ich immer eine Flasche Wein dabei, wenn ich Edward besuchte. »Du musst wirklich nichts mitbringen, Darling«, sagte er, aber ich ignorierte diesen Hinweis häufig, weil es mir unangenehm war, mit leeren Händen zu einem Abendessen zu erscheinen.
Es sei auch überhaupt nicht nötig, anzuklopfen oder zu klingeln, erklärte er mir. Er wusste immer ganz genau, wann ich vor der Tür stand, denn der Portier rief ihn sofort an, nachdem ich das Haus betreten hatte. Abgesehen davon ließ er seine Wohnungstür immer unabgeschlossen. Dennoch bestand er, schon kurz nachdem wir uns angefreundet hatten, darauf, mir einen eigenen Schlüssel zu überlassen, nur für den Fall, dass die Tür ausnahmsweise einmal verschlossen sein sollte oder ich vorbeikommen wollte, während er sein morgendliches oder nachmittägliches Nickerchen auf dem Sofa machte. Er gab mir den Schlüssel, der an einem violetten Plastikanhänger befestigt war. Sein Vorname und seine Telefonnummer standen in großen Druckbuchstaben auf dem weißen Schildchen, das in den Schlüsselring eingefasst war. Wir wussten beide, dass ich den Schlüssel niemals benutzen würde, um sein Apartment zu betreten, aber ich nahm ihn dankbar entgegen - es war eine Geste der Freundschaft und eine tägliche Erinnerung daran, dass Edward nun Teil meines Lebens geworden war.
Wenn ich Wein mitbrachte, schrieb er jedes Mal meinen Namen auf das Etikett und legte die Flasche in seinen provisorischen Weinkeller in einem Schrank im Flur, in dem er auch seine Wintermäntel aufbewahrte. Bei meiner Ankunft hatte er die Weine für die Mahlzeit längst ausgesucht und hob meine Mitbringsel für eine passendere Gelegenheit auf.
Bei einem der ersten Abendessen beging ich den Fehler, ihm ein paar von den salzigen Kabeljau-Kroketten mitzubringen, die ich nach einem Rezept meiner Mutter zubereitet hatte. Es war völlig abwegig gewesen zu erwarten, dass er sie zusammen mit seinen Speisen servieren würde. Ich überraschte ihn ohne Vorwarnung damit. Das war noch zu Anfang unserer Freundschaft, als ich nicht ahnte, welchen Aufwand an Überlegungen und Vorbereitungen Edward für ein einziges Dinner betrieb. Ich erkannte meinen Fauxpas im selben Moment, als ich ihm das klobige, in Alufolie verpackte Päckchen mit den Kroketten überreichte, und bemerkte seinen verwirrten Gesichtsausdruck. Aber er nahm mein Geschenk dankend entgegen und lud mich zu einem weiteren Abendessen noch in derselben Woche ein, bei dem wir sie zusammen verspeisten.
Edward war weder ein Snob noch ein übertriebener Feinschmecker. Er liebte es einfach, aus allem das Beste zu machen, und kümmerte sich hingebungsvoll um jedes Ding, das er herstellte - sei es nun ein Möbelstück für sein Wohnzimmer oder ein literarischer Text. Tatsächlich hatte er alle seine Möbel selbst getischlert und aufgepolstert und verfasste Gedichte und Kurzgeschichten, die er handschriftlich und sehr geduldig immer wieder neu auf unlinierten Seiten notierte, bis er das Gefühl hatte, dass sie gut genug waren, um von einer seiner Töchter abgetippt zu werden. Beim Kochen ging er ebenso sorgfältig vor, obwohl er damit erst spät in seinem Leben angefangen hatte, nämlich als er die Siebzig schon überschritten hatte. »Paula hat zweiundfünfzig Jahre lang gekocht, und eines Tages sagte ich ihr, sie hätte genug gearbeitet und ich sei nun damit an der Reihe«, erklärte er.
Schon als junger Mensch hatte Edward gutes Essen zu schätzen gelernt. Nachdem er mit vierzehn in der Schule sitzen geblieben war, schickten seine Eltern ihn von Nashville nach New Orleans, um dort den Sommer bei seiner Tante und seinem Onkel zu verbringen, die sehr wohlhabend waren. Seine Tante Eleanor war Lehrerin. Sie war sehr auf Disziplin bedacht und versuchte, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Gleichzeitig war sie sehr daran interessiert, ihm die Grundlagen der französischen Küche zu vermitteln.
»Ich wurde in eine Welt eingeführt, von der ich gar nicht gewusst hatte, dass sie existiert«, sagte er, als er sich daran erinnerte, wie er 1934 ins legendäre Restaurant Antoine's im French Quarter eingeladen worden war. »Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal Butterkrebse auf dem Teller hatte. Sie waren in dünnem Teig ausgebacken und wurden mit geschmolzener Butter serviert. Einfach köstlich.«
Als er mit dem Kochen anfing, orientierte er sich zunächst an der Speisekarte der französisch-kreolischen Küche des Antoine's, aber er wusste auch die ganz einfachen Dinge zu schätzen. Einmal erzählte er mir, wie er als kleiner Junge gekochten Kohl gegessen hatte, mit »einem Klacks Butter oben drauf, der das Ganze in den siebten Himmel katapultierte«! Und er ließ sich von allen Seiten inspirieren: So behauptete er einmal, einen besonderen Trick beim Zubereiten von Rührei vom Heiligen Johannes mitgeteilt bekommen zu haben.
Der Heilige Johannes? St. John?
Das war ein Koch bei Amtrak gewesen, den Edward und Paula während einer zehnstündigen Bahnreise kennengelernt hatten. »Sein ganzes Leben lang hatten ihn alle immer nur >Boy< genannt«, erzählte Edward. »Aber als er sich den Baptisten anschloss und eine Köchin namens Emma ihn unter ihre Fittiche nahm, wurde er auf einmal St. John the Baptist genannt.«
»Johannes der Täufer« wusste, wie man mit Eiern umgehen muss. Als Edward ihn nach dem Geheimnis seines Rühreis fragte, erklärte St. John ihm, dass er niemals alle Eier zugleich garte, sondern sie in zwei Schritten briet. Diesen Trick brachte Edward umgehend seiner Frau Paula bei. Und nun bestand er darauf, ihn mir zu demonstrieren. Er schlug ganz frische Eier mit leuchtend orangefarbenem Dotter in eine Schüssel, gab einen Spritzer Milch oder Sahne dazu, außerdem Salz und Pfeffer. Dann schmolz er Süßrahm-Butter in einer heißen Pfanne und gab die Hälfte der verschlagenen Eier hinein und zwar in dem Moment, in dem die Butter sich braun verfärbte.
»Niemals alles gleichzeitig reinschütten«, wiederholte er. »Rührei muss man in zwei Schritten zubereiten.«
Als die erste Hälfte zu brutzeln und zu blubbern begann, löste er die Masse vorsichtig mit dem Löffel, reduzierte die Hitze und fügte den Rest hinzu, um die glibberige, blassgelbe Mixtur so lange zu braten, bis sie locker, luftig und ganz mit Butter überzogen war.
Die entbehrungsreichen Jahre seiner Jugend im Süden hatten Edward gelehrt, sorgsam mit seinen Vorräten umzugehen. Frische Kräuter hob er in verschließbaren Plastiktüten im Gefrierfach auf. Sein Schweineschmalz, das er in großen Blöcken bei seinem Schlachter in Queens kaufte, packte er sorgfältig in Wachspapier ein, um es im Kühlschrank aufzubewahren. Edward liebte es, in speziellen Lebensmittelgeschäften wie Citarella oder der Gourmet Garage einzukaufen, aber er ging auch gern in den Supermarkt um die Ecke. Er besaß keine ausgefallenen Küchenutensilien, und die wenigen Kochbücher, die ich bei ihm sah und die er so gut wie nie aufschlug, waren Geschenke von wohlmeinenden Freunden.
»Ich koche einfach, Darling«, sagte er, als ich ihn fragte, warum er keine Kochbücher benutzte. »Ich denke nicht mal darüber nach, wie ein Rezept sein könnte. Ich möchte mich nicht mit irgendwelchen Vorschriften herumschlagen. Für mich hat das nichts mit Kochen zu tun - man klebt doch bloß an einem Stück Papier.« Seine alten, aber makellos polierten Kochtöpfe und Pfannen hängte er in der Küche an eine mit Alufolie überzogene Gerätewand aus Pressspan.
Ich bewunderte seinen Einfallsreichtum, wusste aber auch, dass er einen sehr erlesenen Geschmack besaß. Er verwendete nur Hendricks Gin fürs Mixen seiner Martinis oder um Lachs zu beizen, und behauptete steif und fest, nur mit Gurkensud könne man das zarte Aroma aus dem geräucherten Lachs richtig herauskitzeln. Um einen Martini zuzubereiten, goss er Hendricks Gin und sehr trockenen Vermouth in einen normalen Messbecher, und kühlte diese Mischung zusammen mit den Gläsern im Gefrierfach, bis die Gäste erschienen. Edwards Martinis wurden weder gerührt noch geschüttelt - er goss einfach nur Gin und Vermouth extra dry in einen Messbecher und stellte ihn kalt. Jedes Glas garnierte er mit einer dünnen Gurkenscheibe, die er ebenfalls gefroren hatte.
Immer wenn seine ältere Tochter Laura, die sich in Griechenland selbst einige kulinarische Vorlieben zu eigen gemacht hatte, ihn in New York besuchte und die Qualitäten von Olivenöl im Pastetenteig lobte, zuckte er zusammen. Und sie hatte den Verdacht, dass er die goldfarbenen, mit Olivenöl gebackenen Pfirsich-Pies, die sie extra für ihn zubereitet hatte, lieber weiterverschenkte. »Wenn es ums Kochen oder Backen geht«, sagte sie, »ist er wirklich sehr eigen.«
Aber die Steaks, die Edward an diesem Abend in seiner heißen gusseisernen Grillpfanne briet, kamen ganz schlicht aus der Kühltruhe des Lebensmittelgeschäfts. Er hatte das Fleisch in Balsamico-Essig mariniert und briet es nun scharf an, um die Steaks anschließend auf zwei Teller zu legen, die er im Ofen vorgewärmt hatte. Der Fleischsaft breitete sich über den ganzen Teller aus und mischte sich mit den wenigen Frühkartoffeln, die er mit Schale gekocht hatte. Über die Kartoffeln kamen nur noch ein paar Butterflöckchen, dazu gehackte Petersilie. Dann goss er eine samtige braune Sauce über das Fleisch und trug die Teller zum Tisch.
Die Steaks waren wunderbar zart und schmeckten, als hätte er sie beim besten Schlachter von Manhattan besorgt und nicht bei Gristedes. Die Sauce war buttrig und gehaltvoll. Als ich ihn fragte, wie er...
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