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Philosophie ist keine Erzählung dessen, was geschieht, sondern eine Erkenntnis dessen, was wahr ist, und aus dem Wahren soll sie ferner begreifen, was in der Erzählung als ein bloßes Geschehen erscheint.
Hegel
Die Beschäftigung mit der Geschichte des Philosophierens sollte keine bloße Nacherzählung von Gedanken aus der Vergangenheit sein, sondern stellt eine echte wissenschaftliche Herausforderung dar. Ein einfacher Bericht über die wunderbaren Ideen eines Aristoteles oder der buddhistischen Denker, die bloße Überlieferung der Gedankengänge eines Descartes oder Spinoza genügen nicht. Kein Rundgang durchs Museum also, kein Kramen in der Mottenkiste des Denkens. Wie müsste eine andere, philosophisch ambitionierte Geschichte der Philosophie dagegen aussehen? Lässt sich die geschichtliche Aufeinanderfolge von philosophischen Entwürfen mit der Idee einer vernünftigen Ordnung oder eines logischen Stufengangs verbinden? Könnte eine solche Geschichtsschreibung dabei ihren universalistischen Anspruch mit der interkulturellen Wirklichkeit der Philosophie zusammendenken? Und wäre es auf diese Weise möglich, Aktualität zu beanspruchen, das heißt zum philosophischen Nachdenken über unsere Zeit anzuregen? Die vorliegende Studie versucht, auf diese Kernfragen Antworten zu geben und eine gegenüber traditionellen Konzeptionen andere Sichtweise auf die Geschichte der Philosophie vorzuschlagen - und zwar insbesondere im Hinblick auf eine erste Facette: den systemischen Anfang der Philosophie.
Weshalb kann sich eine philosophisch konzipierte Geschichte der Philosophie nicht auf ein neugieriges Suchen im Chaos von Meinungen und Entwürfen beschränken? Bei der Philosophie handelt es sich um keine Kollektion von Mumien. Wir befinden uns nicht in einem Archiv mit staubigen Zeugnissen, nicht in einem Mausoleum mit toten Entwürfen, nicht auf einem Basar mit allerlei Auswahl.[1] Wir haben es eben nicht nur (GW 4, 10f.), sondern mit einer Wissenschaft, die sich von den Geschichten aller anderen Wissenschaften prinzipiell unterscheidet. Beabsichtigt ist daher eine Historiographie der Philosophie als eines systemischen Zusammenhangs, eines vernunftgestützten Ganzen - verbunden mit Argumenten gegen die Behauptungen des bloß Chaotischen, Willkürlichen und Unzusammenhängenden einer solchen Historie.[2] Das (TWA 18, 49), aber aus einer philosophischen Perspektive können wir das (GW 4, 121) erkennen, was trotz aller verschlungenen Wege auf alle philosophischen Kulturen zutrifft. Der Philosophiehistoriker Kuno Fischer sprach mit Pathos von einem zu schaffenden Pantheon der Philosophie, in welchem der denkende Geist die denkenden Geister versammelt.[3] Die Kriterien für die Zugehörigkeit zu diesen Sternstunden der denkenden Vernunft, zu den Kronjuwelen des Schatzes der Vernunfterkenntnis, zu einer echten, nicht bloß sammelnden, chronologischen Weltgeschichte der Philosophie, bedürfen der wissenschaftlich-philosophischen Klärung. Die Pointe der vorliegenden Abhandlung liegt im Versuch, einen ersten Zugang zu einer philosophiehistorischen Konzeption von Idealtypen oder philosophischen Paradigmen zu erschließen. Dieser Vorschlag basiert auf dem Zusammenschluss der logischen Stufenfolge der Begriffe und der zeitlichen Abfolge philosophischer Systeme in einer dritten Form, einer idealtypisch-paradigmatischen Ordnung. Es handelt sich um ein prinzipiell neues Unternehmen, das Hegel begonnen hat, selbst aber nicht konsequent durchführte. Hegel sprach von einer eigentlichen und somit streng genommen philosophischen Geschichte der Philosophie (TWA 8, 185).
Wie und zu welchem Ende, so könnte man in Anlehnung an Friedrich Schiller fragen, betreibt man Universalgeschichte der Philosophie? Die wahrhafte Universalität der Philosophie[4] liegt nicht in der Sammlung aller vorfindlichen Gedanken und Philosopheme der verschiedenen Kulturen. In Goethes Verständnis von Weltliteratur geht es nicht einfach um eine globale Kollektion von literarischen Werken, es geht um Poesie, die an verschiedenen Orten und zu bestimmten Zeiten Blütezeiten hat und damit zum universalen Besitz der Menschheit wird. Eine wirklich universalistische Perspektive, die für Hegel besitzt, verbindet die kosmopolitisch-weltbürgerliche Perspektive mit den Besonderheiten des Kulturellen und Ethnischen, mit der bunten lebendigen Vielfalt, vermeidet die Ablehnung des Universellen und Allgemeinen wie auch die Geringschätzung der mannigfaltigen Besonderheiten. Sie wendet sich damit gegen zwei einseitige und somit unhaltbare Positionen: erstens gegen einen leeren Kosmopolitismus, welcher die kulturellen und ethnischen Besonderheiten ignoriert, und zweitens gegen den kulturellen Relativismus, der in der Ablehnung jeglicher Allgemeinheit gipfelt und das Besondere verabsolutiert. In den im Folgenden noch zu vertiefenden Überlegungen zur Interkulturalität[5] und Transkulturalität[6] der Philosophie, so die These, könnte das notwendige Zusammendenken von Allgemeinem und Besonderen gelingen.
Diese Studie argumentiert in diesem Sinne für die Konzipierung einer logisch gestützten Historiographie der Philosophie. Dies soll im Anschluss an Hegel entfaltet werden, da er die prägnantesten und überzeugendsten Bausteine für eine solche Architektonik vorgelegt hat. Im Sinne Hegels sollen hier erste Bestimmungen eines dezidiert philosophischen Begriffs von der Geschichte der Philosophie umrissen werden. Ganz zentral für dieses Unternehmen ist der Gedanke des Universalismus, der wahrhaften Allgemeinheit. Die echte Allgemeinheit des Begriffs zum Beispiel zielt nicht auf das bloß Gemeinschaftliche. Den Grund bildet das begreifende Denken des Ich als Universelles, worin die besonderen einzelnen Menschen als Afrikaner, Asiaten oder Europäer, als Inkas, Azteken, Maori, Massai, Inuit, als Snoqualmie oder Dakota, als Juden oder Christen, als Deutsche oder Italiener, als Frau oder Mann etc. identisch sind (GW 14/1, 175). In diesem universalistischen Sinne wird eine philosophische Begründung der Historiographie der Philosophie anvisiert.
Dazu eines von Hegels einfachen Beispielen für ein denkendes Herangehen: Falls jede Besonderheit nur in ihrer schlichten Isoliertheit, in der bloßen Besonderheit gedacht werden soll, wird vergessen, dass alles Besondere die Besonderung eines Allgemeinen ist - dass Kirschen oder Aprikosen Obst sind. Zur Illustration diese zugegeben metaphorische Vereinfachung: Sie sollen auf dem Jenaer Markt Obst kaufen. Der Händler wird sofort fragen, welches besondere Obst Sie möchten, Kirschen, Pfirsiche, Aprikosen, Ananas. Sofern Sie dann eine einzelne Aprikose erwerben, bringen Sie die Einheit von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit, den Begriff in Gestalt dieser einzelnen, je besonderen Frucht nach Hause. Obst wäre die einseitige Abstraktion des Allgemeinen, Aprikose nur das besondere Obst und diese Aprikose die defizitäre Artikulation der Einzelheit.
Das Gleiche gilt für die Philosophie: Aufgrund von Dialog und Austausch philosophischer Gedanken erwuchsen unter Wahrung des vielfältigen Eigenständigen Synergien und neue Denkformen. Vorausschickend hier einige ganz wenige Exempel für das Interkulturelle der Philosophie, ausgewählte Variationen des Zusammenwachsens, des Konkretisierens (concrescere) von Gedanken, des innovativen Ver-Knotens, des Verzahnens von Ideen. Eine noch zu behandelnde paradigmatische Formation kristallisiert sich in der hegelschen Synthese des parmenideischen Seins und des buddhistischen Nichts in Gestalt des heraklitischen Werdens heraus. Erwähnenswert sind die Beziehungen zwischen dem Buddhismus und dem Pyrrhonismus, zwischen Dogen und Sextus Empiricus, die Affinitäten zwischen Nagarjuna und dem Taoismus einerseits sowie Gorgias andererseits, auch die pythagoreische und alexandrinische Schule stellen interkulturelle Formationen dar. Das ,[7] auch das jüdische Denken des Maimonides sowie der aus Algerien stammende Augustinus und Spinoza stehen hierfür, bis hin zu den...
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